Kritik an Beck: Bullerjahn jammert Vize-Vorsitz der SPD hinterher

Magdeburg: Der am 21. Mai aufgrund der Vorschläge von Kurt Beck zur Verringerung der Anzahl der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden beim Bundesparteitag nicht wieder für diesen Posten nominierte Jens Bullerjahn (1) hat sich heute für diesen Karriereverlust persönlich revanchiert. In einem bundesweit von der rechten Kampfpresse ausführlich zitiertem Interview im „Kölner Stadtanzeiger“ (2) sang der bis dato gänzlich abgetauchte SPD-Vize ein Loblied auf die Hartz IV-„Reformen“, die u.a. schon 2006 vom Monschauer Bürgermeister Theo Steinröx (CDU) als dramatischer Fehlschlag und „Rohrkrepierer“ bezeichnet worden waren (3).„Die generelle Situation im kreisangehörigen Raum ist dramatisch“, so am 30.06.2006 auch der Sprecher vom Landkreistag in Nordrhein-Westfalen, Boris Zaffarana. Der Landkreistag hatte damals die 31 Kreise im Land unlängst zu ihrer finanziellen Situation nach Hartz IV befragt. Es zeichnete sich ab, dass fast alle Landkreise davon ausgingen, über kurz oder lang in der Haushaltssicherung zu landen.

Bürgermeister Steinröx erklärte bereits damals, dass die Kommunalverwaltungen durch die sogenannten „Reformen“ des wegen Korruption verurteilten Wirtschaftsbosses Peter Hartz – die von der SPD 1 zu 1 übernommen worden waren – praktisch sozial entmachtet worden waren. Mit einem Schlag habe die Stadt kein Geld mehr gehabt, ebenso keine Möglichkeit mehr für die Kreise und Kommunen, Einfluss auf die Arbeitsmarktsituation gegeben.
„Wir haben 370.000 Euro Verlust pro Jahr“, machte Steinröx die Rechnung für seine Stadt in 2005 auf. (3)

Derweil kreierte das „Handelsblatt“ heute die Schlagzeile „Ost-SPD kämpft gegen `Roll Beck` an“ und hatte diesbezüglich nichts anzubieten als Bullerjahn, der Korrekturen an Hartz IV für „völlig falsch“ hält und den gescheiterten, aber ebenso plötzlich wieder aufgetauchten ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der von einem „Roll Back“ auf mehreren Ebenen sprach.
Desweiteren wurde wieder ein hochbezahlter Lobbyist von einem der unzähligen „Wirtschaftsforschungsinstitute“ ins Feld geführt – Ulrich Blum vom „IWH“ – der Hartz IV als einen „Genuss“ bezeichnete, den sich die Gesellschaft noch 10 Jahre lang nicht entgehen lassen dürfe. (2)

VERARMUNG DES VOLKES, BETRUG DURCH DIE BESITZER

Die Kritik an den „Sozialgesetzen“ der Kapitalisten, die von ihren willigen Sozens umgesetzt wurden, ist entsprechend lang und ausführlich. Zentraler Punkt ist der vollzogene Bruch mit sozialstaatlichen Grundprinzipien wie Lebensstandardsicherung, Bestandsschutz, Qualifikationsschutz und Berufsschutz (5).
Aber eben auch vom staatlichen Standpunkt aus haben die Hartz-Gesetze nichts gebracht ausser Mehrausgaben in Höhe von allein 1.5 Milliarden Euro dieses Jahr – insgesamt muss 2007 der Staat 24 Milliarden Euro für diese geniale „Hartz IV“-Reform bezahlen. (6)

Seit Jahresanfang haben zwar etwa 420.000 Bezieher von Arbeitslosengeld II eine Beschäftigung gefunden, aber die Hälfte davon in einem „gemeinnützigen“ Ein-Euro-Job.
70.000 Selbstständige und rund eine halbe Million Vollzeitbeschäftigte bekommen Hartz IV, weil sie von ihrer Arbeit im Kapitalismus nicht mehr leben können.
Selbst nach Ansicht des Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, subventioniert so der Staat Unternehmen, die Niedriglöhne zahlen. Das Problem der Aufstocker sei möglicherweise wettbewerbsverzerrend, weil andere Unternehmen ihren Beschäftigten existenzsichernde Löhne zahlten, so Alt (6). Das heisst, auch vom Standpunkt des Wettbewerbs ist die ganze Angelegenheit eine Katastrophe und begünstigt skrupelloseste Ausbeutung und Schikane durch die Konzerne und Bosse an der arbeitenden Klasse.

Dabei müsste nicht der Staat Arbeitslosengeld bezahlen, sondern die sogenannte „Wirtschaft“, also die Besitzer.
Wenn der Staat Arbeitsplätze schaffen könnte, wäre das Sozialismus. Im Kapitalismus schafft das Kapital die Arbeitsplätze – wo sind die? Und komme niemand mit sinkenden Arbeitslosenzahlen, es gab bereits mehrere Initiativen und eine Bundestagspetition (7), die sich mit den gefälschten und zurechtgelogenen Statistiken der Bundesregierung und ihrer „Bundesagentur für Arbeit“ beschäftigt haben.

Wegen Hartz IV sinken die Löhne, jetzt erst ist dies anerkannt (8), wiewohl doch eigentlich eine Sache der simpelsten Logik des einfachen Mannes. Aber vor allem die sogenannten „gebildeten Schichten“ – das Bürgertum – hat die letzten Jahre bewiesen, dass es selbst zum Bruchrechnen zu dämlich ist. Grausamkeit, soziale Kälte, Verachtung für die Arbeitenden, grenzenloser Hochmut ob der eigenen priviligierten Stellung in der Gesellschaft und bodenlose Ignoranz gegenüber dem Allgemeinwesen gaben ganze Gesellschaftsteile für die Lohndrücker und Ausbeuter aus dem Kapital zum Abschuss frei.

Genau auf diesen Sozial-Sadismus der Mittelschicht zielten die Kapital-Strategen mit ihrem durchgeschwätzten Coup der Hartz-Gesetze auch – die Gesellschaft der Menschen sollte zu Raubtieren umerzogen werden. Mitleid war lächerlich, jeder war seines eigenen Glückes Schmied (auch ohne Eisen), wer abgezockt und betrogen wurde war eben zu dumm, wer ehrlich war ein Idiot und Steuerbetrug wird heute noch detailiert in Zeitungen wie dem „Focus“ beschrieben (9) die gleichzeitig alles daran setzen Angela Merkel und Franz Müntefering im Amt zu halten damit alles weitergeht wie bisher.

Noch im Jahre 2000 schätze die rot-grüne Bundesregierung selbst, dass allein durch sogenannten „Kettenbetrug“ im Baugewerbe, der auf illegaler Betätigung als Unternehmer beruht, 64 Milliarden Euro Steuern von sogenannten „Unternehmern“ hinterzogen wurden. Dieser gigantische Betrug wirkt sich mehrfach aus. Durch den Kettenbetrug entgingen damals den Sozialversicherungen Beiträge in Höhe von 54 Milliarden Euro.
Im Jahre 2003 wurden nach nicht gerade lautstark verkündeten Berechnungen des Finanzministeriums von Baden-Württemberg allein durch Umsatzsteuerbetrug 12 Milliarden Euro dem Staat gestohlen. (10)
Bis heute ist durch die Bundesregierung oder den Staat nichts geschehen, um das zu ändern.

„HARTZ IV“: SOZIAL-SADISMUS DER STÄRKEREN UND ÄMTER

Man kann sich 19 Beispiele sadistischer Schikane der Behörden an Armen in aller Ruhe auf der Webseite von Karl Weiss durchlesen.
Nur ein paar davon (11):
1. Landkreis Würzburg: Hier hat man sich ein besonderes Mittel ausgesucht, wie man die Zahl der Arbeitslosen verringern kann: Man schiebt sie auf Dauer in nicht existierende Fördermaßnahmen ab. Dazu wird die katholische „Kolping“-Dienstleistung GmbH benutzt. Die Arbeitslosen werden verpflichtet, dort an „Förderungsmaßnahmen“ teilzunehmen, die aber gar nicht bestehen.

2. Wie ein Hausbesuch von Schnüfflern vor sich geht, berichtet eine Arbeitslose. Zunächst kämen sie zu zweit und erzwingen Eingang in die Wohnung, indem sie ankündigen, andernfalls würden die Leistungen gestrichen. Vorher haben sie dafür gesorgt, dass die Überweisung des Geldes von diesem Monat noch nicht erfolgt ist. Darauf wird jetzt grinsend hingewiesen. Das könnte sich noch länger hinziehen…
Die Zimmer der Mitbewohner werden trotz Protest auch inspiziert. Das Bett sei zu breit, das sei für zwei, das sei eine Bedarfsgemeinschaft, wird dann festgestellt. Dann will man in der dreckigen Wäsche wühlen. Man weist darauf hin, man könne sich den Antrag noch einmal vornehmen und etwas finden, wenn das nicht gestattet werde. Es wird nach Klamotten des anderen Geschlechts gesucht.Dann will man die Untermietgenehmigung des Vermieters sehen, obwohl die Mietquittung längst vorgelegen hat. Dann werden alle Zimmer nachgemessen und durch die Küche geschnüffelt. Das Ergebnis: Wahrscheinlich dürfte die Arbeitslose nun gar nichts mehr bekommen, denn was man da so gesehen habe….

3. Kreis Marburg-Biedenkopf: Ein Arbeitsloser, der sich bereits aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte, bekam von seinem „Fallmanager“ trotzdem eine Arbeitstelle angeboten mit der Drohung, die Bezüge zu streichen, wenn es nicht angenommen würde. Es stellte sich heraus, dass die Bewerbungsfrist bereits eine Woche abgelaufen war, bevor der Fallmanager das Angebot weiterleitete.

8. ARGE Magdeburg, Sachsen-Anhalt: Ein Arbeitsloser gewann den Prozess gegen die Arge. Sie wurde verurteilt, ihm sein Arbeitslosengeld II (ALG II) auszuzahlen. Trotzdem zahlte die ARGE nicht. Das Sozialgericht musste erst einen Zwangsvollstreckungsbefehl ausstellen. Aber auch das reichte der ARGE immer noch nicht. Sie legte Beschwerde beim Landessozialgericht ein, der abgewiesen wurde. Bis zum Tag der Zwangsvollstreckung hatte die ARGE immer noch nicht gezahlt.

11. Kreis Marburg-Biedenkopf: Arbeitslose, die im ALG II-Bezug sind, bekommen bei der örtlichen Agentur für Arbeit keine „Kundennummer“ und können daher nicht auf Arbeitsangebote zurückgreifen, die nur mit Chiffre-Nr. Zugang zu Name und Adresse des Arbeitgers erlauben. Versuche, diese Nummern zu bekommen, trafen auf erbitterten Widerstand der Angestellten der Arbeitsagentur. Damit werden die Chancen der Arbeitslosen noch geringer, eine Arbeit zu finden.

12. Kreis Offenbach: Der dortige Landrat Peter Walter hat eine private Detektiv-Firma beauftragt, hinter dem Privatleben der dort gemeldeten Arbeitslosen hinterherzuschnüffeln. Die Firma hatte kürzlich Anzeigen in Tageszeitungen, in denen sie private Schnüffler sucht.

Das alles haben wir vor allem einer Partei zu verdanken: der SPD. Wenn sie weiter existieren will, sollte sie eher auf ihren Vorsitzenden hören als auf andere.

SPD SINKT WEITER, LINKSPARTEI LEGT ZU

Den Umfragen vom „Forsa“-Institut unter Manfred Güllner zu trauen, ist so eine Sache. Gestern noch reihte sich dieser in die Intriganten gegen den SPD-Vorsitzenden und dessen Pläne zur Korrektur der „Agenda 2010“ ein.
„“Eine Mehrheit der Menschen hatte akzeptiert, dass Gerhard Schröder damals – unabhängig von handwerklichen Detailfehlern – zumindest die richtigen Weichen zur Erneuerung und Modernisierung des Landes gestellt hat. Die SPD tut sich deshalb keinen Gefallen, wenn sie sich von dieser Politik distanziert“, so „Forsa“-Chef Güllner noch gestern. (12)
Heute bewies seine eigene Umfrage das Gegenteil – die Linke legte (laut seinen eigenen Statistiken) auf 12% zu lasten der SPD zu, die auf 25% kam. (13)

Jens Bullerjahn ist mit seiner 21% Partei in Sachsen-Anhalt vielleicht ein Vorbild seiner selbst. Für die SPD sollte er es nicht sein.
In Sachsen-Anhalt liegt die Linke mittlerweile vor der SPD.

weiterer Artikel:
10.02.07
SPD-Präsidium stützt Beck: Müntefering, Hundt, Clement heulen
http://www.radio-utopie.de/index.php?themenID=1009

Quellen:
(1)
http://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Bullerjahn
(2)
http://www.handelsblatt.com/News/Politik/Deutschland/_pv/_p/200050/_t/ft/_b/1331559/default.aspx/ost-spd-kaempft-gegen-roll-beck-an.html
(3)
http://www.wdr.de/themen/politik/nrw03/kommunen/hartz_iv/index.jhtml
(5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Hartz_IV#Kritik
(6)
http://www.n-tv.de/802420.html
(7)
http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=455
(8)
http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/762410.html
(9)
http://www.focus.de/finanzen/steuern/steuerhinterziehung
(10)
http://www.luk-korbmacher.de/Schule/VWL/vwl03.htm
(11)
http://karlweiss.twoday.net/stories/4244580/
(12)
http://www.radio-utopie.de/index.php?themenID=1009
(13)
http://www.wahlrecht.de/umfragen/forsa.htm

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