Es gibt so Leute, die könnste nicht erfinden. Seit Klaus Kinski tot ist, und Nina Hagen endlich wieder bekannt, fällt mir da eigentlich nur noch einer ein, dem wirklich alles egal ist wenn er was zu sagen und zu berichten hat.
Gut, Biermann vielleicht noch. Aber dem bauen sie höchstens noch in Washington ein Institut.Er hat sich einfach wieder einmal mit allen angelegt, und das ausgiebig (1). Dabei macht er das nicht mal, weil er es drauf anlegt, sondern weil er so ist.
Unvergessen für mich seine Laudatio zur Verleihung des Leo-Beck-Preises 2003, die ich live auf Phoenix mitverfolgte.
Die Sprache. Der Gestus. Die Worte. Das ewige Schneuzen in dieses piekfeine, ultravoluminöse Tuch, die Klamotten, wie aus tausendundzwei Tagen in der Bibliothek ausgeschnitten, es war und ist ein Unikum was dieser Künstler da macht.
Er ist der einzige, der es in dieser Rede jemals plausibel gemacht hat, warum ein – wegen seines Seins, was an und für sich niemanden zu kümmern oder zu stören hat – im Faschismus verfolgter Jude eben nicht ausgewandert, sondern hier geblieben ist:
die deutsche Sprache.
Er schätzt sie nicht, er liebt sie. Und das merkt man an jedem einzelnen Wort.
Und nicht, dass der Mann nicht Alternativen hätte, nein, nein – er will sprechen, und er tut es auch, in deutsch und sehr deutsch dazu.
Dieses absolut Sture, dieses einfach auf-nix-hören, dieses immer treu einer Sache anhängen selbst wenn das eine rechtsradikale Regierung ist, das ist einfach etwas, was es nur hier gibt, und nirgendwo auf der Welt sonst.
Ralph Giordano wird immer auf Seiten von Israel sein, und er selbst wird das nie mit der derzeitigen Regierung verwechseln, aber er wird das nicht eine Sekunde durchschimmern lassen.
Selbst wenn alle anderen ihm die unleugbaren Kriegsverbrechen der beinkorrupten Olmert-Regierung im Gazastreifen und im Westjordanland unter die Nase reiben, wird er sie rümpfen und sagen, er verteidige das Existenzrecht des jüdischen Staates.
Er wird dabei – wie jeder Israeli auch – ganz genau wissen, wie moralisch verfallen und verlogen das israelische Establishment wirklich ist, wie verwuchert Immobilienmafia und pseudoreligiöse Gruppen sind, die den Palästinensern in diesem kleinen Gebiet dort das kostbare Land klauen und sich dann in heuchlerischem Geschwätz ergehn.
Er wird es aber – wie jeder Israeli auch – nie nach aussen tragen. Das wird er einfach nie machen. Und er hat dafür eben seine Gründe.
Die meisten wissen nicht, das Ralph Giordano jahrelang der KPD angehörte, auch noch ein Jahr nach ihrem Verbot 1956. Die Scheinheiligkeit der DDR und die Verlogenheit des dortigen Regimes, unter dem er anschliessend 2 Jahre lebte, die machte er öffentlich. (2)
Seinen Gegnern möchte man sagen:
seid sicher, ob er Euer Gegner ist. Hier darf auch jeder GEGEN eine Moschee sein, so läuft das hier.
Ihm möchte man sagen:
das gleiche dumme Geschwätz, was man früher über die Deutschen jüdischen Glaubens erzählt hat, bekommen heute „die“ Muslime zu hören.
Wieder wird hier eine Religion zum Sündenbock für die Mordmaschine Kapital gemacht, welches über ihre Garderobenständer in den Exekutiv-„Demokratien“ mit verblödeten Hornochsen in den Parlamenten und diversen gänzlich religionsbefreiten Superreichen und Königshäusern in Grossbritannien, Schweden, Holland, Dänemark, Norwegen, Japan und Saudi Arabien einen Krieg zur Stabiliserung der „westlichen“ Elite und der herrschenden Weltwirtsschaftsdiktatur im arabisch-mittelasiatischen Raum führt.
Ich kann ihm auch eins nie vergessen: er war 1992 – als hier die Häuser brannten und die Leute tot auf der Strasse lagen, und es keine bürgerliche Sau gekümmert hat – derjenige, der Kohl mit Bewaffnung zum antifaschistischen Selbstschutz drohte (2).
Begonnen hatte diese dunkle Zeit damals übrigens ein gewisser Innenminister Wolfgang Schäuble mit seiner „Asylanten“-Pressekonferenz 1991.
Die Moschee von Köln, mein Gott – wir haben echt ganz andere Probleme.
Wer aber wie Lale Akgün Ralph Giordano zu einem Gespräch in ein türkisches Viertel bittet, der sollte noch einmal drüber nachdenken.
Was wäre, wenn Giordano – der mit niemandem tanzt – irgendetwas passiert?
Ein Mordanschlag, gar ein „erfolgreicher“, auf einen Überlebenden des deutschen Faschismus (des 20.Jahrhunderts) wäre genau das, was hier gewisse Kreise für ihren Putsch gegen die deutsche Republik (des 21.Jahrhunderts) bräuchten.
Ich sehe sie schon vor mir. Eine ellenlange, in besenstil-starren Trauerflor gehüllte Rotte Krokodile, wie sie aus dem Flennen gar nicht mehr rauskommt.
Die Schlipse schon ganz feucht. Die Kondolenzen im Vibrato zelebriert. Die Reden werden gehalten (Hand auf´s Herz..)
Die Kapelle spielt, „Ich hatt` einen Künstler“.
Nee, nee.
Gehen Sie mal hübsch dorthin, wo der Ralph ist, Herr Akgün.
Besser ist das.
(1)
http://www.focus.de/politik/deutschland/gaskammer-aeusserung_aid_57454.html
(2)
http://de.wikipedia.org/wiki/Ralph_Giordano