Bremen: Schon allein der Titel des neuen Forums birgt das übliche Minenfeld im Niemandsland zwischen sozialistischen Ansprüchen und linkem Establishment. In Bremen hat das „Zensurfreie Linke Forum“ eröffnet und eine Riesengeschichte steht dahinter, und ich will nur versuchen sie aus meinem Blickwinkel ein wenig zu umreissen. Bitte, liebe Leser – bringen Sie jetzt 5 Minuten Geduld mit. Das Thema ist schlimm, es ist grauenvoll, es ist nervenzerreissend, schröcklich und eigentlich total überflüssig:
Das Thema heisst:
„Die Linke.“
Seit Mai dieses Jahres gibt es in Bremen mit 8.4% die erste westdeutsche Fraktion der Partei „Die Linke“ in einem Landesparlament.
Dazu muss man wissen, dass die Partei „Die Linke“ eigentlich die PDS ist, welche aus der SED hervorging, und im Frühjahr 2005 mit bundesweit 4% in den Umfragen und nur 2 direkt gewählten Abgeordneten im Bundestag praktisch dem Tode nah war. Dann trat Oskar Lafontaine auf den Plan, die WASG beschloss zugunsten der PDS (mit Lafontaine als Spitzenkandidaten) auf den Antritt zur Bundestagswahl zu verzichten aber für ein „gemeinsames“ Bündnis den Namen herzugeben und zu arbeiten, die PDS nannte sich flux um in „Linkspartei“, strich mit fast 9% Wahlergebnis mehrere Millionen Euro Wahlkampfkostenerstattung ein und beschloss dann ein Jahr später mit Hilfe ihrer illegal in der WASG abstimmungsberechtigten „Doppelmitglieder“ die Auflösung der WASG zugunsten der umgetopften alten PDS-Kader.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Anfang und Ende der WASG offenbar schon 2002 geplant worden war – durch die PDS-Strategen wie André Brie, Gysi und Lafontaine (1). Unterstützung bekam die Gründung der West-Ausdehnung der ex-SED durch Gewerkschaftsfunktionäre aus dem Westen, die sich schon 2004 im damaligen Verein WASG flux selbst zum Bundesvorstand ernannt hatten.
„Du sollst keine Linke neben meiner Partei haben“
Dieses Gebot ist das einzige, an dass sich jedes Mitglied der Linken bis zum Erbrechen hält. Was links ist, bestimmt die Partei(-führung) und was die Partei(-führung) sagt, ist links. Was sie macht, ist dann wieder was Anderes, aber machen brauch man ja eigentlich nichts wenn man links ist, man ist ja schon was, nämlich links.
Nun gab es aber noch zu Anfang des Jahres das „Netzwerk Linke Opposition“ (NLO). Das war vor allem von WASG-Mitgliedern gegründet worden und nach den sogenannten Felsberger Beschlüssen von 2006 angetreten, eine linke Partei zu gründen. Zumindestens wurde das erwogen. Dagegen liefen sämtliche der Partei „Die Linke“ zuarbeitenden Splittergruppen, Trotzkisten und Zuschwätzer in der linken Subdomainkultur Sturm. Immer war es das gleiche: kein Argument, nur „Eiiiiiiiiinheit“ und „gemeiiiiiiiiiiiinsame Linke“, blablabla. Dabei lud diese Leute niemand ein. Sie erschienen einfach bei Treffen wo es eigentlich um Gegenstrukturen zur „Linken“ ging, drängelten sich auf, zwangen anderen Leuten Gespräche und Diskussionen auf, usw.
Das die Partei „die Linke“ nichts ist ausser eine Bande Quatschnasen mit ein paar einzelnen, fähigen Leuten mitten im autoritären Spinnennetz eines Jahrzehnte alten Apparates einer Polizeistaatspartei, das war nicht wichtig. Der Begriff „links“ taugt bis heute bei jedem x-beliebigem Deutschen dafür, alle Lämpchen auszublasen und sich in Hypnose zu begeben.
Nun, um es kurz zu machen: das NLO wartete zu lange, es machte sämtliche Fehler der WASG nochmal, liess es wieder zu, dass Linkspartei-Mitglieder teilnehmen und mitabstimmen durften, brachte nichts zustande und vergraulte fast alle Leute. Währenddessen brachten Zuarbeiter und Zersetzer der „Linken“ wieder einmal Stück für Stück die potentielle Konkurrenz des linken Netzwerkes unter Kontrolle.
Dann jedoch: Oh Weh, oh Graus, „Putsch“ und Tohuwabohu. Irgendwie gelang es nun am 30.November 2007 – ein Jahr zu spät – dem Netzwerk Linke Opposition (NLO) tatsächlich mal einen Beschluss zu fassen: für eine Parteigründung im linken Spektrum. Dazu gab es natürlich zwei Meinungen.
Meinung Nr.1: das ist alles linkes Kaderzeug. Wir brauchen keine neue Partei, die alte ist dufte.(2)
Meinung Nr.2: wir machen jetzt das ganze linke Kaderzeug, nur besser. (3)
Freiheit UND Sozialismus
Denn – und jetzt kommt Meinung Nr.3 – wenn man eine neue Partei aufmacht die diesmal auch linke Politik machen soll, dann kann man das nicht mit leninistischem, trotzkistischem, und meiner bescheidenen Meinung nach auch nicht mit kommunistischem und marxistischem Ansatz machen. Wenn ich das Wort „Masse“ nur höre oder lese, weiss ich, dass das nicht mein Verständnis von Sozialismus ist.
Der Sozialismus ist die stärkere, gerechtere und bessere Wirtschaftsordnung, weil er auf das Gute im Menschen setzt. Wenn man dann losgeht und dieses Prinzip jemandem aufzwingen will, zerbricht und zerstört man es. Zuerst die Demokratie, DANN der Sozialismus. Auch in einer Rätedemokratie würde gewählt, und zwar regelmässig und frei, geheim, unmittelbar und direkt.
Wenn jetzt eine „revolutionäre Arbeiterpartei“ gegründet wird, mit den üblichen, verdächtigen Strukturen, Marke „hmm, eigentlich wollen wir keine Partei, sondern Sowjetdeutschland, aber wir tun jetzt erstmal so“, dann ist das schlicht schade. Wer die Verfassung ablehnt, spielt Schäuble und Co in die Hände. Dabei hätte die Republik nichts nötiger als endlich mal eine NEUE Partei, in der es tatsächlich demokratisch, fair und vielleicht sogar weise zugeht. Die historische Chance für eine demokratische Entscheidung zugunsten von „Mehr Sozialismus wagen“ wäre nämlich da, entsprechende Mehrheit in der Bevölkerung für einen vorsichtigen, weil eben konsequenten Wandel sind da.
Fairerweise muss man auch dazu sagen: es gibt gute Leute im Netzwerk Linke Opposition. Francis Byrne aus Köln ist einfach einer der wenigen, die einerseits international zu Krieg und Imperialismus kompetent sind und andererseits auch lange Zeit konkrete, linke Politik in der Republik hart erarbeitet haben. Im März veröffentlichte Francis auf Radio Utopie den Aufruf des Anti-Kriegskommitees zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, dem Libanon und dem gesamten Mittlereren Osten (7), im Juni gründete er das „Oaxaca Solidaritätskomitee Rheinland/NRW“ (8) für den mexikanischen Bundesstaat welcher 2006 zeitweise in einer Revolte seine ganze Verwaltung in die Flucht geschlagen hatte und im Oktober/November organisisierte Francis Byrne mit dem „Solidaritätskomitee Bahnstreik Köln“ Unterstützung für die Lokführer der GDL (9). Ebenfalls noch mit dabei im Netzwerk Linke Opposition (NLO): der Buchautor und Journalist Norbert Nelte, der Macher der „Linken Zeitung“, Peter Weinfurth, und nicht zuletzt unser Mario aus der Sonntagsredaktion von Radio Utopie.
Aber gut. Zurück zu Bremen.
Nun hat also Ralf Dahlhues-Möhlenbrock, aus dem NLO, das „Zensurfreie Linke Forum Bremen“ gegründet. Begründung:
„Nachdem im `offo` (Anm.: parteinahes linkes Forum) fortlaufend nicht mehr nachvollziehbare Zensurmaßnahmen stattgefunden hatten und nun wieder weitere Verschärfungen zensurtechnisch angekündigt, bzw. bereits umgesetzt wurden, sehe ich diese zusätzliche Diskutiermöglichkeit als unbedingt notwendig an, vielleicht sogar, um den parteipolitischen (Sach-)Zwängen solcherart begegnen und sehr wohl auch aus dem Wege gehen zu können“, so Dahlhues-Möhlenbrock in einer email.
Doch dann meldete sich Heino Berg zu Wort, Parteimitglied der „Linken“, ehemaliges Mitglied im NLO und schärfster Kritiker der Parteikritiker. Immer schon hatte er alles versucht, eine Konkurrenz zur Linkspartei unter allen Umständen zu verhindern. Nun argumentierte er, ebenfalls in einer Rundmail wie folgt:
„Wie vielleicht noch nicht überall in diesem Adressatenkreis bekannt, versucht der Landesvorstand der Bremer LINKEN zur Zeit, im Widerspruch zu Landesparteitagsbeschlüssen das Bremer Diskussionsforum (OFFO) zu diskreditieren und die Mitglieder der LINKEN von dieser offenen Kommunikationsplattform zu trennen, weil er es nicht formal ganz schließen kann. Zu diesen Diskreditierungsbemühungen gehörten auch anonyme, persönlich beleidigende Massenpostings, die gegen die Forenregeln verstoßen und zu Recht von der Moderation in das dafür vorgesehene „Müll“-Forum verschoben wurden.
Der alberne Versuch von Ralf (der zum Restbestand des NLO in Bremen gehört), durch den Aufbau eines `zensurfreien` Konkurrenzforums zu dieser Kampagne beizutragen, müßte eigentlich vom Landesvorstand finanziell honoriert werden, wenn Ralf in seiner grenzenlosen Naivität nicht zu den Leuten gehören würde, die solche Drecksarbeiten unentgeltlich verrichten.“
Die alte Argumentationsschiene: „Gerade weil es so schlimm ist, muss man es weiter machen, weil man sonst seine Sklavenhalter im Stich lässt und die Leute, die es nicht besser können und sich noch jedes Mal geirrt haben.“
Wie die Politik der Partei-Linken aussieht, kann man auch an Hand der Veröffentlichung der „Unabhängigen Betriebsgruppe UNS REICHT´S am Klinikum Bremen-Mitte“ nachlesen. Obwohl auch diese Genossen immer noch den Fehler machen, rückhaltlos zu den DGB-Witzbolden von Ver.di zu stehen, machen auch sie Tag für Tag die Erfahrung, dass „Wer?Die?“ nicht mal zu sich selbst steht. Dabei ist, wie überall, die „Linke“ mit Ver.di und den Gewerkschaften strukturell eng vernetzt.
Nun gab es in Bremen auch eine kleine Stalking-Affäre um den ex-Fraktionsgeschäftsführer Manfred Steglich. Da mag man sich sich dann die drei Versionen dazu selber durchlesen: die hämisch-rechte von der „Welt“ (4), die gemeinsam-linke vom Parteiblatt „Junge Welt“ (5) und die alternative von der ängstlichen Konkurrenz der Bündnisgrünen, Parteiblatt „taz“ (6). Auch das ein Hintergrund des linken Debakels in Bremen.
Wenn es nur drum ginge, ein vielversprechendes linkes Projekt kleinzureden, die Leute würden zur „Linken“ halten.
Aber es geht eben um nichts anderes, als den Erfolg der „linken“ Partei. Und deren angepriesener Bundestagsabgeordneter, Axel Troost, ist auch in Berlin noch allzu gut bekannt. Das ex-WASG-Bundesvorstandsmitglied versuchte im September 2006 die WASG Berlin mit illegalen Mitteln am Wahlantritt gegen die PDS im Senat von Bürgermeister Wowereit zu hindern indem er uns einen Politkommissar vor die Nase setzte, welchen wir erst mit Hilfe des Landgerichtes Berlin vor die Tür setzen konnten.
Eine neue Partei?
Zumindestens scheint eins klar: so wie es ist, so geht´s nicht weiter. Und die „Linke“ ist so, wie sie ist. Da passiert´s nix mehr.
Eine neue Partei kann eigentlich nie schaden, selbst wenn erstmal alle Angst vor ihr haben. Vielleicht ist das sogar ganz gut so. Ansonsten passiert nämlich nichts. Gar nichts.
Ein kleines, linkes Forum, kann da ebenfalls nur nützlich sein…
PS: Ich weiss wie das ist, wenn man mit irgendetwas Klugem anfängt. Man ist erstmal für alle der Depp. Deswegen dachte ich mir heute wieder Mal: „Bin ich jetzt eben wieder der Depp und nachher der Held“ und habe mich gleich als Mitglied eingetragen, im neuen linken Bremer Forum von Ralf Dahlhues-Möhlenbrock…
Quellen:
(1)
https://www.radio-utopie.de/2007/03/26/wasgpds-warum-die-linke-keine-zukunft-hat/
(2)
http://www.alternativen-fuer-bremen.de/forum/viewtopic.php?t=4770
(3)
http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=3861&Itemid=174
(4)
http://www.welt.de/welt_print/article1459937/Die_Linke_in_Bremen_verliert_zwei_Geschftsfhrer.html
(5)
http://www.jungewelt.de/2007/12-13/036.php
(6)
http://www.taz.de/regional/nord/bremen/artikel/?dig=2007%2F11%2F30%2Fa0192&src=UA&cHash=53bb125763
(7)
https://www.radio-utopie.de/2007/03/18/anti-kriegs-kommitee-fordert-abzug-der-bundeswehr-aus-afghanistan-libanon-mittlerer-osten/
(8)
https://www.radio-utopie.de/2007/06/05/oaxaca-solidaritaetskomitee-rheinlandnrw-gegruendet/
(9)
https://www.radio-utopie.de/2007/10/30/pro-gdl-veranstaltung-zu-bahn-streik-in-koeln/
Links und Technisches aktualisiert am 28. März 2015. Der Inhalt wurde nicht verändert.