Ist der festgenommene 45-jährige deutsche Staatsbürger pakistanischer Herkunft – Aleem N. – aus dem rheinland-pfälzischen Germersheim ein Helfer der al-Qaida oder soll mit der Festnahme nur kaschiert werden, dass eine Aussage unter Folter in Deutschland verwertet wird?
Die R-Archiv.de hat über den Fall Aleem N. bereits im September 2007 berichtet und dabei auch einen Beschluss des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof veröffentlicht – vergleiche »Folter« & Verwertungsverbot – Teil I und Teil II.
In Pakistan musste Aleem N. – auf Anordnung des Obersten Gerichtshofes des Landes – auf freien Fuß gesetzt werden, da seine Aussagen in pakistanischer Haft mittels Folter erpresst wurden – in Deutschland dienten genau diese – in pakistanischer Haft – gemachten Aussagen zur Begründung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Aleem N.
Der im Teil II des oben genannten Artikels veröffentlichte Beschluss wurde von dem Strafverteidiger des Aleem N. angegriffen – der zuständige BGH-Senat wollte in den nächsten Tagen über die anwaltliche Beschwerde entscheiden – nach Eingang der Stellungsnahme der Generalbundesanwältin.
Nun wurde Aleem N. festgenommen und die einzige Frage, die sich für mich stellt ist:
• „Aufgrund neuer – in Deutschland gefundener Beweise und Indizien – oder auf Grund der mittels Folter erpressten Aussagen in Pakistan?“
Eine Antwort geben die Ermittlungsbehörden nicht – der Verteidiger von Aleem N. war heute telefonisch nicht zu erreichen.
Fazit:
Die zeitliche Nähe zwischen Festnahme und kommender Entscheidung des BGH- Senats verbreitet einen üblen Geruch.
Den Geruch – dass trotz Verwertungsverbotes Aussagen, die unter Folter erzwungen werden, in Deutschland zwischenzeitlich – zum Nachteil des Gefolterten – verwertet werden.
Das Aleem N. in Pakistan gefoltert wurde – dass er entgegen den gesetzlichen Regelungen dort in Haft gehalten wurde – ohne einem Richter vorgeführt zu werden – hat der Oberste Gerichtshof in Pakistan in einer Entscheidung festgestellt.
Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, dass die Ermittlungsbehörden die Karten auf den Tisch legen und klar stellen – ob es tatsächlich neue Beweise oder belastbare Indizien gegen Aleem N. gibt – die in Deutschland nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gewonnen wurden oder ob sich der dringende Tatverdacht gegen Aleem N. – überwiegend oder in wesentlichen Teilen – auf die unter Folter und mittels illegaler Haft erpressten Aussagen stützt – die in Pakistan nicht – aber in Deutschland Verwertung finden.
Sachzusammenhang
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Bundesgerichtshof
Ermittlungsrichter
2 BGs2……/07
2 BJs 41/07-8
Beschluss
vom 1. August 2007
In dem Ermittlungsverfahren
gegen
A….. N……
wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, 129b Abs. 1 StGB u.a..
Gemäß §§ 81 a Abs. 1 Nr. 1, 81 d, 162, 169 Abs. 1 Satz 2 StPO wird
die körperliche Untersuchung,
die Entnahme einer Blutprobe
und die Entnahme von noch im Hautgewebe vorhandener Partikel, die Rückschlüsse auf Sprengstoff zulassen,
bei dem Beschuldigten
A. N.
geboren am ….. in …..
wohnhaft : ……
gestattet.
Mit der Durchführung der Maßnahme wird der Sachverständige …… oder sein Vertreter im Amt beauftragt.
Gründe:
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof führt gegen A.N. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaeda.
Nach bisher vorliegenden Erkenntnissen ist der Beschuldigte hinreichend verdächtig, die ausländische terroristische Vereinigung Al-Qaeda seit Januar 2006 durch Geldzahlungen, durch die Rekrutierung von Kämpfern, durch die Übergabe von Ferngläser und Nachsichtbrillen sowie durch das Erbieten, selbst für Al-Qaeda kämpfen zu wollen, unterstützt zu haben. Es besteht zudem der Verdacht: Dass sich der Beschuldigte in Lagern der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaeda im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan aufgehalten und an Ausbildungen teilgenommen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die beglaubigte Abschrift des Vermerks vom 12. Januar verwiesen.
Der Beschuldigte wird am 7. August 2007 von Pakistan in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren.
Die Untersuchung des Beschuldigten ist zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich.
Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse besteht der Verdacht, dass sich der Beschuldigte in einem Ausbildungslager der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaeda aufgehalten und sich beim Hantieren mit Sprengstoff verletzt hat.
Gegenüber dem pakistanischen Geheimdienst ISI soll der Beschuldigte angegeben haben, dass ihm von einem Al-Qaeda Mitglied Namens A…. R….. eine Ausbildung angeboten worden sei. Er – der Beschuldigte – habe erfolgreich eine Sprengvorrichtung hergestellt, die 250g K……. mit Kohlenstoff enthalten habe. Bei einem zweiten Versuch habe er sich an seiner rechten Hand und am Arm verletzt, da es beim Mischen von K….. mit rotem Phoshor vorzeitig zur Explosion gekommen sei.
Die körperliche Untersuchung des Beschuldigten und seiner Verletzung sowie die Entnahme von noch im Hautgewebe vorhandener Partikel, die Rückschlüsse auf Sprengstoff zulassen, erscheint geboten, um Tatsachen festzustellen, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Abhängig von der medizinischen Versorgung und dem Heilungsverlauf können Sprengstoffrückstände und textile Mikospuren in den Wunden des Beschuldigten erwartet und sichergestellt werden.
Die körperliche Untersuchung erscheint weiter geboten, um neben den vermuteten Verletzungen an Hand und Arm weitere Hinweise auf pathologische Schäden wie beispielsweise Hämatome durch die Druckwelle (Anstoßen an Gegenständen pp.) zu erlangen und im Wege eines Gutachtens zu bewerten. Daneben können Anhaltspunkte für Angriffs- und Abwehrverletzungen am Körper des Beschuldigten festgestellt werden.
Ferner erscheint die Entnahme einer Blutprobe geboten, da im Wege der Untersuchung Anhaltspunkte über den körperlichen und geistigen Zustand des Beschuldigten im Hinblick auf die Einnahme oder Verabreichung von Medikamenten gewonnen werden können.
Angesichts der Schwere des Vorwurfes und des Verdachtsgrades ist die Anordnung auch verhältnismäßig.
Von der vorherigen Anhörung des Beschuldigten war abzusehen, um den Zweck der Anordnung nicht zu gefährden (§ 33 Abs. 4 StPO).
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Richter am Bundesgerichtshof