Berlin: Schon wieder so ein Thema, vor dem ich steh wie der Vampir vor´m Kreuz, aber wo ich mich doch überwinden muss. So geht´s nicht. Der Rausschmiss von Eva Herman aus der allwöchentlichen Offenbarung von Johannes B.Kerner (plus der wieder zielsicher ins Off scheppernden Mähdien-Reaktion,5) war schon wieder einmal zuviel für mich.
Niemand redet mehr über das, worum es geht. Nun, das war ja bekanntlich schon immer so, sagt man. Aber ich versuch´s trotzdem nochmal und spare mir wie immer alles überflüssige Bla-Bla, damit ich mehr Zeit für mich habe.VON GEISTIGER UND AUCH ECHTER ARMUT
Die Worte Hermans über verloren gegangene Werte von Familie, dem sogenannten klassischen Frauenbild und Rollenverteilung der Geschlechter sind typisch für die Ansichten der überwältigenden Mehrheit des deutschen Bürgertums. Leute mit wenig Geld (also Menschen, die mit den Händen bzw. überhaupt arbeiten müssen, weil ihr Besitz nicht von alleine immer mehr wird) haben nicht das Problem alles zerreden oder begründen oder im geschichtlich-historisch-kulturellen, ja deutschen Zusammenhang sehen zu müssen.
Sie haben das Problem eine Frau oder Mann zu finden und mit ihnen eine Familie gesund zu ernähren, in einer erträglichen Wohnung zu leben mit Zimmer für jedes Kind und diese in eine Schule ohne Waffen auf dem Schulhof zu schicken, also nicht in Berlin oder auf eine teure Privatschule.
Es gibt Millionen von Kindern, die in diesem Leben keine Chance durch die Gesellschaft der Republik bekommen werden, Millionen von Kindern, die durch die Abstammung ihrer Eltern oder deren Einkommen für uns nichts wert sind, nichts. Das deutsche Bürgertum schert sich einen Dreck um diese kleinen Menschen, die hier geboren sind, auch das sogenannte „gebildete“ oder „liberale“ Bürgertum. Nur wenn es um „deutsch“ geht, dann wachen alle auf. Dann haben alle was zu sagen. Dann regen sich alle auf und machen mit. Wenn es um die „deutsche“ Familie geht, um das „deutsche“ Frauenbild, um die „deutsche“ Geschichte, die bekanntlich 1933 angefangen, aber nie geendet hat, deutsch, deutsch, deutsch, Nazis. Ich mach das Fernsehen an, ich seh Hitler. Ich schlag die Zeitung auf, ich seh Hitler. Ich mach´s Radio an, ich höre Stasi. Und geh ich ins Internet, les ich sowas:
2.6 Millionen Kinder in dieser Republik leben in Armut (1). 7.5 Millionen Italiener, 12.9 Prozent der Bevölkerung, tun es ebenso (2). Etwa ein Viertel der Franzosen sehen sich finanziell nicht in der Lage, Obst, Gemüse und Fisch zu kaufen (3).
Und hier reden ein paar edle, betuchte Medienheinis über „deutsche Werte“ und „Familie“, die es gelte wieder zu erlangen, oder warum die so gefährlich seien.
Sie haben dabei mehr gemeinsam, als sie wissen: keine Werte ausser den eigenen Wohlstand und Grad der eigenen Prominenz und keine Ahnung, worüber sie eigentlich reden.
DER FASCHISMUS UND DIE FAMILIE
Ziel im Faschismus, oder „Nationalsozialismus“ wie er sich zu Werbezwecken selbst nannte, war die Kontrolle. Diese Kontrolle fing die Menschen von Geburt an zu dem Zeitpunkt ab, wo sie Gedanken verarbeiten und durch Sprache äussern konnten. Der „Wert“ Familie spielte keinerlei Rolle. Es ging um Indoktrination und Frühhypnose, Rituale und anerzogene Agressivität, um inneren, pychischen Krieg, der unweigerlich in realen, massenhaften Wahnsinn münden musste. Ich find das ja immer schade, das solche Werke wie „Mein Kampf“ niemand lesen darf, weil das gefährlich ist. Ich kann nur jedem raten, der es irgendwie schafft, sich das mal durchzulesen:
„In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich will eine Athletische Jugend. Das ist das Erste und das Wichtigste. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir meine Jugend. Beherrschung müssen sie lernen. Der junge, gesunde Knabe soll auch Schläge ertragen lernen. Der völkische Staat hat eben nicht die Aufgabe, eine Kolonie friedsamer Ästheten und körperlicher Degeneraten aufzuzüchten. Nicht im ehrbaren Spießbürger oder der tugendhaften alten Jungfer sieht er sein Menschheitsideal, sondern in der trotzigen Verkörperung männlicher Kraft und in Weibern, die wieder Männer zur Welt zu bringen vermögen… Das Ziel der weiblichen Erziehung muß unverrückbar die kommende Mutter sein“. (4)
Wenn da jetzt Eva Herman in einer Talkshow sitzt oder in ihrem Buch sagt, es war ja damals nicht alles schlecht, so ist das der ganz normale, postraumatische Stress eines Volkes, was noch vor knapp 60 Jahren Dutzende von Millionen Menschen massakriert hat und sich weigert, dies zu kapieren. Es sollte vielleicht eher mal darüber nachdenken, wer es für diese Taten konditioniert und hypnotisiert hat, und mit welchen Methoden.
Ich weiss aus meiner eigenen Familie, dass sämtliche Nazi-Grössen alle „Geliebte“ hatten. Die Frauen hatten zuhause zu bleiben, die Stiefel blank zu bohnern, dumm zu lächeln und die Kinder zu kriegen. Die immanente Heuchelei, das Propagandabild, das Zwiedenken und das Lügen, diese kulturellen Strukturen des Post-Faschismus sind heute noch genauso präsent wie früher, nur haben sie nicht mehr eine solche Macht sich auszuleben. Aber dieser Schoss wird ab zu noch ganz feucht vor Freude, vor allem wenn man sich den aktuellen Zustand der 3.Republik und ihrer parteipolitischen Schwatzdrohnen mal anschaut. Die Mentalität im Umgang mit dem Schwachen, dem Femininen, dem Anderen, dem Unterlegenen, dem Asozialen, dem Armen, dem Penner, dem Abschaum, dem Untermenschen, ist die gleiche Gedankentreppe abwärts wie die aktuelle Tagespolitik, genauso wie die der Strassengangs, der Thekengespräche, des Rudelverhaltens, des Café-Gequatsches in der Kreuzberger Bergmannstrasse um die Ecke und der sinnfreien, alltäglichen Bleiflut in den bürgerlichen Gazetten.
EVA HERMAN UND DIE IHRE MEDIENFAMILIE
Als jemand, der so ein kleines bisschen weiss wovon er redet, sage ich jetzt mal: die „Medien“ sind eine ganz normale Mafia. Es gibt einen Paten (oder auch mehr), man muss sich bücken und den Arsch hinhalten, oder Hände schütteln und nett tun, das kommt dann auf die Wünsche der Produzenten, Intendanten, Manager, Anteilseigner und aller anderen ganz normalen Zuhälter im Mittelfeld an. Es sei denn, man kommt eh aus dem Schauspieleradel der (Post-)Nazi-Zeit, kennt jemanden der jemanden kennt oder kann sich oder das Kind einkaufen. Die in den letzten Jahren erfundenen Castings für aufstiegswillige, talentierte Unterschichtler waren vor 10 Jahren noch unvorstellbar. Letzten Endes geht es aber immer um Geld – das war´s. Wer den Verwertungsprozess stört oder nicht kontrollierbar ist, fliegt raus oder kommt nicht rein. Gleichzeitig wird immer das Gegenteil von dem behauptet, was wirklich stimmt. Man sagt, man braucht mehr Mut in der Branche und bezahlt die Feiglinge noch besser, man sagt, man braucht gute Drehbücher, aber hält den doch den Markt frei für die US-Branche, man sagt, man will mehr deutschsprachige Musik und macht dann krass für 12-jährige.
So geht das in der Musikbranche, am Theater, im Schauspieler-, Drehbuch- und Filmmilieu, auch wer Galeristen für seine Bilder sucht wird merken, dass nur die das sagen haben, die auf der Dokumenta ausstellen, und wer versucht ein Buch veröffentlichen zu dürfen, muss es erst auf eigenes Risiko jahrelang schreiben um dann in 10 Minuten aus dem Zimmer gelacht zu werden. Dann gibt´s den Telefonanruf an die eigenen Leute durch den Ideenklauer hinter´m noblen Bürotisch, und etwas später macht´s dann halt ein Anderer. Und die TV-Branche ist der Ausfluss von dem ganzen Prozedere.
Wenn Herman da jetzt gehen musste bei Kerner, dann ist das Teil eines Spiels. Eines Spiels, was sích bald erledigt hat. Und dann sind wir dran. Dann kommt die schmutzige, arme, dreckige, lustige Rache der Schmuddelkinder des Kunst- und Kreativproletariats.
Und dann, daaann heisst es:
VAE CORRUPTIS!
Quellen:
(1)
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Kinderarmut;art1117,2378703
(2)
http://www.diepresse.com/home/panorama/welt/334811/index.do
(3)
http://de.rian.ru/society/20070926/81040925.html
(4)
http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/gec/13119.html
(5)
http://www.sueddeutsche.de/,tt7l1/kultur/artikel/452/137177/