Afghanistan: Machtkampf zwischen Dostum und NATO
Gestern in Shiberghan (Schiberghan), Norden von Afghanistan: Mitglieder der „Jugendorganisation“ des usbekischen Kriegsfürsten Abdul Rashid Dostum, die sogenannte „Junbesh-e-Milli“, versuchten gestern den Amtssitz des „Gouverneur“ der Provinz Dschowsdschan (Jowzjan) zu stürmen.(1)
„Gouverneur“ Juma Khan Hamdard (Dschuma Chan Hamdard) ist ein ehemaliger Verbündeter des seit Jahrzehnten fast ununterbrochen in Nordwest-Afghanistan herrschenden Dostums.Die Dostum-Anhänger schossen nach Angaben der afghanischen „Regierung“ angeblich aus der Menge heraus, später war dann noch von einer Rakete (2) die Rede.
Feststeht: ISAF-Truppen feuerten in die Menge, zusammen mit „afghanischer Polizei“ und „Armee“.(1)
Es gab offenbar bis zu 13 Tote (2).
DER SCHLÄCHTER VON NATO´S GNADEN
„General“ Dostum gilt als einer der skrupellosesten Mörder, die Afghanistan je gesehen hat, und das will schon etwas heissen. Dazu muss man erwähnen, dass der eigentliche Kopf der „Mujaheddin-Kämpfer“ während des Kampfes gegen die Sowjets in den 80er Jahren ein gewisser Ahmad Schah Massoud/Massud war (3). Dostum wiederum kämpfte seit 1988 auf Seiten der Sowjets und dem afghanischen Präsidenten Nadschibullah, bis er nach Rivalitäten in der Regierung mit 30.000 Soldaten aus Kabul wieder in den Norden zog. Als er 1992 die Seiten zu den Taliban wechselte, war das Schicksal des eher gemässigten und vor allem säkularen Regime in Afghanistan am Ende.
1995 wurde er in Washington empfangen, vielleicht nahm er da seinen Militärchef mit, der jedenfalls verriet ihn wiederum 1997 an die US-gestützten Taliban, worauf Dostum flüchten musste.
Die Taliban entrissen ihm 1997 für 4 Jahre seine alte „Hauptstadt“ Mazar-I-Sharif im Nordosten, 2001 kehrte er nach Afghanistan zurück.
Sofort nach dem 11.September – und kurz nachdem am 9.September sein alter Rivale Massud/Massoud (4) im Nordosten schwuppdiwupp in die Luft geflogen war (es waren natürlich die Taliban, so sagt man) – diente er sich im Rahmen der sogenannten „Nordallianz“ als Geldempfänger und Söldner des „Westens“ an.(5)
Fortan zog er also mit US- und NATO-Unterstützung gegen die Taliban ins Feld, die auf einmal die Gegner der USA waren. Seine Truppen erzwangen während des Einmarsches vom Norden her die Entscheidung, und zwar weil sie vor der Wahl standen entweder erschossen zu werden oder durch die Minenfelder der Taliban zu laufen.
Dostum ist ein Mörder und Verbrecher, er hat so ziemlich schon alle Ämter in der sogenannten „Regierung“ von Afghanistan innegehabt, ausser das des Chef´s, und zwar nicht nur weil er eben Dostum ist, sondern auch noch Usbeke. Selbst ein so lächerliches Amt wie das des „Präsidenten“ von Afghanistan, einem „Staat“ der seit seiner Erfindung nur auf dem Papier existierte, wäre für jemanden aus dieser Ethnie im Vielvölker- und Stammesgebiet Afghanistan unvorstellbar.
Dostum lebt wie alle anderen Kriegsfürsten vom Wegzoll, Erpressung, Mord und Drogenhandel. Die NATO, mitsamt ihrer willigen Bundeswehr, hält ihm den Rücken frei – bisher.
DOSTUM, DER ABSERVIERTE
Jetzt aber passierte folgendes: 6 von Dostum´s Leuten wurden verhaftet, angeblich weil sie einen gewissen Ahmad Khan ermorden wollten, auch ein ex-Verbündeter von Dostum.
Daraufhin kam es zur gestrigen „Demonstration“ in Shiberghan/Schiberghan, eher eine klassische Zusammenkunft zum Zwecke eines klassischen Überfalls.
Schon vor einigen Tagen, noch vor dem „Anschlag“ auf deutsche Soldaten in Kundus/Kundus, hielt Dostum wieder mal die Hand auf, wie derzeit eigentlich alle „Terroristen“, also Söldner, Milizen und alle anderen Folterer und Mörder im Mittleren Osten, schliesslich kam mal wieder ein Schwung Knete vom zweitdümmsten Parlament der Welt herübergeschwappt, 120 Milliarden Dollar.
Der „General“ erklärte, er könne gegen die Taliban kämpfen, man müsse ihm nur Geld dafür geben, für Söldner.(4)
Offenbar ist Dostum der NATO aber lästig geworden und man will ihn loswerden.
DIE LAGE…
…in Nordafghanistan bleibt spannend. Dostum hat in fast 30 Jahren Herrschaft ein blutiges, quasi-familiäres Netzwerk „aufgebaut“, so leicht lässt sich dieser Kriegsfürst nicht aus dem Spiel drängen, obwohl seine Milizen anscheindend grösstenteils entwaffnet wurden.(1)
Am gestrigen Abend sah die Lage offenbar so aus, dass sich Hunderte seiner Leute um Shiberghan/Schiberghan sammeln.
Die „afghanische Armee“ – die nichts tun kann ohne die ISAF bzw. NATO – ist in der Stadt eingerückt und will sie halten.
NATO-Kampfflugzeuge fliegen über die Stadt (1), welche, dass will hierzulande eh nur die Mehrheit wissen.
Auch die Witzfigur Hamid Karzai durfte ein paar Worte verlieren, redete surreales Zeug von „Verfassung“.
Es hörte sich an, als wolle er in Heiligendamm ein paar Leute beruhigen.
Auch die UNO entblödete sich mal wieder nicht zu mehr Rücksicht im Afghanistankrieg aufzurufen. Man fragt sich, was sie in diesem New Yorker Gebäude da in den Tee tun.
Derweil sind hierzulande die Elfenbeintürmler immer noch am Schwätzen, man müsse, man solle, man könne doch nicht einfach abhauen aus dem Krieg, usw.
Entscheiden wird wieder einmal im Sommer der Bundestag, sehr wahrscheinlich für ein Ende der „Enduring Freedom“-Mission und eine Fortsetzung der ISAF-Mission.
Dann wird es noch ungefähr ein halbes Jahr dauern, bis unsere werten Parlamentarier begriffen haben, dass da kein Unterschied besteht und dann dauert es nochmal ein halbes Jahr, bis sie das laut sagen.
Und dann ist schon wieder Sommer und sie haben den Krieg wieder verlängert.
Reiches Deutschland.
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Quellen:
(1)
http://www.iht.com/articles/2007/05/28/africa/28dostum.php
(2)
http://www.networld.at/articles/0722/15/174416.shtml
(3)
http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmad_Schah_Massoud
(4)
http://winnipegsun.com/News/World/2007/05/11/4170994-sun.html
(5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Dostum