Kiel: In einer recht durchschaubaren Intrige versuchten heute Konzernmedien, FDP und Grüne in Kooperation mit dem schleswig-hollsteinischen Oberstaatsanwalt die Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht mit Falschmeldungen abzuschiessen und ihr die Aufsicht über die angeblich zufällig aus unbekannten Gründen gleichzeitig in Brand geratenen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zu entziehen.Den Auftakt gab gestern der bürgerliche „Tagesspiegel“: die Ministerin habe mehr gewusst, als sie der Staatsanwaltschaft mitgeteilt habe, der Name „des“ Reaktorfahrers sei ihr bekannt gewesen, die folgende Durchsuchung des Atomkraftwerkes unnötig gewesen.
Und es kam noch besser: nicht der Konzern – der allein im AKW Brunsbüttel durch zu große Bohrungen in den Dübelplatten und insgesamt 707 nicht oder nur teilweise behobenen Mängel seit 2001 fahrlässig mit der Gesundheit von Millionen Menschen in der Umgebung des Atomreaktors gespielt hatte (1) – sondern die MINISTERIN habe den Einsatz der Polizei im Vattenfall-Reaktor provoziert.
Der Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz gab offenbar bereitwillig Ermittlungsakten oder Informationen in einem laufenden Verfahren heraus und meldete dem „Tagesspiegel“, seine Behörde habe in einer Mitteilung vom Donnerstag, 12. Juli, gegen 18 Uhr vom Ministerium erfahren – Achtung – „die fraglichen Namen“ seien von Vattenfall herausgerückt worden (2).
Diese Namen wären aber nicht an die Staatsanwaltschaft weitergegeben worden, die erste Durchsuchung eines Atommeilers durch die Polizei in der Geschichte Deutschlands am 13.Juli wäre somit überflüssig gewesen.
Falsch – sagt die Ministerin. Der Name des Reaktorfahrers, der wegen des bereits vollgequalmten Steuerraums des Atomreaktors eine Schutzmaske tragen musste, sei durch den Atomkonzern NICHT gemeldet worden (3).
„Mit der völligen Verdrehung der Tatsachen soll der Eindruck erweckt werden, als hätte ich mit unlauteren Methoden gegen den Konzern Vattenfall gekämpft“, so Ministerin Trauernicht in Kiel. Sie halte „ohne Bagatellisierung oder Dramatisierung“ daran fest, von Krümmel-Betreiber Vattenfall bestmögliche Informationen zu verlangen.
Das scheint einigen Leuten nicht zu gefallen.
FDP-Landeschef Jürgen Koppelin forderte ihren Rücktritt, der FDP-Fraktionsführer im Landtag, Wolfgang Kubicki, ebenfalls. In einem weiteren „Tagesspiegel“-Artikel liess er verkünden, Trauernicht solle „endlich die Konsequenzen zu ziehen und zurückzutreten“ (4).
Nur – wieso eigentlich?
Der „Focus“ hatte unter Berufung auf ein vertrauliches Papier (!) behauptet, Trauernicht sage die Unwahrheit über Informationen von Vattenfall.
Demnach erfuhr sie bereits am 30. Juni, dass in Krümmel während des Störfalls zwei Ventile per Hand für vier Minuten geöffnet wurden. Sie selbst gab demnach noch am 21. Juli an, dass die Behörden erst am 4. Juli darüber informiert worden seien (3).
Falsch – sagt die Ministerin. Der gesamte Vorgang, wann, was, wie, wer genau da was machte als ein Atomkraftwerk brannte, hätte sie schon im Detail interessiert.
Und das sei eben NICHT vollständig von Vattenfall berichtet worden (5).
Die gewünschten, genauen Informationen seien erst am 4.Juli bei ihrem Ministerium eingetroffen.
Auch stellte Ministerin Trauernicht klar, dass sie ihre Medienberichte nicht mit dem Atomkonzern Vattenfall abstimme, den sie doch so unnötig drangsaliere. Auch dies war durch Konzernmedien berichtet worden.
Das Ministerium habe lediglich eine Presseerklärung Ende Juni von Vattenfall freigeben lassen, „weil nur der Betreiber über alle erforderlichen Erstinformationen verfügte“, hiess es von der Atomaufsichtsbehörde.
Ausgerechnet die Grünen, namentlich die Landesvorsitzende Marlies Fritzen, verlangten nun vom CDU-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen Trauernicht zu entlassen, genauso wie Fritzen´s Kollege von der FDP, Jürgen Koppelin. Auch er rief in der „Welt am Sonntag“ nach Carstensen, der wochenlang zu den zufällig gleichzeitigen Bränden aus ungeklärter Ursache geschwiegen hatte.
Die zufällig gleichzeitige Initiative von FDP und Grünen hat sicherlich nichts damit zu tun, dass es Trauernicht war, die Brunsbüttel und Krümmel wegen Mängel stillgelegt hatte und Vattenfall nun 1 Million Euro am Tag weniger Kasse macht (5).
Nun schlage offenbar das Imperium zurück, so Trauernicht dazu.
Eine „Expertenkommission“ von Vattenfall habe die Arbeit aufgenommen, so Reinhardt Hassa, Chef der Atomsparte von Vattenfall in Deutschland. 10 Millionen Euro ständen zur Verfügung.(5)
Was macht man eigentlich mit soviel Geld? Presse bemustern?
Für den Konzern Vattenfall, wie auch für Eon, Siemens und viele andere, die sich die Entwicklung der Atomtechnologie vom Staat bezahlen liessen, der Allgemeinheit auf diesem Flecken Erde die nächsten 1000 Jahre ihren Müll aufdrückten und praktisch keine Steuern auf ihre Profite zahlen müssen, geht es um alles oder nichts.
Krümmel und Brunsbüttel stehen kurz vor der endgültigen Stillegung und die Atommafia, die hier jahrzehntelang den fremdgesteuerten Staat brutal gegen die eigene Bevölkerung marschieren, knüppeln und verhaften liess, sieht sich einer echten Kontrolle durch die demokratischen Organe gegenüber.
Kein Wunder, dass da offenbar Beamte aus dem Sozialministerium und den Justizbehörden die eine oder andere Information springen lassen.
Sicher nur aus Ehrgefühl. Für die Wahrheit.
Trauernicht ist auf dem richtigen Weg, und das war sie von Anfang an.
SIE war es, die die Aufklärung über die Zwischenfälle ins Rollen brachte.
SIE war es, die die Reaktoren stillegte.
Und SIE soll jetzt – in der üblichen Milchbubi-Rechnung der wieder einmal viel zu selbstsicheren Atombosse – dafür büssen.
Die Zeit der Atomkraftwerke ist vorbei, genauso wie die der Energiemonopole überhaupt, die hier noch die (politische) Landschaft pflegen.
Mit ihnen wird aufgeräumt werden.
Die Zukunft gehört den EWIGEN (nicht „erneuerbaren“) ENERGIEN. Das Verbrennen irgendwelcher fossilen Brennstoffe, auch wenn es Uran ist, gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.
Oder vielleicht besser – in ihr strahlensicheres Gruselkabinett.
weitere Artikel:
19.07.07
Trauernicht: AKW Brunsbüttel vielleicht endgültig stillgelegt
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=727&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=07
11.07.07
Vatteneinzelfall: stand Krümmel vor der Kernschmelze?
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=691&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=7
30.06.07
Brunsbüttel,Krümmel: wer bewacht die deutschen AKWs?
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=661&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=6
Quellen:
(1)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=727&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=07
(2)
http://www.tagesspiegel.de/politik/Deutschland-Vattenfall-Kernenergie-Kruemmel;art122,2347580
(3)
http://www.tah.de/afp/story.html?xF=afp/deutsch/journal/pol/070728131955.1l3hk1po.xml
(4)
http://www.tagesspiegel.de/politik/;art771,2347894
(5)
http://www1.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/kruemmel26.html