Friedliche Revolution: "Das ist Zion – UND WIR HABEN KEINE ANGST!"

Die Menschen sind und bleiben von Geburt an frei und gleich an Rechten, heißt es im ersten Artikel der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte, feierlich ausgerufen von der Nationalversammlung Frankreichs, am 26. August 1789. Soziale Unterschiede dürfen nur im Allgemeinnutzen begründet sein.Die Gemeinschaft hat das Recht, sich ihre Freiheit auch durch Sicherheit zu bewahren. An erster Stelle jedoch steht die Freiheit. Fast 220 Jahre später werden die immer stärker hervortretenden sozialen Unterschiede zementiert, Freiheiten und Bürgerrechte werden für die Illusion einer totalen Sicherheit beschnitten oder aufgegeben. Der Staat rüstet auf. „Wollt ihr die totale Sicherheit?“, raunt es in der Blogosphäre. Willkürliche Verhaftungen und Hausdurchsuchungen, künftig am liebsten ohne richterliche Anordnung, Biometrie, Videoüberwachung, Datenaustausch mit Ländern, die, wie „wir“, das Völkerrecht brechen. Paranoia wird zur ersten Bürgerpflicht, wie Kritiker meinen.

Die Entfremdung linker Politik

Die Parteien ersetzen zunehmend das Emotionale in der Ansprache der Menschen durch technokratisches Geschwurbel, in dem Menschen zu Humankapital, Beitragszahlern oder Wählerstimmen degradiert werden. Die schleichende Militarisierung der Gesellschaft hat auch vor den Parteien und Bundestagsfraktionen nicht Halt gemacht. In diesen Tagen löst es allenthalben ein Achselzucken aus, wenn ein Fraktionsvorsitzender als „Zuchtmeister“ bezeichnet wird, von Wahlkampf und Parteisoldaten gesprochen oder eiserne Geschlossenheit beschworen wird. Der Mangel an innerparteilicher Demokratie verstärkt den Eindruck, es eher mit Armeen zu tun zu haben, in denen sich hochgedient wird.

Längst haben die Parteiführungen Clausewitz verinnerlicht. Die Parteien und ihre Eliten passen ihre Taktik – wie jede Armee im Kriege – jederzeit den herrschenden Umständen an, führen Angriffe und Scheinangriffe durch, Rückzüge, Waffenstillstand, Partisanen, Überraschungsschläge. All dies sind Techniken des Kriegs, übertragen auf jene Kreise, die für das Wohl der Gesellschaft sorgen sollen.

Linke Kräfte werden in der Bundesrepublik – so heißt bescheiden in den jeweiligen Selbstdarstellungen – heute durch Grüne, SPD oder Die Linke repräsentiert. Aber ist es im Ergebnis noch linke Politik?

Bei der SPD erübrigt sich die Frage. Selbst der SPIEGEL stellt mit Hilfe von Franz Walter fest, die neue Generation der SPD, Platzeck, Steinbrück, Steinmeier, stehe für eine kalte Politik, welche mit ursprünglichen Idealen nichts mehr gemein habe. Die Sozialdemokratie in ganz Europa steht heute geschwächt da. Ihre von Stephen Gill beschriebene Rolle als Kooptationsgehilfen gegen rechte und nationalistische Eingriffe in das globale Projekt des Neoliberalismus wird kaum noch benötigt. Nun wird der Staat selbst zum faschistischen System transformiert.

Die Grünen bomben für die Menschenrechte in aller Welt, sogar die Tornados in Afghanistan sind für Grünenchef Bütikofer kein Problem. An der Basis aber brodelt es, so heißt es als Beruhigungspille.

Die LINKE in Regierungen macht pragmatische Politik. In Berlin hat der Landesverband gerade einer Ausweitung von polizeilichen Befugnissen zugestimmt, de facto ein Abbau der Bürgerrechte. Umfragen in den Kommerzmedien sollten belegen, dass die Mehrheit der Berliner die eigene Entrechtung beklatscht. Im Bund beschränkt man sich auf vereinzelte Oppositionsscharmützel und Anträge. Hohe Priorität hat die Mitgliederwerbung. Das sich ausbreitende Nichtstun muss schließlich finanziert werden. Bisky und Gysi sehen zu, wie Lafontaine die LINKE für seine Feldzüge übernimmt. Nächstes Mal sind sie nicht mehr dabei, Oskar schon. Irgendwann fusionieren SPD und LINKE vielleicht, dann gibt es wieder ein Volkssammelbecken zur intellektuellen Einlullung. Ohne unerwünschte Folgen für das System, für die schwarze Internationale. Schließlich stellte Lafontaine vor einigen Jahren im Interview mit CICERO fest, niemand wolle den Kapitalismus im Kern angreifen. Wirklich nicht?

Bildung und Widerstand

Auf dem Flugblatt „Salus publica suprema lex“ schrieben Sophie und Hans Scholl:

„Viele, vielleicht die meisten Leser dieser Blätter sind sich darüber nicht klar, wie sie Widerstand ausüben sollen. Sie sehen keine Möglichkeiten. Wir wollen versuchen, ihnen zu zeigen, dass ein jeder in der Lage ist, etwas beizutragen zum Sturz dieses Systems. Nicht durch individualistische Gegnerschaft, in der Art verbitterter Einsiedler, wird es möglich werden, den Boden für einen Sturz dieser `Regierung` reif zu machen oder gar den Umsturz möglichst bald herbeizuführen, sondern nur durch die Zusammenarbeit vieler überzeugter, tatkräftiger Menschen, Menschen, die sich einig sind, mit welchen Mitteln sie ihr Ziel erreichen können. Wir haben keine reiche Auswahl an solchen Mitteln, nur ein einziges steht uns zur Verfügung – der passive Widerstand.“

Im Rückblick ist diese Aufforderung auch dann legitim, wenn die Geschwister Scholl nichts wussten von KZs, von den Schrecken des Weltkrieges, von den Millionen Toten, die das System, gegen das sie zum Widerstand aufriefen, hinterlassen würde. Sie mögen es geahnt haben. In einer Atmosphäre des allgemeinen Misstrauens wird ihr Handeln zu einer mutigen, vorbildlichen Tat. Das System bestand keineswegs allein aus den NS-Eliten. Auch andere Länder und Mächte, das ist heute nachgewiesen, profitierten von der Schreckenszeit.

Dieses Netzwerk ist noch immer aktiv. Es sorgt dafür, dass die Veröffentlichung eines solchen Flugblattes heute wieder hart bestraft wird. Immer neue Gesetze gegen die eigene Bevölkerung werden in der Dunkelkammer der Öffentlichkeit erlassen. Das Ziel der Terrorbekämpfung ermöglicht die informelle Versklavung des Volkes. Mit dem Dritten Reich hat das Netzwerk, die schwarze Internationale, einen Präzedenzfall geschaffen, der es diesen Mächten auf alle Zeit ermöglicht, die Einschüchterungen und Repressionen „zum Schutz der Gemeinschaft“ zu rechtfertigen. Wir leben doch in einem freien Land.

Hans Apel konstatiert, die Demokratie habe keine gute Zukunft, „ohne die Überzeugung der Bürger, dass die staatliche Herrschaft in Übereinstimmung mit dem Willen des Volkes und nach dem Maßstab sozialer Gerechtigkeit ausgeübt wird“. Wenn das Parlament „nicht mehr ausreichend in der Lage ist, die Wünsche und Hoffnungen, die Sorgen und Befürchtungen der Bürger aufzunehmen, zu artikulieren und soweit das möglich ist, politisch umzusetzen […] wendet sich der Bürger ab und sucht nach anderen Wegen“.

Michail Bakunin war es, der feststellte, er sei erst dann wirklich frei, wenn es die Menschen um ihn herum auch wären. Wie frei sind wir heute?

Ist denn nicht die Zeit gekommen, darüber nachzudenken – und entsprechende Schlüsse zu ziehen? Eine linke Bewegung – und ihre Politik – die Gewalt auch nur im geringsten anwendet, führt sich selbst ad Absurdum. Denn gerade die Unantastbarkeit menschlicher Würde, die Unversehrtheit von Leibe und Seele, die freie Rede gehören zu den Zielen jedweder humanistischer Politik.

Das Gewaltmonopol des Staates ist gerade nicht unser Problem. Denn wenn der ganze Apparat einfach von den geeinten Massen friedlich überrannt wird, fällt er zusammen, wie ein verfaulter Kürbis. Vielmehr muss unsere Arbeit in der Politisierung unserer Mitmenschen liegen. Die einzigen zu vermittelnden Werte sind die universellen Menschenrechte. Alle anderen Schlüsse können nicht vorgegeben werden, sondern müssen von den Massen selbst gezogen werden.

Rolf Breitenstein schreibt, eine Revolution müsse kein Spektakel sein: „In einer Revolution müssen keine Köpfe rollen, wie in der Französischen Revolution oder wie in der bolschewistischen Revolution. Eine Revolution ist eine schnelle, radikale Umwälzung der Lebens- und Denkweise einer Gesellschaft. […] Unsere Revolution ist nicht laut, aber tiefgreifend.“ Breitenstein war vormals Leiter der Abteilung Kommunikation im Bundeskanzleramt. In „Die menschliche Revolution“ entwirft er das Bild einer ökologisch-kommunikativen Gesellschaft. Grenzen des Wachstums müssen ebenso selbstverständlich sein, wie die politische Partizipation jedes Einzelnen.

Der Schlüssel liegt also in der politischen Bildung. Die Meinungsfreiheit ist dabei das wichtigste Mittel. Die Geschichte belegt jedoch vielfach, dass auch unter repressiven Bedingungen, wie sie zurzeit herrschen, ein Austausch möglich ist. Es sind wirksame Strategien notwendig, die Menschen im Widerstand gegen ihre Entrechtung zu einen. Am Ende könnte der Entwurf einer neuen Verfassung stehen, die nach demokratischer Abstimmung, einen Neuanfang bezeichnet. „Ob ein Volk seine Verfassung ändern kann, wenn es will?“, fragte Georg Christoph Lichtenberg – und antwortete: „Wer sollte es hindern, wenn es entschlossen ist?“

Im Film „Matrix“ steht die Figur des „Morpheus“ als Redner in der größten Höhle Zions und ruft den Massen zu: „Das ist Zion – UND WIR HABEN KEINE ANGST!“

Der Tanz kann beginnen…

Quelle:
Dein Hirn und
http://www.danielreitzig.de/?p=119

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