Frankfurt: Die Lokführer marschieren, und die Sympathien der Deutschen sind mit ihnen. Allein gegen die Mafia, gegen die Bundesregierung von Angela Merkel und den von ihr eingesetzten Chef des staatlichen Konzerns DB AG, Hartmut Mehdorn, gegen die scheinbar unbesiegbare Macht des Kapitals solcher hohen Herren wie Jürgen Thumann (Präsident des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie“, BDI) und Ludwig Georg Braun (Präsident des „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“, DIHK) sind die Lokführer und ihre Gewerkschaft GDL dabei, einen fairen, gerechten und eigenständigen Tarifvertrag zu erzwingen.STREIKS IN FRANKREICH UND DEUTSCHLAND: VERRAT DURCH „LINKE“, „SOZIALDEMOKRATEN“ UND SCHEIN-„GEWERKSCHAFTEN“
Der erneute Streik im Güterverkehr in Deutschland hat heute um 12 Uhr begonnen. Ab morgen 2 Uhr kommt der Personenverkehr hinzu, der Streik dauert bis zum Samstag Morgen 2.00.
Er trifft zusammen mit einem UNBEFRISTETEN landesweiten Streik in Frankreich gegen die „Rentenreform“ von Präsident Nicolas Sarkozy. Diesen hatten Eisenbahner in Frankreich am Dienstag begonnen, Mitarbeiter im Pariser Nahverkehr sowie der Gas- und Stromversorger GdF und EdF schlossen sich am Mittwoch an. (4)
Es ist durch die Streikenden geplant, nicht überall im Land das Licht ausgehen zu lassen. Nur „bestimmten Gebäude“ werden man den Saft abdrehen.
Ob darunter auch Regierungsgebäude sind, wurde zur Stunde noch nicht bekannt.
Wie schon bei der ersten Streikwelle Mitte Oktober in Frankreich versuchen Kommunisten und Sozialisten die Arbeiter möglichst heimtückisch und besonders verlogen zu verraten und zu verkaufen. Der rechte Premierminister Fillon gab sich in einem Interview „zufrieden“ über den „versöhnlichen“ Ton der kommunistischen Gewerkschaft CGT, die bisher auf Verhandlungen mit dem Staat bestanden hat.
Herrlich wie sich auch die „Süddeutsche“ heute auf die Handbremse des Proletariats setzte:
„Bernard Thibault, Führer der mächtigsten Gewerkschaft CGT, hatte noch, bevor der Streik richtig begann, ein Gesprächsangebot vorgetragen, das von der Regierung nicht abgelehnt wurde.“ (5)
Auch Mitte Oktober hatten die kleinen, unabhängigen und deshalb kampfstarken Gewerkschaften SUD-RAIL und FO den Verkehr in Paris teilweise lahmgelegt, während die Funktionäre der kommunistischen CGT sowie der FGAAC Deals und Stillhalteabkommen mit der Regierung abschlossen.
In Deutschland hatten SPD und DGB alles versucht, den Streik der Lokführer zu verhindern. „Die Linke“ hatte geschwiegen. (6)
LOGIK DER „WIRTSCHAFT“: LÖHNE RUNTER, PROFIT RAUF
Derweil weinen die Krokodile der deutschen Kapitalisten: „Zigtausenden Beschäftigten droht Kurzarbeit, weil der Nachschub fehlt“, so DIHK-Boss Braun. „Ein Streik einer kleinen Berufsgruppe von dieser Dauer ist verantwortungslos, selbst wenn er über das Streikrecht gedeckt wird“, so BDI-Chef Thumann.(1)
Warum die hohen Herren samt Mehdorn den Lokführern nicht einfach den eigenständigen Tarifvertrag geben, das steht in den Sternen oder im Internet.
Seit 1994 sanken die Löhne des Fahrpersonals um fast 10%. http://gdl.de/
Um wieviele Aberwitzmilliarden mehr sich seit damals Manager, Berater- und Quatschkolonnen der „Wirtschaftswissenschaftsinstitute“ und Chefs der global agierenden Konzerne der „deutschen Wirtschaft“ die Taschen vollstopften – weiss der Hundt.
Der durchschnittliche Nettolohn von Lokomotivführern beträgt 1500 Euro im Monat, der von Zugbegleitern 1400 Euro. Die Gemeinheit des Konzerns, sowie seine Heuchelei angesichts solcher Hungerlöhne für Menschen, die tagtäglich Zigtausende ihrer Mitbürger und Mitbürgerinnen sicher über die Strecken bringen, wendet sich nun gegen den Konzern selbst.
„Er denkt eben, Lok fahren ist das gleiche wie Schubkarre fahren“ so der GDL-Vorsitzende Manfred Schell gestern in der Versammlung der GDL Frankfurt in Darmstadt-Arheiligen Richtung Bahnvorstand.
Dieser setze Krokodilstränen auf und behaupte, dass der Streik Millionenschäden verursacht habe, Arbeitsplatze gefährde und die Volkswirtschaft nachhaltig beeinträchtige. Dabei sei es der Bahnvorstand, der durch Angebotsverweigerung die Tarifeinigung unmöglich mache.
„Aktionäre wollen das eingesetzte Kapital hoch verzinsen, wie könnte es auch anders sein?“ so Schell zum Verkauf der deutschen Eisenbahn an der Börse. Die Bürger müssten nun mit Streckenstillegungen rechnen – und zwar nicht nur der Strecken, die sich nicht im herkömmlichen Sinne rechnen, sondern auch diejenigen, die nicht mindestens zehn Prozent Rendite abwerfen.
TRANSNET UND GDBA: HILFLOSES GESCHWÄTZ
Die Hausgewerkschaft der staatlichen DB AG, die Transnet unter ihrem Vorsitzenden Norbert Hansen (gleichzeitig Vorstandsmitglied des Bahnkonzerns), plusterte sich heute vor der DB AG-Vorstandssitzung am Donnerstag noch ein wenig auf. Man wolle dies und das, werde sich aber nochmal alles durch den Kopf gehen lassen. (2)
Hintergrund ist die Zerschlagung der deutschen Eisenbahn in lukrative Einzelteile bei maximaler Profitmaximierung während ihres Verschacherns an der Börse: die sogenannte „Bahn-Privatisierung“.
Entgegen allen SPD-Parteitagsbeschlüssen (geschweige denn unterdrückten Anträgen, 3) plant Finanzminister Peer Steinbrück Netz und Betrieb unter dem Dach einer Holding zu trennen und „privaten Investoren“ – also skrupellosen, globalen Kapitalisten – den „Einstieg“ in die Betriebssparte zu ermöglichen.
Derzeit gilt aber für rund 130 000 nicht verbeamtete Beschäftigte der insgesamt rund 230.000 Mitarbeiter der Deutschen Bahn bis 2010 ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag. Der würde damit elegant beseitigt.
130.000 Menschen könnten so durch die hohen Herren „eingespart“ werden.
Hansen und die Transnet gehen davon aus, morgen während der Vorstandssitzung des Konzerns diesen genialen Plan auf den Tisch geknallt zu bekommen. Unternehmen wollen sie – jedenfalls z.Z. – nichts dagegen.
MERKEL, MÜNTE, MEHDORN: PROFITIEREN SEIT´ AN SEIT´
Der Bahn-Streik habe ohne Frage volkswirtschaftliche Folgen und sei eine „Belastung für die positive konjunkturelle Entwicklung“, so der Vize-Sprecher der Bundesregierung, Thomas Steg. Der Streik könne „noch weit schlimmere Folgen“ haben, je länger er dauere und das Land „lahmlege“. Die Bahn habe genau wie die GDL eine ökonomische Verantwortung, so Steg.
Es ist schon makaber, wenn eine Bundesregierung nichts anderes hinbekommt, ausser die eigene Bevölkerung zu bespitzeln, Flotten vor dem Libanon und Syrien zu parken und die eigene Luftwaffe in Afghanistan bomben zu lassen. Wenn sie dann aber – wo die Lage der Republik angesichts eines ganz normalen Streiks ja schon so furchtbar ist – nur einen VIZE-SPRECHER vor die Mikros schickt, weil sie angesichts der ganzen Affären in die verstrickt ist schon gar keine Zeit mehr hat, dann wirkt das nur noch peinlich.
Übrigens: Konjunktur entsteht durch Umsatz. Umsatz wird von Leuten gemacht, die ihr Geld ausgeben. Ausgeben tun ihr Geld aber nur Leute, die wenig (oder nichts) davon haben.
Reiche geben ihr Geld nicht aus. Deswegen nennt man sie ja auch Reiche, weil sie Leute sind, die mehr Geld haben als sie ausgeben wollen. Reiche deswegen „verrückt“ oder „pervers“ zu nennen, wäre nicht übertrieben, dennoch sind Reiche und Reichtum derzeit immer noch legal, also was soll´s.
Konkret: Niedriglöhne anzuheben hat einen sofortigen, beweissbaren, nach aller Logik der Marktwirtschaft positiven Effekt auf die Konjunktur. Genau den will die Bundesregierung NICHT, sondern das weitere Ansteigen des sinnlosen Geldreichtums auf den Konten der Reichen.
Wenn man also keine Ahnung vom eigenen Wirtschaftssystem hat, sollte man einfach nur die Klappe halten. Aber hier auch noch wie Merkel, Münte und die ganze Bundesregierung den Lauten zu machen und es wagen der Republik einen solchen Scheiss zu erzählen, das geht zu weit.
VON ARBEITERN UND BESENSCHWINGERN
„Wir werden einen eigenständigen Tarifvertrag bekommen und er wird sich von dem der anderen Gewerkschaften unterscheiden“, versprach Schell gestern unter tosendem Applaus von rund 200 Delegierten und Gästen vor der GDL Frankfurt. Jede Berufsgruppe trage Verantwortung. Das habe Personalvorstand Margret Suckale richtig erkannt. „Es ist aber sehr wohl ein Unterschied, ob einer den Besen schwingt oder ob er vorne auf der Lok sitzt“, erklärte der GDL-Bundesvorsitzende.
Das stimmt. Aber man kann sich bestimmt einigen.
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Quellen:
(1)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,517395,00.html
(2)
http://www.focus.de/finanzen/news/bahnprivatisierung_aid_139171.html
(3)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=1125&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=10
(4)
http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2007-11-14T075531Z_01_HAG428521_RTRDEOC_0_FRANKREICH-STREIK.xml
(5)
http://www.sueddeutsche.de/,ra3m1/wirtschaft/artikel/214/142898/
(6)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=1103&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=10