München: Der Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Bayern,Ludwig Waldinger, hat heute einen Bericht des sattsam bekannten Presseorgans „Spiegel“ über Spionagemassnahmen der Polizeibehörde durch Manipulation von Computern zwecks Abhörfähigkeit von „Internet-Telefonaten“ (oder „Voice-over-IP-Gesprächen“) als „falsch“ bezeichnet. Waldinger bestritt, dass zum Mithören der Telefonate über eine heimlich auf dem Computer des Verdächtigen installiert Software abgehört würde. Waldinger überraschte mit folgender Erkenntnis: „Das würde technisch auch keinen Sinn machen.“ (1)Das widerspricht diametral der Aussage des Innenministeriums unter Wolfgang Schäuble: Die Überwachung von verschlüsselten Internettelefonaten – etwa über die populäre Software Skype – sei „nur durch Abgreifen der Kommunikationsdaten am Entstehungsort“ möglich, also auf dem PC des Verdächtigen. (1)
Frank Rieger vom Chaos Computer Club wiederum kam zum Schluss, dass z.B. Skype, als Eigentum des „Ebay“-Konzerns, sowieso mit den Behörden zusammenarbeite und von allein sämtliche Daten an Geheimdienste und Polizeibehörden weitergebe. „Skype gehört eBay, und eBay ist stolz auf die Zusammenarbeit mit Ermittlern“, so Rieger wörtlich.
Demgegenüber zitiert die „netzeitung“ den LKA-Sprecher Waldinger ganz anders. Dort heisst es, dass LKA manipuliere sehr wohl die Computer von Zielpersonen, um Telefonate abzuhören. Wörtlich heisst es in der Meldung:
„Die Methode werde in wenigen Fällen seit Mitte des Jahres angewendet. Dafür platzieren die Ermittler auf den Festplatten spezielle Programme“.(2)
Laut dieser Meldung soll das LKA also nur die Software auf Festplatten installieren, ohne diese zu überwachen. Eine höchst merkwürdige Argumentation, die geradezu religiöse Vertrauensvermutung von 80 Millionen Menschen für die Exekutive voraussetzt.
Gleichzeitig heisst es aber in der Meldung auch, die Massnahmen des LKA seien von der Strafprozessordnung gedeckt (2) – ja warum dann das ganze Geschrei um die sogenannte „Online-Durchsuchung“, die uns Innenminister Schäuble seit Monaten mit Terrorgewäsch überwuppen will? Warum dann Grundgesetzänderung, Panikmache und das ganze Theater?
Ein Grund ist sicherlich, dass die Polizei- und Geheimdienstbehörden nicht unerhebliche Teile der Strafprozessordnung vom Halse hätten, wenn sich Schäuble durchsetzt. Seine Pläne, denen sich der nun demnächst aus dem Amt fliegende Vizekanzler Müntefering, Aussenminister Frank Steinmeier, „Justizministerin“ Brigitte Zypries und der gesamte SPD-Teil der Bundesregierung niemals widersetzten, laufen nämlich praktisch darauf hinaus, ohne Durchsuchungsbefehl Wohnungen öffnen und Eigentum der Bürger manipulieren zu können (4). Durch Grundgesetzänderungen – die bereits am Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion kläglich gescheitert sind (5,6) – oder durch Ignorieren des Grundgesetzes durch Gesetze sollen nun nach endlosem „Terror“-Gequatsche Massnahmen authorisiert werden, die letztlich eine Aufhebung der Gewaltenteilung und Einschränkung der Freheitsrechte bedeuten. Dies geht einher mit Einsatz der Armee im Innern, der Legalisierung vom Ermorden Unschuldiger (Abschuss von zivilen Flugzeugen durch das Militär) und Kriegseinsatz am Hindukusch, weil ausgerechnet da die deutsche Republik verteidigt werde, die man währenddessen im Regierungsviertel unter aller Augen lebendig begräbt.
Alles soll nach Bericht des „Spiegels“ vom Wochendende mit einer parlamentarischen Anfrage der FDP-Abgeordneten Gisela Piltz begonnen haben, auf die dann das LKA und das Bundesfinanzministerium Internet-Spionage und abgehörte Telefonate eingeräumt hätten. Dabei darf man nicht vergessen, dass das globale Kommunikationsnetz nicht mehr von einander zu trennen ist. Es wird von Festnetz zum Computer, vom Handy zu Handy und in Skype-Konferenzen von Computer zu Computer mit Festnetz und Handy gleichzeitig telefoniert. Wer entscheidet da nun, was abgehört werden darf und wer nicht, wer kommt in welche Kartei, wenn z.B. ein Anrufer aus den USA mit einer Person aus Deutschland am Festnetz über skype telefoniert und der Konferenzleiter in der Ukraine sitzt?
Gerade bei Musikern, Schauspielern, Regisseuren, Wissenschaftlern, Zeitungsredakteuren, Anwälten, Journalisten, ja selbst bei verdächtigem Pack wie Politikern oder Konzernbossen soll das schon mal vorkommen. Wer hat hier das Sagen? Das Grunzgefühl irgendeines Schnüfflers oder die Macht der Verfassung?
Diese merkwürdige Meldung des „Spiegel“, Hausorgan des (gehobenen) Sicherheitsapparates, Tage vor der am Mittwoch anstehenden Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Ignorierung unserer Verfassung durch die Landes-Exekutive UND Legislative von Nordrhein-Westfalen (dort sind Online-Durchsuchungen einfach per Gesetz erlaubt worden), kann eigentlich nur eine Person aufklären. Doch von der ist seit Tagen nichts zu sehen und zu hören.
Bleibt vor allem eine Frage: wo ist Gisela Piltz?
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Quellen:
(1)
http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=2679426/1xcs3e/
(2)
http://www.netzeitung.de/deutschland/770470.html
(3)
http://radio-utopie.de/index.php?themenID=1026
(4)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=788&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=8
(5)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=756&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=7
(6)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=884&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=8