Berlin: Gestern machte der Aussenminister der Republik der Deutschen etwas, was den hohen Herren in Washington (samt Ableger in Beirut, 4) also so gar nicht gefiel – er war Aussenminister.
Frank-Walter Steinmeier nahm sich tatsächlich heraus, den Aussenminister eines anderen Landes bei uns in Berlin zu empfangen und mit ihm auch noch über den Frieden zu reden. Sowas hätte sich Hans-Dietrich Genscher (FDP, Aussenminister 1974-1992) ja nie getraut – oder?
Kanzlerin Merkel (CDU) dagegen hatte es abgelehnt, den syrischen Aussenminister bei seinem gestrigen Aufenthalt in Berlin zu treffen. Selbst der Wunsch von Walid al-Muallim auch nur den außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin zu sprechen wurde abgelehnt.(4)
Steinmeier aber empfing den Aussenminister von Syrien – ein Land, was uns nichts getan hat und zu dem wir seit Jahrzehnten beste wirtschaftliche, kulturelle und verschämt auch nachrichtendienstliche Kontakte pflegen – im Auswärtigen Amt und sprach mit ihm über den labilen Frieden in der Republik Libanon und das andauernde Massaker an den Palästinensern in Palästina. Nach dem Gespräch mit seinem Kollegen Walid al-Muallim sagte Steinmeier, das Syrien solle seinen Einfluss im Libanon und auf die radikale Palästinensergruppe Hamas geltend machen. Gegen Kritik aus den USA verteidigte Aussenminister Steinmeier seine Bemühungen, das umstrittene Land in den Friedensprozess einzubeziehen.
Steinmeier betonte die Möglichkeiten Syriens, zur Entschärfung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern beizutragen. Es solle seinen „möglichen Einfluss auf die Auslandsführung der Hamas in Damaskus nutzen. Ich darf die Erwartung äußern, dass das auch in Zukunft geschieht“, sagte er nach dem rund zweistündigen Treffen bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Kollegen.
Syriens Aussenpolitik: Abwarten, nichts tun, blockieren
Muallim war offenbar nur in Berlin, um den diplomatischen Erfolg für das Assad-Regime einzufahren und ein paar nichtssagende Floskeln abzusondern. Wieder einmal rafften die Machthaber im arabischen Staat zwischen Mittelmeer, Türkei, Kurdistan, Jordanien und Israel gar nichts und vergaben diese goldene Chance auf substanzielle Fortschritte im eigenen Interesse. Kein Wort zu Libanon und der elenden Farce um die immer noch nicht stattgefundene Wahl des Generalstabschefs Michel Suleiman (Michel Sleiman) zum Präsidenten, kein Wort der Kritik an der Hamas, kein Zeichen vom Begreifen des Ernstes der Lage für das eigene, von feindlichen Militärs umzingelte Land.
Muallim: „Der Friedensprozess ist unsere erste Priorität“. Woran man das merkt? Nur Hizir weiss es.
Nicht schlecht – für einen Sozen.
Steinmeier dagegen wagte einen Schritt nach vorne. In einer am Abend stattfindenden Rede vor der Bertelsmann-Stiftung fand er zumindestens leise Töne der Kritik an der israelischen Regierung, die landläufig gern mit Israel und vor allem mit allen Juden weltweit, schon immer und überhaupt, verwechselt wird.
„Wenn wir es mit der Zwei-Staaten-Lösung ernst meinen, dann müssen ihr Aus- und Neubau in der West-Bank und in Ost-Jerusalem gestoppt werden“, so Steinmeier, der zur Vorwarnung schon mal seinen Redetext vorher unter die Presse gebracht hatte. „Wo auch territoriale Fragen zur Disposition stehen, sollten nicht gleichzeitig Fakten geschaffen werden, die Besitzstände zementieren.“
Wenn man bedenkt, dass Merkel im Kanzleramt noch am Dienstag wie immer brav der Bush-Linie gefolgt war (1), der wiederum bei seinem Besuch in Israel irrationalerweise Syrien und Iran schon wieder angegriffen hatte, war das für einen Sozen schon mal recht mutig.
Merkel: Kanzlerin mit dem gewissen Nichts
Man muss sich, schon angesichts des surrealen Anblicks den Angela Merkel immer wieder bietet, eigentlich ernsthaft fragen: wer kümmert sich eigentlich um diese Kanzlerin? Und was kümmert diese Frau überhaupt noch?
Die Kanzlerin auf Abruf – deren Sibirien-Fan und Kumpel Koch gerade in Hessen auf dem besten Wege ist bei der Landtagswahl am 27. mit seiner rechtsradikalen Tour an der 30%-Hürde zu scheitern (2) – war im Vorfeld „verstimmt“ über den Empfang des syrischen Aussenministers, wie die „faz“ meldete (4).
Wie soll sowas aussehen? Wie geht das? Wie kann es irgendetwas geben, was dieser Frau „mit den drei Gesichtern“ (Münchner Merkur,3) nicht sowieso völlig gleichgültig ist? Wie soll man sich das vorstellen? Wieso lächelt diese Frau? Wer ist das da im Kanzleramt eigentlich, der uns regiert?
„Man kann immer wieder nur die Fakten nennen, man kann es immer nur wiederholen. So ist internationale Diplomatie.“
Wovon redet diese Frau?
Steinmeier: Stopp der Siedlungen, Druck auf Hamas Richtung Verhandlungen, Syrien nicht isolieren, Frieden mit Israel, zügige Wahl des Präsidenten von Libanon
Der deutsche Aussenminister hatte seinen syrischen Kollegen bereits in Annapolis nach Deutschland eingeladen. Nun sass er gestern mit ihm beim Mittagessen.
Er halte im Friedensprozess eine „konstruktive Rolle Syriens für wichtig“, so Steinmeier nachher. Gerade in der jetzigen Phase nach Annapolis sei es notwendig, alle „wichtigen Player“ des Nahen Ostens einzubeziehen, „und dazu gehört Syrien“, so Steinmeier. Es sei nicht nur Amerika gefragt, Europa müsse aktiv Aussenpolitik betreiben, das syrisch-deutsche Verhältnis enthalte „Potential, das entwickelt werden kann“. Er versprach im Falle einer konstruktiven Politik des Assad-Regimes an der Entfaltung der Beziehungen zwischen den Deutschen und den Syrern zu arbeiten.
Steinmeier warb am Abend dann bei der Bertelsmann-Stiftung für seine Linie des Dialogs mit Syrien. „Wir müssen Syrien aus der Problemecke herausholen“, sagte er laut Redemanuskript, Muallim habe ihm versichert, dass Syrien den in Annapolis begonnenen Prozess als Chance begreife, um letztlich Frieden mit Israel zu erreichen.
Dann ging es noch um einen Deutschen, der wieder einmal nur wegen seiner kurdischen Abstammung in syrischer Haft sitzt, weitere Gründe scheinen nicht zu existieren. Beobachter gehen von einer flotten Freilassung aus.
Bis zu 360 000 von 1,5 Millionen Syrern werden wegen ihrer kurdischen Abstammung wie „Ausländer“ ohne Pass behandelt. (4)
Ein merkwürdiges Rauschen im Google-Wald
Heute morgen, was dringt an mein Auge?
„USA und Libanon kritisieren Steinmeier-Treffen mit al-Muallim“, heisst es da, und zwar frisch und wortgleich um viertel vor Vier in „Google News“ übernommen. Aber nicht nur eine Papierzeitung mit Internetableger, nein, gegen 04.11 Uhr sind es die Kollegen von der „Heidenheimer Zeitung“, der „Backnanger Kreiszeitung“, „Fränkischer Tag“, „Rhein-Neckar Zeitung“, „Echo-online“, „Volksstimme“, „Frankenpost“, nur die Kollegen von der „Heidenheimer Zeitung“ waren wohl so dienstbeflissen, dass sie die vorgegebene Schlagzeile zu hastig raushaute, fehlte noch die Hälfte, tzzzzzzz..
Und das Allerstaunlichste an diesem frühmorgendlichen Netzwerk so unauffällig vieler Teile der freien Presse:
um 04.47 Uhr ist alles wieder weg.
Ja wie kommt denn das? Hat da jemand seine Angestellten zurückgepfiffen? Wer bestimmt das eigentlich, wer wann in „Google News“ auftaucht, seit wann kann man da einfach wieder verschwinden und kann man da vielleicht von aussen an den robots herum manipulieren, hm, Jungs?
Hierbei sei uns der Hinweis gestattet: auch bei uns verschwinden manche Artikel aus unerfindlichen Gründen aus diesem wichtigsten Nachrichtenverteiler der Welt (oder werden da erst gar nicht übernommen), aber bei freundlicher Nachfrage unsererseits bei der Suchmaschine wurde uns umgehend geholfen und der Fehler korrigiert.
Epilog
Die israelische Regierung hat auf Steinmeiers Friedensappell umgehend geantwortet. Sie ermordete mit einem Luftschlag gestern nacht gezielt 2 Mitglieder der Hamas. Bei Beit Lahiya starben drei Palästinenser, offenbar eine Familie, als eine israelische Rakete ein Pferdefuhrwerk traf. Ein Mitglied eines „Volkswiderstandskomitees“ und seine Frau starben in der Nähe des Flüchtlingslagers Jebalia. Insgesamt töteten die israelischen Streitkräfte wieder einmal 7 Menschen.(5)
Am Dienstag hatten sie bei einem Einmarsch in Gaza 19 Palästinenser umgebracht. Sogar der westlich gestützte palästinensische „Präsident“ Abbas hatte von einem „Massaker“ (7) der Israelis gesprochen.
Daraufhin feuerten Palästinenser aus Gaza ca.120 Kassam-Raketen auf israelisches Territorium, die 2 Menschen im Grenzgebiet leicht verwundeten.(6)
Nun brachte die israelische Regierung mit ihrem Militär wieder 7 Menschen in Gaza um´s Leben.
Der Gaza-Streifen – mit 1.4 Millionen Menschen – ist wieder abgeriegelt. Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagt, Israel werde die militanten Organisationen Hamas und Islamischer Jihad weiter „ohne Kompromisse, ohne Nachgeben und ohne Mitleid bekämpfen“.(5)
Man hat das Gefühl, als hätte das auch etwas damit zu tun, wer im deutschen Kanzleramt wen ins Gebet nimmt.
weiterer Artikel:
15.01.08
Massaker von Israel mit Unterstützung von EU-Polizei in Gaza?
02.11.2007
Weltmächte in Istanbul: Verbindung zwischen Irak-Türkei-Krise und Plot gegen Syrien?
Quellen:
(1)
http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEHUM76857520080117
(2)
hr-online
(3)
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:Pressestimmen%20Die%20Gesichter%20Angela%20Merkel/304085.html
(4)
faz
(5)
http://www.kurier.at/nachrichten/122625.php
(6)
http://haaretz.com/hasen/spages/946028.html
(7)
http://www.radio-utopie.de/2008/01/15/massaker-von-israel-mit-unterstutzung-von-eu-polizei-in-gaza/