USA, Justizaffäre: neues Spionageprogramm der Bush-Regierung aufgeflogen?
Washington am 7.Juni, Donnerstag:
Der dem Justizausschuss angegliederte Verfassungsausschuss des US-Repräsentantenhauses tagt zum Thema der Spionage gegen US-Bürger ohne Gerichtsbeschluss durch die Exekutivorgane („Sicherheitsdienste“) und die Legitimation der Regierung dies anzuordnen.
Dabei muss Steven Bradbury, der stellvertretende Vize-Justizminister und Leiter des Rechtsbüros im US-Justizministerium, eine Aussage machen.
Nach Fragen des Abgeordneten Mel Watt (D-NC) äussert Bradbury etwas Erstaunliches.Der Widerstand des damaligen Justizministers und Generalstaatsanwaltes John Ashcroft im Jahre 2004 gegen die Inlandsspionage der US-Regierung gegen die Amerikaner habe sich auf ein anderes Programm bezogen als das, welches der leitende Exekutivbeamte der USA, Präsident George Bush, bisher zugegeben hat.
Wörtlich sagte Bradbury:
„Nun, alles was ich sage ist das, was der Generalstaatsanwalt (Anm:Justizminister Ashcroft) gesagt hat, nämlich dass Meinungsverschiedenheiten aufkamen, Meinungsverschiedenheiten benannt und gelöst wurden; allerdings waren diese Meinungsverschiedenheiten nicht – sie waren nicht bezüglich der speziellen Aktivitäten die der Präsident öffentlich umschrieben hat, welche wir das `Terroristen Überwachungsprogramm` (`Terrorist Surveillance Program`) nannten.“
Das widerspricht diametral den Aussagen von Justizminister Gonzales, der noch letzte Woche behauptet hatte der vom ehemaligen geschäftsführenden Justizminister James Comey so dramatisch geschilderte Ablauf vom Widerstand des damals schwer erkrankten John Ashcroft (2) gegen die vom Weissen Haus angeordnete Inlandsspionage hätte sich auf das Programm bezogen, „welches der Präsident gegenüber den Amerikanern vor einiger Zeit bestätigt hatte“, so Gonzales gegenüber der Presse am 5.Juni.(1)
Es bleiben nur 2 Möglichkeiten in diesem Fall übrig:
1.Steven Bradbury hat unter Eid gelogen.
2.Der US-Justizminister Alberto Gonzales hat erneut gelogen (was er schon einmal tat, als er behauptet hatte, es hätte nie irgendwelche Auseinandersetzungen in der Bush-Regierung über geheime Inlandsspionageprogramme gegeben, 3).
In diesem Fall würde sich das bestätigen, was in der US-Öffentlichkeit immer wieder vermutet wurde: es gibt oder gab weitere geheime Inlands-Spionageprogramme durch die Bush-Regierung, von denen die Bevölkerung bisher nichts weiss.
Nun hat, als Reaktion auf die Aussage von Bradbury, welcher sich u.a. im Auftrage des Justizministeriums geweigert hatte entsprechende Akten über einen Militärgeheimdienst des Pentagon, die NSA herauszurücken, das US-Repräsentantenhaus (neben dem Senat die 2.Kammer des US-Kongress) beschlossen, die Herausgabe von entsprechenden Dokumenten gerichtlich zu erzwingen.
Dabei geht es auch um die Vorgänge rund um den erkrankten Ashcroft, die NSA und Unterlagen aus dem Weissen Haus.
Der Vorsitzende des Justizausschusses vom Repräsentantenhaus, John Conyers, hat nach eigener Aussage bisher immer noch nichts vom Justizministerium und Alberto Gonzales gehört, obwohl dieser schon am 17.Mai von ihm und dem Abgeordneten Nadler diesbezüglich angemahnt worden war.
„Wir werden ihm noch 2 Wochen mehr geben, und dann ist an der Zeit, wie es so schön heisst, dass dieser ganze Prozess hier irgendwo hineintritt.“
weitere Artikel:
01.04.07 USA, Justizaffäre: CIA, FBI, Pentagon und Gonzales in Korruptionsskandale verstrickt
28.03.07 US, Video: Stephen Colbert grillt Gonzales und „Feiglinge im Kongress“
16.03.07 USA, Rove: Bush-Exekutive säuft ab in Justiz-Affäre
Quellen:
(1)
http://thinkprogress.org/2007/06/09/bradbury-spying/
(2)
https://www.radio-utopie.de/2007/05/16/uswashington-post-schockierende-gesetzlosigkeit-der-bush-regierung/
(3)
http://thinkprogress.org/2007/05/16/senators-gonzales-nsa/
(4)
http://www.nytimes.com/2007/06/08/washington/08nsa.html