Washington: Mit der begnadeten Grazie eines Nilpferdes, was urplötzlich in schwindelerregender Höhe auf einem Drahtseil balancieren muss und zur Beruhigung seiner selbst jetzt anfängt eine Arie zu singen, die es selber schon nicht mehr hören kann – obwohl ihm der Dompteur versprochen hatte, es könne sich hemmungslos eine Bresche durch das Publikum schlagen – hat sich unser aller Verteidigungsminister Franz Jung jetzt aus Washington zu Wort gemeldet.
Er fordert ein „kluges Vorgehen“ (1) in Afghanistan. Von wem denn?
Offensichtlich vom Dompteur. Ansonsten würde der arme Mann ja mit sich selber reden.
Er kündigt eine „Informationskampagne“ zu den brillianten Ergebnissen des Afghanistankrieges an.
Was macht der denn Anderes, seit er im Amt ist?
Er findet den „Anti-Terror-Krieg“ der Mission „Enduring Freedom“ (OEF) echt wichtig.
Da sagt selbst der SPD-„Verteidigungsexperte“ zur Selbstverteidigung Hans-Peter Bartels (SPD) – auch ein begnadeter Komiker – dass „bei freier Meinungsbildung“ innnerhalb der SPD-Abgeordneten des deutschen Bundestages die OEF-Mission keine Chance mehr hätte. (2)
DIE „VERSCHWUNDEN“ DATEN DES „JASMIN“-SYSTEMS UND DIE FINGERWEDLER IM REGIERUNGSVIERTEL
Zuerst mal ist es wichtig festzustellen, wie Meinungsbildung in der SPD-Fraktion offenbar sonst zustande kommt.
Dann sollte man auch nicht unerwähnt lassen, das Hans-Peter auf dem Drahtseil die Weigerung des Verteidigungsministeriums (unter Franz Jung und dessen Staatssekretär Peter Wichert) die Daten des verdeckten militärischen Geheimdienstes der Bundeswehr namens „Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr“ (ZNBw) über die Jahre 1998 bis 2004 herauszurücken, als nicht wirklich von Bedeutung sah.
Auch Hans-Peter Bartels (SPD), Mitglied bei Verdi, Journalist und Dr. phil.-Mitherausgeber der Zeitschrift „Berliner Republik“ erlaubte sich dabei einen doppelten Salto Logikus.
Er, Bartels, glaube nicht dass die „verschwundenen“ Daten des ZNBw aus dem „Jasmin“-Datensystem im Falle des entführten und jahrelang unschuldig in Lagerhaft inhaftierten Murat Kurnaz von Bedeutung seien.
Schliesslich stünde es da ja im Augenblick – ohne die Daten – Aussage gegen Aussage.
Und dann behauptete er auch noch, nur die Daten aus dem Ausland seien nicht mehr auffindbar. Seines Wissens nach seien aber merkwürdigerweise die INLANDSDATEN auf dem angeblich wegen Überlastung im Frieden schier kollabierten Militärsystem „Jasmin“ noch vorhanden. (4)
Das kommt davon, wenn man wie die Jungs und Mädels beim ZNBw nicht nur alles sammelt was man kriegen kann, sondern sich auch noch den Krempel von NATO- und EU-Militärs, sowie allerlei Geheimdiensten wie dem BND auf die Festplatten holt (3).
Freie Weitergabe von Daten freier Geheimdienste versprach da auch keine Entlastung, da man Informationen im Datenzeitalter bloss kopieren braucht und durch Tausch auf dem Basar der Geheimdienstgemeinde „intelligence community“ keineswegs verliert.
Nun sagt aber der Ulrich Maurer (Die Linke), die Daten liegen vielleicht bei Denjenigen, die mit dem ZNBw tauschten – beim BND.
Und der Leiter der Datensicherung im Hochschulrechenzentrum der Freien Universität Berlin, Bernd Melchers wörtlich:
„Selbst wenn Herr Wichert die Bänder aufgegessen hätte, würden professionelle Datenrettungsunternehmen nach der Verdauung den Inhalt wieder herstellen können.“
Was fehlerfrei auf Bandkassetten geschrieben wurde, könne man innerhalb von 20 Jahren auch wieder „auslesen“, so der FU-Experte zum Hans-Peter auf dem Drahtseil.(6)
Auch der Herr Karl Lamers (CDU) machte da so eine Bemerkung. Er halte es für möglich, dass zumindest ein Teil der Informationen nicht endgültig verloren sei. Er habe das Bundeskanzleramt gebeten nachzuforschen, ob an anderer Stelle Kopien oder Zusammenfassungen der Geheimberichte existierten.(5)
Christian Ströbele, nicht nur Grünen-Fraktionsvize sondern auch einziger direkt gewählter Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen aus Berlin, Friedrichshain-Kreuzberg, forderte nun den seit heute neuen Besitzer des „Jasmin“-Systems, den Bundesnachrichtendienst (BND) unter Ernst Uhrlau und das Bundeskanzleramt unter Thomas De Maiziére auf zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen (5).
Da hätten wir dann aber alle Fingerwedler beisammen. Kanzleramtsminister De Maiziére hatte schon als Innenminister von Sachsen keine Ahnung von der Sachsen-Mafia, geschweige denn später als oberster Geheimdienstkoordinator von der Tatsache, dass der dortige Verfassungsschutz auf Arbeitsebene sammelte und auf Chef-Ebene plattsass.(7)
Auch von den Verbindungen zum Berliner Bankenskandal hatte der Mann im Regierungsviertel natürlich keine Ahnung.(8)
JUNG BLÖDELT AUS DEN USA HERÜBER
Nach einem Treffen mit US-Sicherheitsberater Stephen Hadley sagte Franz Jung, derzeit noch Verteidigungsmininster auf dem Drahtseil, es dürfe nicht vergessen werden, dass Afghanistan der Ausgangspunkt des Terrorismus gewesen sei. Deswegen müsse dort auch weiter Krieg geführt werden (1).
Selbst wenn man die ganze Arie vom 11.September glaubt, wie sie uns seit 2001 erzählt wird – warum wird dann Deutschland nicht in Mekka verteidigt? Schliesslich kamen die meisten offiziellen Attentäter aus Saudi-Arabien.
Dann sprach Jung von einer „hervorragenden Vertrauensgrundlage“ im deutsch-amerikanischen Verhältnis.(1)
Dabei hatte selbst der afghanische „Präsident“ Karzai vor kurzem die NATO/ISAF aufgefordert, bei ihrer seit fast 6 Jahren andauernden Befreiung von Afghanistan doch bitte etwas weniger Afghanen umzubringen.(8)
„Es wird offensichtlich keine Rücksicht auf die Bevölkerung genommen“, so Franz Jung dazu – und meint die Taliban (9).
„Ohne Sicherheit gibt es keine Entwicklung, genauso wenig gibt es Entwicklung keine Sicherheit. Und darum brauchen wir Sicherheit und Wiederaufbau, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen“, so Jung. (9)
Sing, sing, mein Nilpferd.
Zur Raketenabwehr sagte der Verteidigungsminister, er sehe einen ernsthaften Willen seitens der USA, Russland mit einzubeziehen.(9)
Wenn man die Russen fragt, ist damit ein Raketenhagel gemeint.
„Ich habe die amerikanischen Freunde natürlich darauf hingewiesen, dass wir vor einer Verlängerung des Mandats stehen und das wir deshalb auch die Unterstützung brauchen.“ (9)
Wovon redet dieser „Minister“ ? Ist der noch ganz dicht?
WENN SOGAR DIE FDP WAS SAGT
Die Verteidigungsexpertin und stellvertretende Fraktionschefin der FDP, Birgit Homburger, verlangte in der „Rheinischen Post“ die lückenlose Aufklärung zur „Jasmin“-Affäre, zu der sie bisher weder Willens noch im Stande war. (5)
Ihr Fraktionskollege Hellmut Königshaus, der für die FDP auch im BND-Untersuchungsausschuss sitzt und dort bisher nix tat ausser besorgt sein, stellte fest, es sei merkwürdig, dass das Verschwinden von Daten immer dann bekannt werde, wenn die verschwundenen Daten eine besondere Bedeutung gewönnen.
Das ihm das jetzt schon auffällt.
Wenn der Ausschuss etwa im Fall des Bremer Türken Murat Kurnaz Unterlagen angefordert habe, „wurden die entweder nicht vorgelegt, weil sie den Kern des Regierungshandelns betrafen und nicht vorgelegt werden durften, oder weil sie verschwunden sind“, so Königshaus und erwähnte wieder einmal nicht, was er dagegen machen will.(5)
Die Fraktionsvize der Linken, Petra Pau, schlug eine externe Überprüfung der angeblichen Panne durch Fachleute vor, die „kompetent, vertrauensvoll und unbestechlich sind“ vor.
Na wenn das mal keine „Geringqualifizierten“ sind…
Quellen:
(1)
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/15/0,3672,5559183,00.html
(2)
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID7005370_,00.html
(3)
http://radio-utopie.de/index.php?themenID=647
(4)
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6990932_,00.html
(5)
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID7002008_,00.html
(6)
http://www.ad-hoc-news.de/Aktuelle-Nachrichten/de/12264899/SPD-Politiker-Arnold-Daten-zu-Kurnaz-noch-vorhanden
(7)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=590&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=06
(8)
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/764783.html
(9)
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID7006342_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html