Österreich: Operation Arigona

Lassen wir die Aufregungen der letzten Tage um das in einer medialen Inszenierung mit Selbstmord drohende verschwundene Mädchen Arigona und die so attackierte Bundesregierung chronologisch Revue passieren…26.9. Innenminister Platter spricht mit OÖ-Landeshauptmann Pühringer über Kriterienkatalog für humanitären Aufenthalt

26.9. Familie Zogaj, die der sog. Ausreisepflicht bislang nicht nachkam, was menschlich verständlich ist, wenn sich ihr Wohnort für sie einsetzte, soll von der Polizei nach Wien gebracht werden, um dann in den Kosovo zu fliegen. Tochter Arigona wird von einer Freundin gewarnt, dass Polizei beim Haus der Eltern sei, und taucht unter. Dadurch wird der Vorwurf u.a. der Grünen, Platter verletze Art 8 Menschenrechtskonvention (Privat- und Familienleben) und reisse Familien auseinander, durchaus plausibel. Man hätte hier die Abschiebung stoppen müssen – lässt sich hinterher sagen.

27.9. Ein „Medienbetreuer“ Arigonas meldet sich (laut Darstellung des ORF vom 12.10.2007) erstmals beim Rundfunk.

27.9. „Österreich“ berichtet erstmals.

28.9.: APA-Meldung der Grünen, Menschenrechtssprecherin Brigid Weinzinger:
„Besonders zynisch ist, dass Platter ein Formular für Bleiberechtsfälle der Öffentlichkeit vorstellt und im selben Atemzug Abschiebungen forciert.“

29.9./30.9. Es ist von einem Brief Arigonas an ihre Mutter die Rede, wo das Mädchen davon spricht, dass es sich nicht lebend der Polizei stellen werde und fordert, dass sie mit ihren beiden kleineren Geschwistern und der Mutter in Österreich leben könne. Die Mutter durfte ursprünglich bis 1.10. in Österreich bleiben, in der Annahme, ihre Tochter sei bis dahin wieder aufgetaucht.

Standard 4.10.2007: „Laut Angaben der Mutter lag der Brief der Tochter am Samstag (29.9.) im Briefkasten: Sollte es für sie und die Familie keine Möglichkeit auf Verbleib in Österreich geben, werde sie sich nicht lebend der Polizei stellen, schreibt die 15-jährige Arigona Zogaj.“ Die Mutter erlitt daraufhin einen Nervenzusammenbruch. Bei der Ausweisung am 26.9. war das Mädchen nicht anwesend.

Die Rückkehr des Vaters und der beiden älteren Geschwister fordert sie nicht, verlangt also im politisch-taktischen Sinne nichts gänzlich Unerfüllbares. Da Arigona bereits Medienbetreuung hat, handelt es sich also um eine redigierte Botschaft mit gewisser innenpolitischer Intention.

1.10. Ankündigung einer Pressekonferenz der Grünen für den 2.10.: „Stoppt Platter!“ Während ganze Dorfgemeinschaften für ihre ausländischen MitbürgerInnen auf die Straße gehen und ein Bleiberecht fordern, geht die Abschiebepolitik Platters weiter. Dazu nimmt dieMenschenrechtssprecherin der Grünen, Brigid Weinzinger, Stellung.

2.10. Ankündigung einer „Pressekonferenz und Kundgebung der Grünen Parteispitze vor Innenministerium zu Abschiebungen“ am 3.10.

3.10. ORF wird nun nach eigener Darstellung von einer „neuen Kontaktperson“ angerufen, „die sich verstärkt um Medienkontakte in diesem Fall annahm, um ein mögliches Interview zu geben für den Fall, dass Arigona wieder auftaucht.“

4.10. Die Grünen beantragen eine Sondersitzung des Nationalrates zur Abschiebedebatte. Platter betreibe eine „menschenverachtende, schäbige und gnadenlose Politik“, so Alexander Van der Bellen „in ungewohnter Schärfe“, wie der Standard schrieb. Die Sitzung werde am 10. oder 11.10. stattfinden, hiess es zunächst.

4.10. „Kontaktperson“ kündigt gegenüber ORF ein Lebenszeichen von Arigona an.

4.10. Vorausmeldung für „Österreich“ vom 5.10., wo „eine neue Botschaft von Arigona Zogaj, die der Redaktion zugespielt wurde“, veröffentlicht werden soll.“Es ist das erste Lebenszeichen seit einem am Wochenende aufgetauchten Brief, in dem Arigona Zogaj mit Selbstmord gedroht hatte. In dem Text schreibt sie: „Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Mein größter Wunsch ist es, dass meine Familie in Österreich wieder zusammen kommt. Ich werde nicht eher kommen, bevor nicht zumindest Albin und Albona wieder zurück sind und sicher ist, dass alle gemeinsam nicht wieder über nacht wegkommen und dies der Innenminister bestätigt.“

Welches Mädchen schreibt von sich aus „den Umständen entsprechend“, warum wurde hier auf eine Wiederholung der Selbstmorddrohung vergessen, die beim „dem ORF zugespielten“ Video tags darauf sehr wohl vorkommt?

5.10. Videobotschaft Arigonas wird dem ORF zugespielt, sie erinnert an ein Geiselvideo aus Afghanistan. Arigona spricht für sie offenbar ungewohntes Hochdeutsch, hält Zeitung „Österreich“ hoch und zupft an ihren Fingern, als sie erklärt, sie vertraue Minister Platter nicht und als sie die Selbstmordbotschaft nochmals wiederholt, weil sie im Kosovo keine Zukunft für sich und ihre Familie sehe. Arigona kauert in der Ecke eines weissgestrichenen schmucklosen Raumes ohne Details. Der ORF wird von der „Kontaktperson“ gebeten, Fotos aus dem Video zu kopieren und anderen Medien zur Verfügung zu stellen.

5.10. Grüne kündigen Misstrauensantrag gegen Platter an: „Im Abschiebungskonflikt ist keine Entspannung in Sicht. Innenminister Platter bleibt weiterhin unnachgiebig. Im Fall der untergetauchten Arigona sprach er von einem Erpressungsversuch, dem er „nicht nachgeben“ wolle. Die Grünen drohten dem Minister indes mit einem Misstrauensantrag. (Salzburger Nachrichten, 6.10.)

6.10. Kundgebung in Frankenburg/OÖ, wo Arigona wohnte. „Auf der Kundgebung gegen die Abschiebung der Familie Zogaj im oberösterreichischen Frankenburg rief der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Karl Öllinger, die Parlamentarier zur Unterstützung der Initiative der Grünen für ein Bleiberecht bei der Sondersitzung am Mittwoch auf. Persönlich wandte sich Öllinger an Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), die ebenfalls bei der Kundgebung anwesend war, und lud sie zum Mitstimmen mit den Grünen ein.“ (Aussendung der Grünen)

„Sind denn alle verrückt in der Bundesregierung?“, fragte der grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger. Gottfried Hirz, Obmann der Grünen im Oberösterreichischen Landtag, verlangte ein humanitäres Bleiberecht für die Familie Zogaj, sonst sei Innenminister Günther Platter „rücktrittsreif“.(Artikel des Standard über die Demo)

6.10. „Nach berührendem Video: Minister jagt Asyl-Mädchen“ – Titel von „Österreich“, links die zarte Arigona abgebildet, rechts der harte Platter; beim Umblättern haben wir die Video-Botschaft im Wortlaut und Fotos aus dieser Botschaft, die zeigen, dass Arigona perfekt in die Kamera schaut oder den Blick kurz abwendet, was ebenso wie das ungewohnte Hochdeutsch auf mehrere Aufnahmeversuche deutet. „Das mit dem Selbstmord war wirklich ernst gemeint“ und „ich habe einen Brief an die Öffentlichkeit geschrieben, weil ich in Österreich habe ich sehr viel erlebt und es war alles sehr schön…“ sind interessante Passagen.

„Österreich“, das, wie das profil am 15.10. schreibt, dauernd mit Vizekanzler Molterer (ÖVP) telefonierte, ist auch fast permanent im Kosovo bei Arigonas Vater und den Geschwistern. Es lässt die beiden jüngeren Geschwister, deren Rückkehr Arigona und ihre Medienbetreuer fordern, einen Brief an den „Herrn Minister“ schreiben. „Arigona läst jetzt ein politisches Erdbeben aus“, kommentiert Wolfgang Fellner. „Das gab es noch nie: Drei Kinder kämpfen gegen einen Minister“, und keines davon ohne Regie und Medienbetreuung…

6.10. Ceiberweiber-Artikel „Soll die Regierung über den Fall Arigona stürzen“:

„Am 6.10. fand eine Demonstration im oberösterreichischen Frankenburg statt, wo BewohnerInnen, KünstlerInnen, Menschen aus der Hauptstadt Linz die Rückkehr von Familie Zogaj und eine menschlichere Asylpolitik forderten. Alle Wut richtet sich auf Innenminister Günther Platter, der am selben Tag auch im ORF-„Mittagsjournal“ zu Gast war und geradezu stereotyp wiederholte, dass die Republik nicht erpressbar sein dürfe und dass er sich an Gesetze halten müsse. Er verwies auch darauf, dass in vielen Fällen sehr wohl Aufenthalt gewährt werde und lehnte weiterhin ab, die Kompetenz dafür vom Ministerium auf die Landeshauptleute übergehen zu lassen.“

Zum Video: „Allerdings muss man sich schon fragen, inwieweit die verzweifelte Arigona die Sache noch in der Hand hat und nicht in einer für sie nicht durchschaubaren Weise benutzt wird. Arigona betont auf dem Video, dass die Minister Platter nicht traue – soll er etwa zurücktreten? Das Zuspielen eines Videos setzt Wissen um die dadurch in Gang zu setzenden psychologischen Mechanismen bei der Bevölkerung voraus und auch die Wahl der Qualität der Darstellung, sofern sie nicht durch Zufall so unscharf wurde. Wer gibt einem Mädchen netterweise Unterschlupf und macht dann so ein Video von ihr, mit auch wiederholter Selbstmorddrohung, und spielt es den Medien zu?“

„PS am 7.10: Im Web meinen manche UserInnen, Arigona erpresse die Regierung ganz raffiniert und ausgekocht – Leute, das kann doch niemals in der genau kalkulierten Wirkung, der Emotionalisierung, positivem und verstärkendem Medienecho, Einsatz der Grünen etc. auf dem Mist einer 15jährigen gewachsen sein. Nicht mal dann, wenn sie bei einem Geheimdienst aufgewachsen wäre, wo Destabilisierungsstrategien in fremden Staaten zum Handwerk gehören…“

7.10. Ceiberweiber-Artikel „Der Minister und das Asylmädchen“, wo ausgeführt wird, dass die gezielte psychologisch ausgefeilte Gegenüberstellung zartes Mädchen – harter Minister auf eine Desinformationskampagne gegen die Bundesregierung schliessen lässt.

Ich bin gegenüber der Authentizität der Selbstmordbotschaften (im Sinne von: ganz und gar Arigonas freier Wille und Wunsch) sehr skeptisch und frage mich angesichts der Ankündigung in Medienkommentaren, Platter werde für einen Suizid des Mädchens verantwortlich gemacht werden, wie weit jene zu gehen bereit sind, die offenbar weiter im Hintergrund die Fäden ziehen.

Wie ich später erst erfuhr, nahmen die Grünen an, sie würden das Mädchen nach seiner Videobotschaft vom 5.10. durch den Misstrauensantrag gegen Platter schützen. Der Antrag auf Sondersitzung wurde ja zuerst eingebracht (4.10.) und dann nach dem Video mit einem Misstrauensantrag gedroht (Medienberichte 6.10.)

Ich schrieb u.a.: „Wer ist da so unsensibel, ein Mädchen so eine Botschaft auf Band sprechen zu lassen, die ja auch von ihrer Familie wahrgenommen wird? Hier ist das Wort Erpressung durchaus angebracht, wobei es natürlich absurd ist, Arigona berechnendes Kalkül zu unterstellen. Gingen die Selbstmorddrohungen überhaupt von Arigona aus? Vermutlich ist ihr gar nicht bewusst, was da mit ihr angestellt wird (dies nicht nur ihrer Jugend wegen, da man auch Erwachsene instrumentalisieren kann, ohne dass sie dies merken).

„Ohne die Erpressungssituation kann der Druck auf die Bundesregierung via Druck auf Minister Platter nicht aufrechterhalten werden. Es gipfelt in der perfiden Unterstellung, Minister Platter sei schuld, wenn sich Arigona etwas antue. „Schuld“ sind in erster Linie Personen, die eine Minderjährige beaufsichtigen und daher auch Aufsichtspflichten übernommen haben, die Arigona von der Erziehungsberechtigten, der Mutter fernhalten. Arigona wird zum Spielball, wird in ihren Bedürfnissen und ihrer Verfassung von jenen, die sie benutzen, mindestens so wenig geachtet wie Minister Platter nachgesagt wird, der im Übrigen mit ihr reden will.“

„Es wird auch, wenn man mehr dazu schreibt und immer wieder das Video und die Verstecker erwähnt, zunehmend schwierig, Worte zu verwenden, die nicht an Geiselnahme erinnern. Wie klingt es wohl, wenn ich schreibe: Die Geiselnehmer haben dem ORF am 5.10. ein Lebenszeichen von Arigona zukommen lassen, in dem die Geisel Bedingungen stellt, ansonsten sieht man sie nicht lebend wieder. ?! Faktum ist ja: wir wissen absolut nichts über die Verstecker – Arigona verschwand am 26.9. von der Bildfläche, war so cool, ihr Handy dazulassen, um nicht geortet zu werden; am 29.9. bekam ihre Mutter einen Brief von ihr, den wohl jemand eingeworfen hat, da es am Samstag keine Postzustellung gibt.

Behandeln wir es für den Moment mal wie bei einer Entführung, dann ist sofort klar, dass wir nur sehr wenig wissen. Also auch nicht, ob wir Verstecker, nette Menschen oder Geiselnehmer sagen sollen. Wir wissen, dass Arigona am 5.10. lebte, sie wurde mit einer aktuellen Zeitung aufgenommen (genauer: am 4.10. lebte sie, denn „Österreich“ bekam das Video an diesem Tag und die Zeitung ist auch im Bild zu sehen). Es sollte uns keineswegs beruhigen, dass manche Kommentare schon andeuten, Minister Platter werde Schuld an einem etwaigen Selbstmord gegeben.

Wie lauten die (wahren) Bedingungen? Rücktritt Platter, Auflösung des Nationalrates? Werden wir Arigona an einer Bushaltestelle entdecken mit ein paar Euros in der Tasche oder macht sie (oder wer immer?) ihre Drohung wahr? Was passiert, wenn am Tag der Sondersitzung und des Misstrauensantrags etwas passiert, oder am Tag davor, wo die Grünen zu einer Demo mobilisieren, die dem parlamentarischen Geschehen am nächsten Tag Rückenwind geben soll? Klar ist nur eines – wem die Schuld zugeschoben wird, auch wenn er nicht den mindesten Einfluss darauf hat…“

7.10. andere Medien berichteten z.B. derart (mehr Zitate in meinen anderen Artikeln zum Thema):

„Ein Mädchen pokert hoch“ (Titel des Kurier, 7.10.)

Das Mädchen versteckt sich, kommuniziert aber per Video mit dem Publikum. Diese professionelle Öffentlichkeitsarbeit setzt die Behörden unter Druck. (Christoph Kotanko, Kurier, 7.10.)

„Illegale Kinder weinen illegal. Und deshalb gehen ihre Tränen keinen etwas an.“, so der Titel der Kolumne von Uschi Fellner in „Österreich“ zum „eisernen Minister“. „Erpressung durch die Selbstmorddrohungen einer 15jährigen? Durch die Tränen von zwei Kindern, die zu ihrer Mutter wollen? Der Staat lässt sich nicht erpressen.
Wo kämen wir da hin.“

Es ist Gott Sei Dank in unserem demokratischen Österreich undenkbar, dass ein ‚Minister Gnadenlos‘ (der an DDR-Ungetüm Honecker erinnert) zwei heulende Kleinkinder – ohne Bett und Wasser – im Kosovo leiden lässt und den Selbstmord eines 15jährigen Mädchens riskiert, nur weil er „ums Prinzip“ die Kinder nicht zur Mutter lassen will.“ (Fellner, Österreich, 7.10. – das Selbstmord riskieren wird Fellner auch weiter strapazieren)

Das Flüchtlings-Mädchen bewegt ganz Österreich (Österreich 7.10., Titel)

Der ‚Krieg‘ Arigona gegen Platter macht einen ganzen Ort zur Festung der Solidarität (Österreich 7.10.)

„Schwarze Propaganda wirkt direkt manipulierend auf das Verhalten des Empfängers und der Erfolg hängt im Wesentlichen vom Vertrauen des Empfängers in die übermittelte Information und in die vermeintliche Quelle ab, da andernfalls der Empfänger das Spiel durchschauen könnte und damit dessen Instrumentalisierung nicht mehr möglich wäre. Die Botschaft muss aus diesem Grund speziell im Fall der schwarzen Propaganda exakt an das Publikum, d. h. an das soziale, kulturelle und politische Umfeld, angepasst werden, da andernfalls entweder Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Quelle oder Konflikte mit der Ideologie des Empfängers entstehen und das Verhalten eventuell in anderer Art und Weise als vom Sender intendiert beeinflusst wird.“ (Aus einem Skript der Uni Salzburg; ich dachte beim Fall Arigona gleich an Schwarze Propaganda)

7.10. ORF-Diskussion „Im Zentrum“ findet ohne VertreterIn der ÖVP statt, da der 2. Nationalratspräsident Michael Spindelegger zum Unterschied der 1. Präsidentin Barbara Prammer (SPÖ) nicht als Teilnehmer akzeptiert wurde. Anstelle der nicht verfügbaren Arigona war eine 15jährige Mazedonierin eingeladen, die jedoch wenig sagte und offensichtlich auch nicht viel von der weitestgehend in Fachbegriffen geführten Diskussion mitbekam.

Unfreiwillig veranschaulichte der ORF, was in etwa von einer 15jährigen an eigenständigen Einsichten und Haltungen zu erwarten ist. Moderator Peter Pelinka (Zeitschrift Format) beging einen sprachlichen Lapsus, indem er bemerkte, Arigona und ihre Mutter seien beide in psychologischer Behandlung, das Mädchen sei ja traumatisiert. Zu diesem Zeitpunkt war offiziell nicht bekannt, wo Arigona sich befindet und wie es ihr geht.

8.10. Medien steigern den Druck auf Minister Platter und die Bundesregierung, sind aber blind dafür, dass sie an einer Inszenierung teilhaben, wie ich in meinen Artikeln mit Beispielen wie diesem belege: „Doch Arigona ist nicht nur Symbolfigur für die Befürworter eines Bleiberechts. Sie ist mit ihrer offen gezeigten Verzweiflung für einige auch zur „Erpresserin“ geworden. Innenminister Günther Platter sagte, es sei der falsche Weg zu versuchen, den Rechtsstaat durch Drohungen „in die Knie“ zu zwingen. Platter räumte aber ein, dass ihn die Situation nicht kalt lasse. Eine 15-Jährige bietet ihm wohl auch nicht jeden Tag die Stirn. (Standard, Kopf des Tages, 8.10.2007 – wieder die Legende, dass Platter gesagt habe, er lasse sich nicht von einem Mädchen erpressen – er sagte, der STAAT lasse sich nicht erpressen, mit unbestimmten Urheber der Erpressung)

8.10. Ceiberweiber-Artikel „Der seltsame Fall Arigona und die Regierung“: „Sie ist zu einem Kunstprodukt geworden, bei dem fraglich ist, was ihre authentischen Wünsche sind. Welche Rolle spielen jene, die ihre Botschaften aufnehmen und verteilen? Beeinflussen sie den Inhalt? Sollte Arigona auf Video bekennen, dem Innenminister nicht zu vertrauen, damit sich „das ganze Land“, wie Fellner es wohl nennen würde, dem anschliessen kann? Sollte sie drohen, sich umzubringen? Wollte sie dies selbst sagen oder wurde ihr dazu geraten?“

„Arigona ist aber kein realer „Fall“ mehr, sondern eine schattenhafte, unsichtbare Person, mit der Geiselnahme zumindest der Politik veranstaltet wird. Sich dagegen zu wehren löst sofort den Reflex aus „ist das aber unmenschlich und herzlos zu sagen, man lasse sich nicht erpressen! wie kann ein Mädchen die Republik erpressen!“. Das MÄDCHEN sicher nicht – wohl aber jene, die sie benutzen und die sich hinter dem Bild Arigonas verbergen. Jede Reaktion auf jemanden, der vorgibt, ein armes ängstliches Mädchen zu sein, soll Stürme der Entrüstung auslösen. Wäre Arigona offizielle Geisel, dürfte der Innenminister mit vollem Recht verlangen, ein authentisches Lebenszeichen zu erhalten und mit ihr zumindest am Telefon zu sprechen. Es wäre dann auch erlaubt zu diskutieren, wie der Staat mit Forderungen umgehen soll. So aber muss erst das Bewusstsein dafür entstehen, dass man abseits der weinenden Kinder des Wolfgang Fellner ganz nüchtern den Fall Arigona mit einer Geiselnahme vergleichen kann und einige Parallelen entdeckt.“

8.10. Arigona ist bei Pfarrer Friedl, der nun als nächster zum Helden stilisiert wird. Tags darauf wird LH Pühringer mit ihr reden und dann Innenminister Platter informieren, der am 10.10., dem Tag der Sondersitzung, eine morgendliche Presseaussendung macht. Er zeige sich „hocherfreut, dass Arigona Zogaj wohlbehalten an einem sicheren Ort untergebracht ist: „Die Gesundheit der jungen Frau hat oberste Priorität.“….“n dieser sensiblen Situation ist es unser gemeinsames Anliegen jeden weiteren Druck auf die junge Frau zu vermeiden“….“Arigona Zogaj soll ihren Weg an die Öffentlichkeit und den für sie geeigneten Zeitpunkt selbst wählen. Bitte geben Sie ihr dazu die Gelegenheit.“

9.10. Kundgebung der Grünen mit Teilnahme von Prominenten, die auch von der Bühne reden, Motto von Parteichef van der Bellen „gegen die blaue Eiseskälte von Rot und Schwarz“. Nichtprominente RednerInnen, die für Organisationen wie die ÖH stehen, sind nicht erwünscht.

10.10. Sondersitzung, Grüne scheitern mit Misstrauensantrag, SPÖ fällt es sichtlich schwer, zum Koalitionspartner zu stehen. Seitens der Grünen reden trotz oder wegen Fernsehübertragung bis auf Van der Bellen nur Frauen. Für eine 3, Nationalratspräsidentin zeigt Eva Glawischnig wenig Contenance, sie nimmt ihren Kaiser Nero-Vergleich für Minister Platter nicht zurück und wirft dem Innenministerium die Verletzung des Privatlebens der Familie Zogaj vor, das es neben Informationen über das abgelehnte Asylverfahren, die auch bei einer Pressekonferenz am 7.10. gegeben wurden, auch Fotos ins Internet stellte, die zeigen, dass die Zogajs nicht inmitten von Ruinen in der Pampa leben müssen (wenngleich man dort kaum Arbeit findet).

11.10. In manchen Medienberichten und -Kommentaren wird Platter nicht mehr mit negativen Titulierungen überhäuft. Man versucht von der Frage abzulenken, wer Arigona zur Inszenierung gegen die Bundesregierung missbraucht hat. In der Zeit im Bild 2 wird Pfarrer Friedel von Moderator Armin Wolf gefragt, ob er nicht Angst hätte, nach § 115 Fremdenrecht ins Gefängnis zu müssen (Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt). Seit 10.10. 9:06 Uhr liegt die Presseaussendung des innenministeriums mit Platters Dank an Pfarrer Friedl vor.

11.10.: Ankündigung einer Pressekonferenz der Grünen für den nächsten Tag: PK Weinzinger – Keine Strafverfolgung für Dechant Friedl – Pressekonferenz von Brigid Weinzinger, Menschenrechtssprecherin der Grünen Thema: Nach Sondersitzung und Demo: Nächste Aktivitäten der Grünen Keine Strafverfolgung für Dechant Josef Friedl Zeit: Freitag, 12. Oktober 2007 – 10.30 Uhr

Medien sind die 4. Macht IM Staat, was eine sehr grosse Verantwortung ist, sie dürfen niemals wie in den letzten Tagen die 4. Macht GEGEN den Staat sein. Ich habe als einzige gleich geschrieben, dass der Fall Arigona eine Inszenierung gegen den Bundesregierung ist. Ich appelliere an euch alle, eurer Verantwortung bewusst zu sein, dass Medien die 4. Macht IM Staat und nicht GEGEN den Staat sind.
Alexandra Bader (sinngemäss) am 12.10. beim Journalistinnenkongrees,
Dankesworte für die Verleihung der Medienlöwin 2007

11.10.: Standard-Bericht, den ORF tags darauf in einer Stellungnahme dementiert: „Ins schiefe Licht gerät dabei vor allem der ORF, der nicht müde wurde, darauf hinzuweisen, das Band ‚exklusiv zugespielt‘ bekommen zu haben. Was nicht weiter schwer ist, wenn man der Auftraggeber ist. ‚Der ORF hat uns massiv unter Druck gesetzt‘, sagt der Video-Mittelsmann, der anonym bleiben möchte.“ ,,, „Man sei an ihn mit dem Wunsch herangetreten, man brauche ‚entweder Arigona oder ein Video‘ für die ORF-Sendung ‚Im Zentrum‘ zur Causa prima am vergangenen Sonntag.

‚Ich war davon nicht so recht überzeugt. Daraufhin hat man mich vor die Wahl gestellt: Entweder man bekomme ein Video oder man könne ‚nicht mehr so positiv berichten“, sagt die Kontaktperson. Kurz darauf habe der ORF per E-mail einen Fragenkatalog geschickt. Eineinhalb Tage später langte das Filmmaterial im ORF Landesstudio Oberösterreich ein. ‚Arigona wollte dieses Video nicht. Aber wir sind halt auf die Öffentlichkeit angewiesen‘, sagt der Informant. Im vorab aufgezeichneten ORF-Interview mit Pfarrer Josef Friedl, der Arigona derzeit betreut, hat dieser übrigens noch angemerkt, der Film sei ‚im Auftrag einer Fernsehanstalt entstanden‘. Im am Mittwochabend (10.10.) ausgestrahlten Interview fehlte dieser Satz.“

11.10. Die „Presse“ schreibt über die Art und Weise, wie der Pfarre zu dem Mädchen kam: „Telefonate und mehrere Kontaktaufnahmen folgten, ehe er in der Nacht auf Montag von einem Mann aus dem Kosovo in Ungenach abgeholt und mit dem Auto auf einen Parkplatz bei Wien dirigiert worden sei.“Es war unheimlich“, erinnert sich Friedl. Dann ging alles ganz schnell: „Arigona ist aus einem Auto ausgestiegen und mit ihrem Plastiksackerl zu meinem Wagen gekommen.“

Um 00.15 Uhr stieg das Mädchen zu ihm ins Auto und fuhr nach Ungenach. „Solange Du bei mir bist, wird Dir nichts passieren“, sicherte Friedl dem Mädchen zu. Zwischen den beiden entstand offenbar rasch eine Vertrauensbasis.Arigona sei an keinem Ort länger als 24 Stunden gewesen. Die Videobotschaft sei nicht ihre Idee gewesen. „Das wollte jemand anderer“, sagt Friedl, der nicht ausschließt, dass das Mädchen instrumentalisiert worden ist. „Sie wusste nicht mehr, wie sie aus der Situation herauskommt, sie war in Panik.“ Wann Arigona das erste Mal selbst an die Öffentlichkeit treten wird, weiß Friedl noch nicht. „Das wird sicher einmal möglich sein. Aber erst, wenn es ihr zumutbar ist.“

12.10. Wie einst Natascha Kampusch wird Arigona Zogaj ein paar Tage abgeschirmt, darf ihre Mutter erst dann wieder sehen. Pfarrer Friedl, dessen Augen nach Ansicht manch skeptischer BeobachterInnen vor Mediengeilheit glänzen (oder der sich auch in Artikeln sonnt, die ihn als Muster an Zivilcourage preisen, obwohl der einzige Akt, der eine solche erfordert wohl war, nachts mit Unbekannten unterwegs zu sein, um sich Arigona übergeben zu lassen), geleitet das Mädchen, dessen Blick nach innen gewandt ist, in den Raum, wo die Pressekonferenz stattfindet.

Bei der Pressekonferenz (die, leicht zu erraten, Österreich auf seiner Webseite als Video von einigen Minuten abrufbar hat) stellt zuerst der Pfarrer den Mädchen Fragen, dann dürfen Journalisten ihre Rolle spielen, wobei aber nicht alles beantwortet wird. Arigona spricht flüssig im Dialekt, wenn es um Bereiche geht, wo sie authentisch erzählen kann, und wirkt dort formelhaft, wo sie offenbar gebrieft wurde. Sie habe sich nicht vorgenommen zu flüchten, sie sei angerufen worden, dass Polizei beim Haus der Eltern sei, sie habe zuerst gedacht, es habe etwas mit ihren Brüdern zu tun.

Zuerst war sie in OÖ unterwegs, sei von Ort zu Ort geflüchtet, dann las sie in der Zeitung, dass sie in ganz OÖ gesucht wurde, und so stieg sie in den Zug und fuhr nach Wien, um dort unterzutauchen. Der Pfarrer leitet sie suggestiv durch das Interview und geht über die Frage nach den Helfern der medialen Inszenierung immer wieder hinweg. Von ihm erfahren wir, dass sie ihrer Mutter am 30.9. (Sonntag) einen Brief geschickt habe, dass sie sich der Polizei nicht mehr lebend stellen werde.

Das Video „das du geschickt hast“, sei ein Lebenszeichen besonders an die Mutter gewesen, eine Selbstmorddrohung als Lebenszeichen also. Die seltsame Mail an Österreich, die zwischen Brief und Video auftauchte und wo nicht mit Selbstmord gedroht wurde, wird nicht nur vom Pfarrer, sondern auch von den Medien elegant übergangen. Sie sei dann, erzählt ihr der Pfarrer, „in Wien herumgeirrt“ und wusste, wer sie aufnimmt, „wird gestraft“. „Dann machen wir einen Sprung, ist ja nix passiert.“ Arigona darf auch selbst etwas zu sich sagen, etwa, dass sie nicht zurück in den Kosovo will, „weil….weil….weil i ka Zukunft siach fia mi und fia mei Familie unten.“ (weil ich keine Zukunft für mich und meine Familie unten sehe)

Sie spreche kaum albanisch, sagt Arigona, was die Frage aufwirft, wie sie mit ihrer Mutter kommuniziert haben will, die kaum Deutsch spricht. Arigona war immerhin bis zu ihrem 10. Lebensjahr im Kosovo und musste schon von daher perfekt Albanisch können. Freilich wird das fiktive Sprachproblem auch deswegen betont, weil man so „nachweisen“ kann, dass Österreich ihre wahre Heimat ist. Vor allem aber zeigt es erneut, wie fraglich es ist, dass Aussagen Arigonas mit besonderer psychologischer Wirkung auf die Massen und damit indirekt auf die Innenpolitik auch nur annähernd authentisch sind.

Soweit ich es mitgekriegt habe, war ihr Brief an die Mutter auf Deutsch (wenn er Albanisch war, fragt sich, wie ein Mädchen, das nach eigenen Angaben diese Sprache kaum beherrscht, in ihr einen Brief verfassen kann). Möglicherweise haben KollegInnen in den Medien nachgefragt, als die Story von der eigenständig in Wien herumirrenden Arigona kam, die keine 24 Stunden am selben Ort blieb, und wurden vom Pfarrer abgeblockt. Tatsache ist, dass gerade ein Mädchen, das sehr an seine Familie gebunden ist und das in einer siebenköpfigen Familie lebt, die finanziell keine grossen Sprünge machen kann, wohl kaum viel Erfahrung im allein unterwegs sein haben wird.

Ich hatte derlei Erfahrung als Kind in Städten wie Oslo oder Bremen, mit Zug- und Flugreisen etc., aber ich hätte ganz sicher niemals gewusst, wie ich eine Flucht vor der Polizei und von Unterschlupf zu Unterschlupf alleine auf die Reihe kriegen sollte – ich hatte immer den sicheren Anknüpfungspunkt von Verwandten, die mich viel allein unternehmen liessen, und sehr wichtig war mir, mich nicht zu verirren, also ganz simpel wieder zurückzufinden zu einem Ausgangspunkt. In Wien war ich erstmals länger mit 15 und weiss noch gut, dass wir bei der Wienwoche immer zusammenblieben und erst nach Tagen eine halbwegse Orientierung hatten, etwa wussten, wie wir zur Mensa beim Modenapark zum Mittagesssen kamen.

12.10.: „Österreich“ nimmt Stellung zum Telefon-Interview mit Arigona in der Ausgabe vom 11.10.: Es seien „Neidgenossen“, die dies kritisieren (falsch, Herr Fellner – es gibt auch in diesem Land Journalisten, die meinen, Aufgabe von Medien sei Kontrolle, aber nicht Umsturz) und die Pfarrer Friedl von den frühen Morgenstunden an mit Fragen bombardierten, wieso „Österreich“ ein Interview bekommen habe und sie nicht.

Es sei so gewesen, dass ein „Österreich“-Reporter, der die ganze Zeit bei Vater Zogaj im Kosovo sei (na, Fellner ist der Kampf gegen die Regierung aber einiges wert!), Pfarrer Friedl anrief und ihn bat, die kleinen Geschwister über sein Handy mit Arigona sprechen zu lassen. Dann stellte er Arigona ein paar Fragen und liess die Antworten später sowohl von ihr selbst als auch von ihrem Vater autorisieren. Seltsamerweise haben offenbar die älteren Geschwister Arigona so gar nichts mitzuteilen und wandten sich auch nicht via „Österreich“ vorher mal an den Innenminister. Aber die sind dem „herzigen“ Alter halt auch schon entwachsen.

13.10. Andreas Unterberger schreibt in der Wiener Zeitung, dass der ORF mit mindestens 3 Kontaktpersonen in Sachen Arigona-PR zu tun hatte und so als „zynischer Mittäter“ erscheine.

Screenshot orf.at

14.10. Kurier, Kommentar Peter Rabl: „Dass der Fall Arigona eine perfekte Inszenierung ist, kann niemand ernsthaft bezweifeln.“ (Vor der Sondersitzung gab es nur in einem einzigen Medium offen artikulierte Zweifel bzw. die Feststellung, dass es sich um eine Kampagne handelt, seit dem 6.10. bei uns)

Der Kurier schreibt auch: „Der Auftritt von Arigona vor den Medien am Freitag sollte den Wissensdurst der Öffentlichkeit stillen, erreicht wurde das Gegenteil. Die Liste offener Fragen ist länger, die Antworten fallen immer kryptischer aus.“ Die Leute haben offenbar immer wieder Lust auf eine „rührselige Familien-Saga“. Pfarrer Friedl wird mit der Aussage zitiert, dass Arigona jetzt Ruhe brauche, denn „zumindest bis Montag sind keine Fernsehauftritte mäöglich.“ Illustriert werden Artikel mit Konterfeis Arigonas entweder mit Rehaugen oder mit einer Had am offenbar tränenden Auge – neben einer zarten 15jährigen hat ein harter 51jähriger (Innenminister) wenig Chancen.

Friedl ist rundum Experte und Betreuer, was wiederum an den Fall Natascha Kampusch erinnert: nun sei der Zeitpunkt für „professionelle psychologische Hilfe“ gekommen, was offenbar unmittelbar nach einer Odysee durch Oberösterreich und Wien nicht der Fall war. „Für mich zählen nur die Menschlichkeit und die Hilfe, die ich Arigona und ihrer Famile zukommen lassen kann“, versichert der Pfarrer, der stets von der Frage nach den Urhebern der Arigona-Inszenierung ablenkt.

Was haben wir in den letzten zwei Wochen in Österreich erlebt?

Das glückliche Zusammentreffen von verschwundenem Mädchen, das sich medial gut ausschlachten lässt, von Bereitschaft dazu in allen großen Medien einschliesslich Kronen Zeitung, mit dem Erwachen der Grünen, die sich mit allen Mitteln und auf allen Ebenen für Arigona und für ein Kippen des Fremdenrechts einsetzen?

Endlich Rückenwind für oft als „Gutmenschen“ bezeichnete ÖsterreicherInnen, die anderen helfen wollen und die seit Jahren gegen ein aus ihrer Sicht unmenschliches Fremdenrecht kämpfen, die bislang aber bei weitem nicht jene Medienaufmerksamkeit hatten, wie wünschenswert ist?

Einen Schulterschluss zwischen Grünen, NGOs, Prominenten für ein anderes Österreich, ein „menschliches“, wie es Van der Bellen nennt, um ungeliebte Gesetzgebung zu kippen und, wenn die Regierung auf solchen Gesetzen beharrt, auch eine Regierung, die beim Fremdenrecht (und nicht nur dort) als Erbe von schwarzblau betrachtet wird?

Ein ohnehin auch bisher unglücklich agierender Innenminister, der schon mehrfach verbal deutlich gemacht hat, dass er wenig von liberalerem Fremdenrecht hält, muss nun erkennen, dass Schicksale keine Zahlen in Berichten sind, sondern ein („sehr liebenswertes“, wie Fellner sagt) Gesicht haben?

Oder lief dieses Szenario ab:

Die erste und einzige selbständige Handlung Arigonas war es, nicht zum Haus ihrer Eltern zu gehen, nachdem sie gewarnt wurde. Danach wurde sie mehr und mehr instrumentalisiert gegen Minister Platter stellvertretend für die Bundesregierung. Konstruierte Botschaften suggierten, Minister Platter und die Bundesregierung würden ein Mädchen in den Selbstmord treiben, über dessen Verbleib und Befinden Medien eher noch Bescheid wussten als die unter Druck gesetzte Bundesregierung.

Fingierte Selbstmorddrohungen – die in einer Botschaft ja bekanntlich vergessen wurden – führten zu einer fingierten Verantwortlichkeit des Ministers und der Bundesregierung für einen eventuell erfolgenden fingierten Selbstmord. Gerade der Versuch der Grünen, das Mädchen mittels Misstrauensantrag gegen Platter vor dem Innenminister zu schützen, hätte, wenn die Kräfte hinter dieser Eskalation weiter gegangen wären, für Arigona fatale Folgen haben können. Zu den Missbrauchten in dieser entsetzlichen Causa gehören also auch viele gutwillige Grüne. Eine Konsequenz der Inszenierung waren auch die Selbstmordversuche zweier junger Asylwerber in OÖ und in Graz, die beide zum Glück überlebten, aber vielleicht ohne den Arigona-Hype nie auf so eine Idee gekommen wären.

Die Hintermänner dieser Strategie kann man eventuell über eine Befragung jener eruieren, die Arigona betreuten und ihre Botschaften inszenierten. Genau deshalb wird auch so getan, als seien es Menschen, die aus Mitmenschlichkeit und Zivilcourage das Mädchen versteckten, und als sei der Staat neuerlich hart und gnadenlos, wenn er sie ausfindig macht. Das Ablenkungsmanöver inkludiert auch Unterstellungen an Platter, er wolle gegen den Pfarrer ermitteln lassen, obwohl er sich bei diesem sofort bedankt hat. Freilich ist die Rolle des Pfarrers zunehmend dubios, da er beim Ablenkungsmanöver so eifrig mithilft, um sich als Mann von Zivilcourage feiern zu lassen, der sogar in den Knast ginge, und da er Fragen nach den Betreuern Arigonas abblockt.

Konsequenzen für die Politik

Über die Rolle von Medien, die 4. Macht IM Staat und nicht GEGEN den Staat sein müssen, darf keinesfalls so einfach hinweggegangen werden. Nur wenige, meist kleinere Medien beteiligten sich nicht an der Inszenierung, sondern berichteten iieber über wenig spektakuläre „Fälle“ oder gingen die Frage einer fälligen Reform des Fremdenrechts sachlich an. Ausser mir schrieb niemand rechtzeitig, dass hier eine Inszenierung stattfindet, die sich gegen eine demokratisch legitimierte Bundesregierung richtet, die keine Gesetze bricht, wenngleich man zu Entscheidungen kritisch stehen kann. Offenbar war auch das Krisenmanagement der Regierung zu schwach um zu erkennen, dass hier ein Angriff auf die gesamte Bundesregierung stattfindet, bei dem „positive“ Gefühle der Bevölkerung, aber auch von PolitikerInnen in den Parteien manipuliert werden.

Da man diese Schwäche nicht binnen kurzer Zeit beheben kann, wird die nächste Attacke wohl kaum auf sich warten lassen – zumal man ja auch nicht bereit ist, die Arigona-Inszenierung zu untersuchen. Im Moment scheinen die „feindlichen Kräfte“ auf Zermürbung zu setzen, deren Ziel aber immer noch Innenminister Platter ist und ebenso die Kritik gerade innerhalb der SPÖ am geltenden Fremdenrecht. Kein anderes Thema ergibt bei Umfragen ein exakt geteiltes Östereich – wenn die Regierung liberalere oder strengere Gesetze macht, wird sie immer Mobilisierung verschiedener Lager gegen sich haben. Wenn man also eine schwache Regierung haben und destabilisieren will, setzt man hier an. Und solange Medien zuerst mitspielen und dann, wenn es zu spät ist, Inszenierungen erkennen, an denen sie beteiligt waren. ist die Regierung verwundbar. Ebenso, wenn sie Konflikte nicht intern löst, statt nur konstruktive Auseinandersetzungen öffentlich zu führen.

Alexandra Bader

Umsturz gescheitert (10./11.10.)
Der seltsame „Fall Arigona“ und die Regierung (8.10.)
Der Minister und das „Asylmädchen“ (7.10.)
Soll die Regierung über den „Fall Arigona“ stürzen? (6.10.)

PS: Ich wurde abgelenkt und habe den Fall Arigona erst am 5.10. wahrgenommen – beinahe zu spät. Am 1.10. diffamierte mich ujnd die Ceiberweiber ein seltsamer Online-Stalker, bei dem nicht nur ich mich frage, ob es sich um den Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes handelt, mit ungeheuren Lügen bei Fördergebern. Ich recherchiere zu dieser nur als Name greifbaren Person neuerlich, da es die ersten Belästigungen gab, nach dem ich über Terrorverhaftungen schrieb und auf Parallelen nach Deutschland hinwies. Das Büro von Minister Platter reagiert auf Bitte um Hilfe nicht, trotz oder vielleicht gerade weil ich auf den möglichen nachrichtendienstlichen Hintergrund hinweise. Ein Schweizer analysierte die Logfiles des Phantoms und tippt auf den deutschen BND.

Das Phantom hielt sich zurück, nachdem ich selbst (noch vor den hilfreichen Recherchen anderer) an den BND mailte, ob sie die „Person “ kennen und ob sie was mit ihnen zu tun hat. Zuvor wollte es noch süffisant in seinem Blog wissen, ob ich auch was zum angeblichen Terroranschlag auf die US-Botschaft in Wien am 1.10. schreibe, der jedoch schlicht eine seltsame Aktion eines von wem auch immer instruierten psychisch Gestörten ist, sodass es dazu nicht viel zu sagen gibt. Unsere Medien berichtweten da auch unüblich unaufgeregt, verglichen mit dem Hype um „Al Qaida in Österreich“. Zwei Ablenkungsmanöver und eine Blockade im BMI, die mich gegen den Innenminister aufbringen soll? Ich intereressierte mich dann umso mehr für den Fall Arigona, den ich rasch durchschaute…

Quelle:
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=701

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