Campact, Greenpeace: Kampagne gegen Gentechnik

Die Campact-Kampagnen-Tour gegen die Referentenvorlage zur Novellierung des Gesetzes zum Einsatz der Gentechnik in Deutschland fand heute vor dem Deutschen Bundestag ihren Abschluss. Über welche hochbrisante Materie die PolitikerInnen im September entscheiden, wissen diese offensichtlich selbst nicht so genau. Bauern- und Umweltverbände schlagen Alarm, während die kommerziellen Fernsehsender hierüber kein einziges Wort berichten.Berlin – Gegen 9:00 Uhr traf der Kampagnen-Bus der Organisation Campact e.V. in der Nähe des Reichstagsgebäudes auf der Paul-Löbe-Allee ein.

In den letzten Wochen hatte eine parallel organisierte Kampagnen-Tour in Nord- und Süddeutschland stattgefunden, in der die PolitikerInnen, die an der bevorstehenden Gesetzesnovelle zur Genmanipulation
maßgeblich beteiligt sind, in ihren Wahlkreisen aufgesucht wurden, um vor ihrer eigenen Wählerschaft zu erklären wie sie sich in der parlamentarischen Abstimmung im September positionieren werden.

Die Stellungnahmen der einzelnen PolitikerInnen wurden neben einer entsprechenden Karikatur auf 40 eindrucksvoll gestalteten Transparenten abgebildet.

WORUM GEHT ES EIGENTLICH GENAU?

Mit der geplanten Änderung des deutschen Gentechnik-Gesetzes will uns die große Koalition das Recht auf eine Ernährung und Natur frei von Gentechnik nehmen!

Die Regierung will das ohnehin laxe Gentechnik-Gesetz weiter verwässern. Dies gefährdet die Landwirtschaft ohne Gentechnik und damit die Freiheit, uns gentechnikfrei zu ernähren.
Doch die Abgeordneten im Bundestag können das Gesetz noch verhindern!
Die Gentechnik in der Landwirtschaft fristet in Deutschland ein Schattendasein.
Hauptgrund: Landwirte und Verbraucher sind skeptisch.

Doch nun soll mehr Gentechnik angebaut werden. Um das zu erreichen sollen Gentechnik-Produzenten Nachbarfelder bis zu einem Schwellenwert von 0,9% gentechnisch verschmutzen dürfen, ohne haften zu müssen. Schleichend soll Gentechnik in unsere Lebensmittel einziehen.
Dies hätte einschneidende Konsequenzen für Landwirte, die ohne Gentechnik wirtschaften und für uns als Verbraucher:

· Gefahr für die Wahlfreiheit der Verbraucher
Wenn Ernteprodukte ganz legal bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verunreinigt werden dürfen, wird damit einer gentechnikfreien Lebensmittelproduktion in Deutschland die Basis entzogen. Bei einer Ausbreitung der Gentechnik finden sich so in wenigen Jahren allerorten gentechnische Verunreinigungen. Verbraucher/innen könnten sich dann nicht mehr für gentechnikfreie Lebensmittel aus Deutschland entscheiden (Der Babynahrungsproduzent Hipp hat angekündigt, bei vermehrtem Gentechnik-Anbau in Deutschland die Produktion ins Ausland zu verlegen). Weiterhin steht zu befürchten, dass durch vermehrten Gentechnikanbau herkömmliche Produkte teuerer werden, da notwendige Analysekosten nicht vom Verursacher getragen werden.

· Kein Schadensersatz für Landwirte, die ohne Gentechnik wirtschaften

Bereits heute verlangen die Mühlen und Lebensmittelverarbeiter von Landwirten Rohstoffe ohne Gentechnik. Eine Kontamination bis 0,9 % akzeptieren sie zumeist nicht. Wenn diese Abnehmer die verunreinigte Ware nicht kaufen, die Verursacher aber nicht haften, bleiben die Bauern, die ohne Gentechnik arbeiten, auf dem Schaden sitzen. Das gefährdet die Betriebe und damit die Landwirtschaft ohne Gentechnik.

· Niemand weiß mehr, wo Gentechnik drin ist – Notfallmaßnahmen werden aussichtslos

Wenn Kontaminationen unter 0,9 Prozent nicht als Schaden gelten, führt dies zu einer unkontrollierten Ausbreitung von Gentechnik-Pflanzen und zu einer Gefährdung von Ökosystemen und der Biodiversität. Rückrufaktionen und Notfall¬maßnahmen werden aussichtslos. Selbst die EU-Kommission sieht gravierende Wissenslücken bei der Beurteilung der Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen.

Campact fordert deshalb von der Bundesregierung:
· Gentechnik-Produzenten müssen für alle Schäden haften. Ein Recht auf gentechnische Kontamination der Ernte von Nachbarfeldern bis 0,9% darf es nicht geben. Verunreinigungen ab 0,1 % müssen der Haftung unterliegen.
· Es muss das Verursacherprinzip gelten: Gentechnik-Produzenten müssen für alle durch sie verursachten Kosten gerade stehen. Dies gilt auch für Labor-Analysen, um gentechnischen Verunreinigung auf benachbarten Feldern auf die Spur zu kommen.
· Jede Bürgerin und jeder Bürger muss sich wie bisher ohne bürokratische Hindernisse informieren können, wo Gentechnik in Deutschland angebaut wird. Der Zugang zum Anbauregister darf nicht eingeschränkt werden.
Im Februar 2007 hat das Bundeskabinett ein Eckpunktepapier für eine Änderung des Gentechnik-Gesetzes beschlossen. Seit Anfang April liegt ein Gesetzesentwurf vor, der unsere Befürchtungen bestätigt. Im Juni wird mit einer Entscheidung des Bundeskabinetts über den Entwurf gerechnet. Die Beratungen im Bundestag sollen nach der Sommerpause stattfinden. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete von SPD und CSU haben in der Vergangenheit die Pläne des Landwirtschaftsministeriums zur Gentechnik kritisiert. Wie erfolgreich ihre Kritik ist, hängt auch davon ab, wie viel Druck wir Bürger/innen jetzt auf die Politiker machen.

ARGUMENTE GEGEN GENTECHNIK

„Nicht mehr einzufangen…“
Die Kontaminationsgefahr ist eine entscheidende Schwäche der Gentechnik. Der Wind oder Insekten tragen die Pollen von Gentech-Pflanzen zu vorher gentechnikfreien Kultur- und Wildpflanzen. Damit übertragen sie auch die genmanipulierten Eigenschaften.
Wenn diese Kontamination bei Wildpflanzen geschieht (z.B. bei Raps) oder wenn die genmanipulierten Erbinformationen ins Saatgut gelangen, ist die weitere Ausbreitung dieser Erbinformationen nicht mehr kontrollierbar oder rückholbar.

„Nicht mehr frei wählen…“
Die Verbraucher verlieren die Freiheit, zwischen Lebensmitteln mit und ohne Gentechnik wählen zu können, wenn gentechnisch verändertes Erbgut die Ernte von gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten belastet. Die Kontamination ist häufig nur schwer und mit aufwendigen Analysemethoden nachweisbar. Jüngstes Beispiel: Erbgut der gentechnisch veränderten Reissorte LL 601 hatte sich in den USA auf ungeklärtem Weg auf konventionell angebauten Reis übertragen. Da die Sorte seit 2001 auch in Versuchen nicht mehr angebaut wurde und zum konventionellen Anbau nie frei gegeben wurde, wurden Reisproben nicht auf hatte niemand Reis auf Spuren der Reissorte untersucht. Es beruht auf einem Zufall, dass die Kontamination entdeckt worden ist.

„Vieles ist unklar…“
Die Auswirkungen des Verzehrs von gentechnisch veränderten Pflanzen auf unsere Gesundheit sind nicht ausreichend erforscht. Die gesundheitlichen Folgen neuer Stoffe treten häufig erst nach Jahren in Erscheinung, wie das Beispiel Asbest gezeigt hat, und lassen sich nur über Langzeitstudien ermitteln. Statt diese durchzuführen, lassen die Gentech-Konzerne Millionen Menschen ihre Produkte konsumieren, die damit zu Probanten werden. Auch das Wissen über die ökologische Wechselwirkung von Gentech-Pflanzen ist sehr gering, etwa wie sich der Gentech-Anbau auf den Boden auswirkt oder wie stark sich Gentech-Pflanzen mit verwandten Wildpflanzen auskreuzen können.

„Niemand braucht Gentechnik…“
Die herkömmlichen Verfahren der Beeinflussung der Eigenschaften von Nutzpflanzen durch Züchtung haben in den letzten Jahrzehnten zu großen Fortschritten geführt und sind völlig ausreichend.
Gentechnik-Befürworter versprechen höhere Ernten und nahrhaftere Produkte durch den Einsatz von Gentech-Pflanzen. Dies soll insbesondere den Ländern des Südens zu gute kommen, wodurch dort der Hunger bekämpft werden könne. Doch der Anbau von Gentech-Pflanzen ist für Kleinbauern kaum geeignet.

Das Saatgut ist für sie nur teuer zu erwerben, erfordert den Einsatz dafür konzipierter Pestizide und darf nicht weiter vermehrt werden. Die Landwirte verschulden sich zum Erwerb des Saatguts, ohne dass dieses häufig hält was es verspricht. Das Hungerproblem ließe sich hingegen in vielen Ländern mit einer gerechteren Landverteilung lösen. Ein weitere Schlüssel: Nicht länger sollte die Hälfte der produzierten pflanzlichen Nahrungsmittel als Futtermittel in der Viehzucht verfüttert werden.

Gemeinsame Pressemitteilung von AOEL, Bioland, BÖLW, Bund Naturschutz Bayern, Campact, Demeter, Greenpeace, Nabu, Schrot & Korn
Berlin, 13. Juli 2007
„Wer hält unser Essen frei von Gentechnik?“
Bürger und Verbände schauen Abgeordneten auf die Finger
40 Großplakate mit Portraits von Abgeordneten und ihren Positionen zur Gentechnik präsentierten Umwelt- und Landwirtschaftsverbände heute vor dem Bundestag. Die Organisationen und tausende Bürger hatten die Abgeordneten mit einer Aktionstour in den letzten Wochen auf den Marktplätzen ihrer Heimatstädte gefragt: „Gentechnik im Essen per Gesetz? Machen Sie da mit?“.

„80 Prozent der Bürger wollen keine Gentechnik – weder in der Landwirtschaft noch im Essen. Doch in den Hinterzimmern der Politik wird an einem Gentechnik-Gesetz gebastelt, das ihr zum Durchbruch verhelfen soll“, so Christoph Bauz von Campact.

„Tausende Bürger haben auf unserer Aktionstour ihren Abgeordneten vor Ort deut­lich gemacht: Sie müssen im Bundestag die Interessen ihrer Wähler und nicht die der Gentechnik-Konzerne vertreten.“

„Für die Aktionstour hatten wir den richtigen Zeitpunkt gewählt: Wichtige SPD-Politiker wie Hubertus Heil, Michael Müller und Dieter Wiefelspütz konnten wir bewegen, sich vor ihren Wählern hinter die gentechnikkritische Position ihrer Fach­politiker zu stellen. Jetzt muss nachgebessert werden und die Bürger werden ihren Abgeordneten weiter auf die Finger schauen“, so Peter Röhrig, Gentechnikexperte des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Im Gespräch mit Bürgern hatten der Staatssekretär im Bundeslandwirtschafts­ministerium, Gerd Müller (CSU) und der Vorsitzende der Fraktionsarbeitsgruppe Landwirtschaft, Peter Bleser (CDU) das Ziel einer Koexistenz von Gentechnik-Anbau und gentechnikfreier Landwirtschaft betont. „Leider blieben sie die Antwort schuldig, wie sie erreichen wollen, dass sich Bienen und Pflanzen­pollen an Mindestabstände halten. Zu Schutzgebieten mit ihrer Vielfalt an Pflanzen und Tieren soll es gar keine Abstände geben“, so Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes (NABU).

„Die Betroffenen dürfen nicht auf den Kosten des Gentechnik-Anbaus sitzen bleiben, die durch Analysen oder unverkäufliche Ernten entstehen“ forderte Georg Janßen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Statt­dessen müssen die Gentechnikproduzenten für Analysekosten aufkommen und bereits ab einer Belastung von Nachbarernten in Höhe der Nachweisgrenze zahlen.“

Die Aktionstour wurde vom Online-Bürgernetzwerk Campact organisiert. Sie wurde von zahlreichen Bürgern sowie der AbL, AOEL, Bioland, BÖLW und seinen Mitgliedsverbänden, Bund Naturschutz Bayern, Demeter, NABU, refo, Schrot & Korn und vielen weiteren unterstützt.

Folgende Abgeordnete wurden mit öffentlichen Diskussionsveranstaltungen in ihren Wahlkreisen adressiert:

Ilse Aigner (CSU), Klaus Barthel (SPD), Peter Bleser (CDU), Marco Bülow (SPD), Marie-Luise Dött (CDU), Axel Fischer (CDU), J.K. Fromme (CDU), Sigmar Gabriel (SPD), Michael Glos (CSU), Günter Gloser (SPD), Wolfgang Grotthaus (SPD), Alfred Hartenbach (SPD), Hubertus Heil (SPD), Frank Hofmann (SPD), Volker Kauder (CDU), Ulrich Kelber (SPD), Hilde Mattheis (SPD), Laurenz Meyer (CDU), Rolf Meyer (SPD), Eva Möllring (CDU), Gerd Müller (CSU), Hildgard Müller (CDU), Michael Müller (SPD), Henning Otte (CDU), Peter Paziorek (CDU), Ronald Pofalla (CDU), Thomas Rachel (CDU), Katharina Reiche (CDU), Annette Schavan (CSU), Reinhard Schulz (SPD), Horst Seehofer (CSU), Andreas Storm (CDU), Lena Strothmann (CDU), Jörg Tauss (SPD), Rainer Wend (SPD), Andrea Wicklein (SPD), Dieter Wiefelspütz (SPD), Dagmar Wöhrl (CSU), Waltraud Wolf (SPD), Brigitte Zypries (SPD)
Eine Aufstellung, wie sich die einzelnen Abgeordneten gegenüber ihren Wähler/innen positionierten, findet sich unter (1)
Bilder von der Aktion finden Sie unter (2)
Alle Großplakate zum Download finden Sie unter (3)
(Fotos und Textauszüge mit freundlicher Genehmigung von Campact e.V.) (4)

Die kommerzielle Medienwelt der Fernsehberichterstattung war bei der heutigen Pressekonferenz nicht anwesend. Demzufolge gab es auch weder in der Tagesschau, noch in den anderen Nachrichtensendungen einen Bericht hierüber. Trotz der Brisanz des Themas
konzentrierten diese sich mal wieder einmütig auf die Ergebnisse der Tour de France.

Quellen:
(1)
http://www.campact.de/gentec/plakate/mdb
(2)
http://www.campact/.de/gentec/press/home
(3)
http://www.campact.de/gentec/press/grossplakate
(4)
http://campact.de/campact/home

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