Nürnberg: Claudia Roth ist eine Strategin. Was macht eine Strategin aus? Sie übersieht die unterschiedlichen Zeitlinien und ihre Entwicklung, kann diese zu einem Bild am Horizont verknüpfen, kalkuliert die aktiven und aktivierbaren Potentiale die in diese Richtung drängen oder drängen könnten, wägt ab, vermittelt, pendelt aus, zielt dann exakt auf dieses Bild und gibt den Startschuss.
Claudia Roth hat heute genau das getan und dafür die alte, immer noch standhafte Schutz- und Trutzburg Grundgesetz als Basislager genutzt. Sie legt damit den Grundstein für eine mögliche 20%-Partei mit mehr Chancen nach vorne, links und oben.„Die Große Koalition ist der Totengräber unserer lebendigen Demokratie und deshalb braucht es Widerstand“, so Roth in ihrer fulminanten Rede auf dem Grünen-Parteitag (1). Innenminister Schäuble und die Kanzlerin Merkel, so die Grünen-Vorsitzende, wollten über die Gewalt der Exekutive die Republik umbauen „in einen präventiven Überwachungsstaat, in dem die Sicherheit über allem steht“. Immer mehr werde „jeder verdächtigt, der in diesem Land lebt“.
Im Zuge der bereits laufenden Spionagemassnahmen im Rahmen der sogenannten „Online-Durchsuchung“ schließlich werde „der Verfassungsbruch zum Regelfall“. Schliesslich benennt Roth dann die Bündnisgrünen als die Partei, die die Bürgerrechte verteidigt und den Rechtsstaat schützt.
Sie zieht die Grünen damit in die seit Jahrzehnten existierende 20%-Lücke der parteipolitischen Landschaft.
WARUM „DIE LINKE“ ES NICHT SEIN KANN
Die ex-SED „die Linke“ hatte bei ihrer feindlichen Übernahme der WASG – im Zuge einer offenbar zwischen DGB-Gewerkschaften, Gysi und Lafontaine abgesprochenen Intrige schon vor der Gründung der „Wahlalternative“ (2) – genau dieses Potential im Blickfeld. Woraus es sich zusammensetzt, haben die Altkader aus Gewerkschafts- und Apparatlinken in Ost und West nie begriffen. Worauf es abzielt ebenfalls nicht. Die überholte marxistische Definition des Sozialismus – nach der eine Software, Musik, dieser Artikel, Filme, Ideen und Erfindungen und Informationen für Millionen Menschen per Definition des sogenannten „Mehrwert“ nichts wert sind, es sei denn, man macht sie zu Kapital und damit zu Profit, der verteilt werden kann – gilt für Industrieprodukte, für klassische Dienstleistungen und den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, welche das überhaupt erst Kapital erzeugt. Aber diese Defintion hat entscheidende Lücken.
DER KREATIVE MEHRWERT UND DIE KREATIVE KLASSE
Was die selbsternannte Linke nie, zu keinem Zeitpunkt begriffen hat, ist die Veränderung der Produktionsmittel und die lückenhafte Definition des Mehrwertes. Auf Computern entstehen Programme, die ein Programmierer alleine entwickeln kann. Ebenso enstehen in der digitalen Medienwelt wunderbare Filme, Grafiken, Musik und Zeitungen *blinzel*, die nach konservativ-sozialistischer Definition schlicht einen Dreck wert sind, weil sie durch kapitalistische Monopole auch gegen minderwertige Produkte der Grossindustrie einfach keine Chance auf faire Zugangs-, Vertriebs- und Wettbewerbsmöglichkeiten erhalten. Es ist wie beim Pokern. Wer ein schechtes Blatt, aber jede Menge Moos hat, erhöht über den „Werbemarkt“ und Bestechungsgelder mittels Anzeigen einfach ständig den Einsatz, bis der Andere mit dem Produkt einfach nicht mehr mithalten kann.
Aber wenn es dann doch etwas zu verdienen gibt, erst dann kommen die „Kommunisten“, „Sozialisten“ und „Gewerkschaftler“ der marxistischen Linken angewackelt und wollen einen „vertreten“ und vor der kapitalistischen Ausbeutung schützen, der sie bis dahin einfach tatenlos zugesehen haben. Letztlich beteiligen sie sich nur daran, indem sie dem Proletariat noch zusätzlich Wegzoll und Anteile abpressen und dafür dumm rumlabern.
DER KAPITALISMUS, DER TORWART UND DIE DEMOKRATIE
Der Kapitalismus gibt sich als Fussballspiel, in dem es keine Regeln gibt, der Polit-Schiedsrichter (wenn er mal da ist) diese während des Spiels beliebig verändern kann, ständig noch Pegel vom Bordell-Ball-Messebesuch letzte Nacht hat und ausserdem von der einen Mannschaft bestochen und darauf stolz ist. Diese Mannschaft darf dann auch mit 50 Mann und Stahlnoppen auf den Platz und den Ball mit den Händen ins Tor tragen, während sie von den Medienrängen dafür stürmisch gefeiert wird und der immer wütender werdende Zuschauer zuhause auf den billigen Plätzen mit nicht endenwollendem Erklärungsgeschawafel zugetextet wird, dass das schon alles seine Richtigkeit habe.
Währendessen ist der gegnerische Torhüter am Pfosten festgebunden und flucht sich die Seele aus dem Leib, und wird trotzdem wegen Foulspiel vom Platz gestellt, während 50 dicke Schlipsträger drüben mit Sekt auf das gerade „geschossene“ Tor anstossen. Gleichzeitig sieht man dann – während man von 5 Ordner in die Kabine gezerrt wird – wie die eigene Mannschaft leise vor sich hinwimmert und greint, „ich-weiss-doch-auch-nich-was-soll-ich-bloss-machen“. Ein Tor schiessen? Gewinnen? Ach das ist doch faschistisch..
LIEBE KUNST SOZIALISMUS
Die Menschenrechte, Bürgerrechte, die Freiheit und Demokratie haben die marxistische Linke – mal ehrlich – noch nie interessiert. Letzen Endes auch der Sozialismus nicht. Es ging immer und ausschliesslich um die Macht, die Exekutivmacht, um dann am Sanktnimmerleinstag von oben die marxistische Version der sozialistischen Wirtschaftsordnung durchzusetzen, denn dann würde alles gut.
Das Gute aber, und dazu gehört auch die sozialistische Utopie, kann man nicht zwingen. Wie um die Liebe muss man um sie werben. Das Herz eines Menschen ist sein grösstes Potential, und dieses Potential liegt hier brach in diesem Land, es wird weggeredet, es wird bespuckt, es wird verteufelt und in den Dreck gezogen. Wo das Herz in die Politik kommt, kommen die kaltschnäuzigen Heuchler und Verräter, die Lügner und Profiteure, die Ducker und Wegducker an um es kalt zu machen, eisig kalt. Das Mitleid, die Fähigkeit des Mitgefühls, der unendlich mächtige Trieb der Neugier nach dem Wissen, nach der Zukunft und der Wahrheit soll bestialisch mutiert, zermetzelt und unterdrückt werden. Ein Krümmling, ein funktionierender, seelischer Krüppel – das soll herauskommen in dieser schönen neuen Welt des Krieges, und das Einzige was uns davor schützt, das sind keine Bewaffneten, das sind keine Soldaten, das ist keine Partei, kein Konzern, kein Agent und kein Geschwätz – das ist die Verfassung. Nur sie trennt uns vom Abgrund der New World Order aus Geheimbünden, Logen und globalen Eliten.
Claudia Roth hat nicht nur sich heute einen Gefallen getan. Sie hat auch der Republik und ihrer Schutzmacht Grundgesetz einen Gefallen getan.
Er wird sich für alle Beteiligten auszahlen.
weitere Artikel:
26.03.07
WASG,PDS: warum „die Linke“ keine Zukunft hat..
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=371&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=3
16.10.07
Definitionen aus der Unterschicht
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=151&JAHR_AKTUELL=2006&MON_AKTUELL=10
18.09.07
ganz ruhig…(Perspektiven einer alten Welt)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=139&JAHR_AKTUELL=2006&MON_AKTUELL=9
Quelle:
(1)
http://www.tagesschau.de/inland/gruene58.html
(2)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=371&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=3