Um die Ereignisse der letzten Wochen in einer der vielen ex-Kolonien Frankreichs plausibel und zusammenhängend für die Wächter der Öffentlicheit zu machen, veröffentlichen wir eine Dokumentation mit 48 öffentlich zugänglichen allgemeinen Quellen. Wir haben Szenarien einfliessen lassen, um oft taktische und für den Betrachter verwirrende Äusserungen der beteiligten Akteure in einen subjektiven Zusammenhang als einen möglichen Vorgang hinter dem Vorhang zu setzen.
Starten wir die Suche in einer Stadt, der einst unübersichtliche, geschichtenreichen Gassen und Häuserschluchten das Herz zusammennähten und die heute zu einer innen noch ein bisschen rauschenden, aber mehr und mehr dunkler werdenden Ansammlung von Zwiebelschalen rund um die noch mächtigen Flure des Elysée-Palastes geworden ist.
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Paris: Die kleine, katholische Zeitung „La Croix“ liess vor einer Woche die Bombe platzen: Spezialeinheiten der Regierung seien schon vor Ausbruch der Kämpfe in der ex-Kolonie Tschad gewesen und hätten dort „Kämpfe koordiniert“. Angeblich gegen die sogenannten „Rebellen“ (1). Ausserdem seien 16 Tonnen Munition in den Tschad geliefert worden, so der „Figaro“, was weit über das Abkommen von sogenannter „logistischer Hilfe“ hinausgehe (2). Aussenminister Bernard Kouchner hatte geleugnet (3). Gestern gab die französische Regierung zu: das war gelogen (4).
Ein Sprecher des Aussenministeriums von Frankreich erklärte, man habe „Tschad geholfen, Munition von anderen Ländern zu bekommen“. Er benannte Lybien. Es gäbe aber noch andere. Diese benannte der Sprecher Kouchners nicht. Auch blieb „unklar“, ob diese Munition vor dem Ausbruch des Putsches in den Tschad gelangt war.
Ebenso obskur für den aufmerksamen Beobachter: wie kommt es, dass eine seit ihrer Existenz von Frankreich abhängige ex-Kolonie nun ausgerechnet alte T-55 Panzer aus der Sowjetunion benutzen soll? Denn für diese Panzer wurde Munition geliefert.
Und noch etwas wird in der Öffentlichkeit kaum diskutiert: das Mandatsgebiet der EUFOR ist nicht nur der Tschad und die zentralafrikanische Republik, sondern auch Kamerun, Nigeria – und Lybien. (19)
Gestern nun rief die Regierung des Tschad den Ausnahmezustand aus (6). Das heisst u.a. Reisebeschränkungen, Ausgehverbote und Kontrolle von Fahrzeugen für Journalisten und Beobachter. Für die „öffentliche Sicherheit“ wäre so ein Schritt während der Kampfhandlungen zu erwarten gewesen, nicht nach deren Ende.
Aber was ist eigentlich im Tschad passiert?
Nur ein zusammengesetztes Puzzle ergibt ein Bild.
CHRONOLOGIE
2000-2003:
Die Tschad-Kamerun-Pipeline wird gebaut. Nach Fertigstelung erstreckt sie sich unterirdisch über 1000 Kilometer von den Ölfeldern in Kome bis zum Hafen Kribi in der französischen ex-Kolonie Kamerun und liefert 200 000 Barrel Öl – täglich.
Baukosten: 3.7 Milliarden Dollar. Betrieben wird sie von einem Konsortium, welches anteilig ExxonMobil (40%), Petronas (35%) und ChevronTexaco (25%) gehört. (8)
Speziell für den Bau der Tschad-Kamerun Pipeline wird die TOTCO (Tchad Oil Transportation Company) gegründet. TOTCO ist ein Zusammenschluss aus dem Konsortium (ExxonMobil, Petronas und Chevron) und dem tschadischen Staat, wobei 20% der Anteile dem Staat gehören und 80% dem Konsortium. TOTCO ist für den gesamten Bau der Pipeline und den Betrieb im Tschad verantwortlich. In Kamerun wird dasselbe Unternehmen gegründet, die „Cameroon Oil Transportation Company“ (COTCO). (9)
2004:
Exxon rechnet die Öleinnahmen aus dem Tschad mit dessen “Regierung” zu einem mittleren Preis von 25 Dollar ab, während der Weltmarktpreis für Öl zum Teil bei 50 $ pro Barrel liegt. (8)
April 2006:
Die französische Luftwaffe stoppt einen Putschversuch gegen Diktator Deby. Eine französische Mirage wirft eine einzige Bombe über die anrückenden Söldner ab.
Sie wird nachher vom damaligen französischen Verteidigungsminister Jean-Francois Bureau als Bombe “psychologischen oder politischen Charakters” bezeichnet.
(”un signal adressé aux belligérants”, de “caractère psychologique ou politique traduisant notre preoccupation”).(11)
August 2006:
Der seit 1990 durch einen Putsch mit Hilfe Frankreichs an die Macht gekommene Diktator Idriss Deby verlangt eine Erhöhung der Anteile am Ölprofit auf 60% (bis zum damaligen Zeitpunkt 20%). Er spricht von „Krümeln“, die der Tschad (sprich: er) bis dahin von den Energiemonolen bekommen habe.
Daraufhin geschieht Folgendes: das ehrenwerte US-Magazin “Forbes” zeigt sich plötzlich so erschüttert, dass es den Tschad als “korruptestes Land der Welt” bezeichnet und die höchst ehrenwerte Weltbank sperrt dem Tschad (also Deby) die Konten. (10)
Oktober 2006:
Die “Union of Forces for Democracy and Development” (UFDD) wird gegründet.
Ziel der „Tschad-Rebellen“: Sturz von Deby (12).
Anführer: der ehemalige Botschafter in Saudi-Arabien, General Mahamat Nouri, bis 2004 Minister von Deby und 1990 ebenfalls mit französischer Hilfe an die Macht gekommen (13).
Hauptquartier: Libreville, Gabun, ebenfalls ex-Kolonie von Frankreich. (5)
Ungefähr im gleichen Zeitraum gründet sich in Sudan, Provinz Darfur, die Guerillatruppe „Armee der Volkskräfte“ – „mit tschadischer Unterstützung“, wie es heisst. (14)
13.Januar 2007:
Die „Asia Times“ schreibt zu dem gerade mit US-Hilfe stattfindenden Einmarsch äthiopischer Truppen in Somalia:
„First you create chaos. Then you create `terror`, and then you expand your `war on terror` to every Islamic corner of the world.“ (33)
Anfang 2007:
Die “China National Petroleum Corp” (CNPC) die Explorationsgebiete des kanadischen Unternehmen
ENCANA im Tschad auf. CNPC kann nun auf einer Gesamtfläche von über 54 Millionen Hektar nach Erdöl suchen, welche die Sedimentbecken Tschadsee, Bongor, Doba, Doseo, Salamat, Logone Birni und Erdis Basin/Becken umfasst.(9)
30.Mai 2007:
Die “taz” zitiert offenbar gut informiert Berater des französischen Aussenministers Bernard Kouchner am Rande des ASEM-Treffens in Hamburg, die wiederum Kouchner dahingehend zitierten, dass er sich einen europäischen Einmarsch in Sudan vom Tschad aus vorstellen könne. (32)
2.Juli 2007:
Der Sohn von Deby wird in Paris tot aufgefunden. (10)
12.Juli 2007:
Im „Weltexpress“ heisst es:
Die Regierung in Khartoum hat allerdings 2005 bekanntgegeben, dass auch im Süddarfur Erdöl gefunden worden sei. Der von Washington erhobene und international mediengerecht aufbereitete Vorwurf des “Völkermordes” dient – so ‘China Business’-der Vorbereitung einer Intervention der NATO – sprich der USA- mit dem Ziel des “Regimewechsels” zum Gefallen der US-amerikanischen Ölkonzerne. Ein großer Teil der im Darfur zum Einsatz gekomenen Waffen sei über solche privaten “Händler des Todes” wie den nun in den USA sitzenden ehemaligen KGB-Agenten Victor Bout ins Land gekommen, der, obgleich von Interpol gesucht, von den US-Behörden unbehelligt gelassen werde.
Ein Teil der Waffen kommt auch über den Tschad nach Darfur. Der Tschad unter Präsident Deby hat sich Washingtons ‘Pan Sahel’-Initiative zur Bekämpfung des “islamischen Terrorismus” angeschlossen, und tschadische Offiziere werden in den USA ausgebildet. Das wichtigste tschadische Erdölprojekt, die Pipeline nach Kamerun, befindet sich überwiegend in den Händen der US-Konzerne Exxon-Mobile und Chevron. Von Chevron hat die US-Regierung ihre Außenministerin Condoleezza Rice bezogen. Seitdem haben tschadische Truppen auch selbst in Darfur gekämpft, in dessen Norden die Zaghawa leben, die auch im Tschad die ethnische Basis des Deby-Regimes stellen. Die Zeitschrift hält es allerdings für möglich, dass Chinas – offensichtlich bei Deby auf Gegenliebe stoßendes – wachsendes Interesse auch am tschadischen Erdöl mehr zur Beruhigung der Lage im Darfur beitragen werde als es jede AU- und UN-Truppenpräsenz je könnte. In diesem Fall bliebe abzuwarten, was der US-Regierung einfiele, um eine solche sie tendenziell marginalisierende Beruhigung zu hintertreiben – Genozid hin, Genozid her. Vor Ort verfügt sie offensichtlich nicht über verlässliche Kräfte. (14)
Nun, dort vielleicht nicht. Dafür sagt dann zu der geplanten Intervention im Tschad in Berlin Jürgen Trittin am
18.Juli 2007:
„Wir sollten die Franzosen als Ex-Kolonialmacht nicht mit dieser Mission alleine lassen.“ (18)
24.September 2007:
Idriss Deby unterzeichnete für seinen Tschad mit der “China National Petroleum Corp” (CNPC) einen Vertrag über den Bau einer eigenen Raffinierungsanlage. Bis dahin hatte der Tschad trotz seiner 13 Ölfelder – dank der raffinierten Ölmonopole – raffinierte Ölprodukte selber importieren müssen. (15)
Einen Tag später nennt der tschadische Diktator Deby bei seinem Besuch in Peking (Beijing) die Zusammenarbeit mit China “strategisch”. (16)
29.September 2007:
In einem Anfall weiser Voraussicht verweigert der Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte, Franz Jung, einen offenen Einsatz deutscher Soldaten im Tschad. Dafür leistet man Geldzahlungen für den EUFOR-Einsatz sowie LOGISTISCHE HILFE. Ab darunter z.B. auch versteckte Munitionslieferungen an Terroristen, oops, „Rebellen“ fallen, die von der Regierung Frankreichs zweckdienlich eingesetzt werden, während Frankreich von den globalen Energiemonopolen zweckdienlich eingesetzt wird, das sagt Jung nicht. Aber: „Wir haben deutlich gemacht, dass wir politisch die Mission im Tschad unterstützen, aber nicht mit Soldaten, sondern im Hauptquartier in Frankreich“. (17)
Also nicht mit Soldaten, aber im Hauptquartier. Unser Jung eben.
Na, sicher weiss er daher auch, dass die Mission namens „EUFOR TCHAD/RCA“ nicht nur die Einsatzgebiete Tschad und Zentralafrikanische Republik umfasst – sondern auch Nigeria, Kamerun und Lybien.(19)
09.November 2007:
In einer Sitzung des össterreichischen Hauptausschusses sagt der grüne Abgeordnete Peter Pilz zum Einsatz des Bundesheeres im Tschad laut Parlamentsprotokoll u.a. zur Begründung seiner Ablehnung, „das Heeresnachrichtenamt sei auf die Zusammenarbeit mit anderen Diensten angewiesen.“ (19)
D.h. der ansonsten überinformierte militärische Geheimdienst von Österreich war zu diesem Zeitpunkt von seinen französischen Brüdern und Schwestern über die Internas offenbar a bisserl im Unklaren gelassen worden. A schöner Schmäh.
30.November 2007:
Die “Union of Forces for Democracy and Development” (UFDD) unter General Mahamat Nouri ist so höflich, gleich Frankreich und der anrückenden EUFOR offiziell den Krieg zu erklären. Das findet Widerhall in der Presse, obwohl gleichzeitig die „Regierung“ des Tschad erklärt, sie habe die UFDD nach tagelangen Kämpfen mit vielen hunderten Toten „eliminiert“.
Das steht im krassen Widerspruch zur Version des „UFDD“-Einmarsches aus Darfur Anfang Februar, welcher von der Regierung des Sudan unterstützt worden sein soll. (21)
6.Januar 2008:
Die tschadische Luftwaffe bombardiert das Territorium des Sudan in der Nähe von al-Junaina, etwa 20 Kilometer hinter der Grenze. Sie unterstützt damit die antisudanesische Miliz JEM. Die Luftwaffe des Tschad – es ist laut Medienberichten die Luftwaffe des Tschad – benutzt dabei ein in der Schweiz gekauftes Flugzeug der Marke „Pilatus“. (42)
Der Skandal zieht in den nächsten Tagen Kreise, wird allerdings in Deutschland nicht bekannt.
11.Januar 2008:
In der „Financial Times Deutschland“ steht, der “Figaro” täte wissen, dass Nicolas Sarkozy “sehr verärgert” sei, dass deutsche Soldaten im Rahmen der „EU-Friedenstruppe“ nicht im Tschad im Einsatz sein würden. (20)
Offenbar ist mit der „EU-Friedenstruppe“ die Mission EUFOR TCHAD/RCA gemeint.
Es hätte also heissen sollen, der “Figaro” täte wissen, dass Nicolas Sarkozy “sehr verärgert” sei, dass deutsche Soldaten nicht im Tschad, in der Zentralafrikanischen Republik, Kamerun, Nigeria und Lybien unter französischem Oberbefehl im Einsatz sein, die Mission aber politisch im Hauptquartier in Paris unterstützen würden, allerdings (laut Verteidigungsminister Jung) nicht mit Soldaten, sondern mit Soldaten.
Donnerstag, 31.Januar 2008:
Frankreich verstärkt seine Truppen im Tschad (7). Zu diesem Zeitpunkt sind laut „La Croix“ bereits französische Spezialeinheiten im Tschad, sowie 16 Tonnen Munition, u.a. für sowjetische T-55 Panzer (aus Lybien und unbekannten Ländern) in die ex-Kolonie von Frankreich geliefert worden.
Am gleichen Tag („for three days“, Artikel von China.org vom 3.Februar, Quelle 7) macht sich angeblich eine Armee von 4000 Soldaten und 300 “mit Artillerie bestückten Lkw” (Kurier, Quelle 23) aus dem Dschungel von Darfur auf den Weg, um einen Tag später, am
Freitag, 1.Februar
schon in der tschadischen Haupstadt N’Djamena anzukommen. Aber am Freitag Abend soll der Generalstabschef des Tschad, Daoud Soumain, 50 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt N‘Djamena bei Kämpfen um´s Leben gekommen seien. Das berichtet ausgerechnet der französische Verteidigungsminister Hervé Morin in Paris (hallo EUFOR-Hauptquartier, hallo Jungs) „unter Berufung auf tschadische Militärkreise“, wie es heisst. (25)
Samstag, 2.Februar:
Es wird von „Zusammenstössen“ zwischen „Regierungstruppen“ und „Rebellen“ in der Hauptstadt berichtet. Augenzeugen sprechen von „Plünderungen, Schusswechseln und Explosionen“. Schwere Kämpfe sehen anders aus. Auch sind sie nicht nur zu hören.
Die „Rebellen-Allianz“ spricht denn auch schon von der Einnahme der Hauptstadt. Das weist „die Regierung“ aber zurück.
Der Sender Al Arabija sendet die merkwürdige Meldung , bei einem „Bombenanschlag“ auf den Wohnsitz des saudischen Botschafters im Tschad seien eine Mitarbeiterin der Botschaft und deren Tochter getötet worden.
Zu diesem Zeitpunkt ist Diktator Deby bereits seit Tagen aus der Öffentlichkeit verschwunden, sein Militärchef Daoud Soumain seit Freitag tot.
Dafür betritt der bisherige Aussenminister Ahmat Allam-mi die Bühne und erklärt, der Sudan stecke hinter der „Offensive“, der damit die Stationierung der EUFOR verhindern wolle. (24)
Im österreichischen „Kurier“ wird ein Umsturz mit Hilfe Frankreichs vermutet. Wörtlich heisst es:
Als Indiz dafür, dass es es sich um die Frankreich-freundliche Lösung handelt, wird das Indiz gewertet, dass die Franzosen bisher nicht eingegriffen haben. Sie haben nämlich zwei Fallschirmjäger-Bataillone mit Panzern aus Gabun in den Tschad gebracht. Wäre der Rebellenangriff gegen die Interessen der Franzosen gewesen – so meinen jedenfalls Beobachter – hätten sie den Angriff mit diesen Truppen zertrümmern können. (23)
Sonntag, 3.Februar:
China, Hauptölförderer im Sudan und Geschäftspartner des dortigen Regimes, aktiviert einen „Notfallplan“ und evakuiert seine Landsleute. (26)
Die US-Regierung und französische Stellen empfehlen ihren Staatsbürgern dagegen lediglich, sich an “sicheren Orten” zu versammeln. (7)
Die Nachrichtenagentur AFP schreibt:
Auch nach dem offenen Machtkampf im Tschad will die EU an ihrer Friedensmission festhalten. Ziel des Einsatzes sei der Schutz von Menschen, sagte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana in Brüssel. Die französische Armee brachte seit Samstag rund 840 Ausländer aus dem Tschad in Sicherheit, darunter auch etwa 40 Menschen aus der deutschen Botschaft.
Angehörige der deutschen Botschaft im Tschad wurden offenbar nur unter größten Schwierigkeiten vor den Kämpfen in der Hauptstadt N‘Djamena in Sicherheit gebracht.
Die französische Armee habe 40 Menschen aus der deutschen Botschaft in Sicherheit gebracht, „die seit zwei Tagen um Hilfe riefen“, sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner in Paris. Die Aktion sei „ein regelrechtes militärisches Kommandounternehmen“ gewesen. (30)
Derweil kann sich am Abend der Weltsicherheitsrat mit den Veto- bzw. Atommächten in New York nicht auf eine gemeinsame Militärvollmacht („Resolution“, „Mandat“) einigen. (22)
Montag, 4.Februar:
Für die Öffentlichkeit ein wenig überraschend (vielleicht nicht für Total, hehe) erklärt der Innenminister des Tschad, Ahmat Mahamat Bachir, öffentlich, man habe die “Söldner die vom Sudan bezahlt werden” nach heldenhaftem Kampf aus der Haupstadt des Tschad vertrieben und „zerstreut“ („scattered“).
Auch Äusserungen der „Rebellen“ gelangen in die Presse, die einen Rückzug aus N‘Djamena bestätigen. Hier wird von „taktischen Gründen“ gesprochen. (27)
In diesem Augenblick erklärt nun auf einmal die Regierung Frankreichs unter Präsident Nicolas Sarkozy, man sei zu einem militärischen Eingreifen im Tschad bereit. Nötig wäre aber eine UN-Vollmacht. Frankreich könne „im Rahmen eines Mandats der UN eingreifen, um die Integrität des Tschads und seiner legitimen Regierung zu sichern“, so Verteidigungsminister Hervé Morin zum (na?) „Figaro“. Das aktuelle Militärabkommen regele nur „Fragen der Logistik und Gesundheit“, heisst es hier noch mitfühlend-konservativ. Außenminister Bernard Kouchner erklärt gewohnt flexibel, auch ein Mandat der Afrikanischen Union (AU) könne die Lage ändern. (22)
(Rein zufällig fand genau an diesem Wochenende, zum Zeitpunkt des Putsches (bzw. Putschversuches) im Tschad ein Gipfeltreffen der AU in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba statt, 24)
Ebenfalls gleichzeitig erklärt der bisherige Aussenminister Ahmat Allam-Mi, der offenbar nun die nötigen Kompetenzen dafür hat, man werde auch im Sudan einmarschieren, wenn es “für die Sicherheit des Tschad nötig” sei. (28)
Claude Gucant, Berater des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, erklärt im Rundfunk:
„Warum passiert diese Intervention jetzt?..Es war der letzte Moment für den Versuch des Sudans, vor der Ankunft der EU-Schutztruppe Eufor das Regime von Idriss Deby zu liquidieren.“
Ein französischer Militärsprecher sagt zu den andauernden „Kämpfen“ sie seien „sehr heftig“ und es würden schwere Waffen eingesetzt. „Vermutlich wurden sehr viele Menschen getötet und verwundet,“ sagt er.
Am Abend erklärt dann der Weltsicherheitsrat in New York: „Der Sicherheitsrat ruft in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen die Mitgliedsstaaten auf, der Regierung des Tschads die gewünschte Hilfe zu gewähren.“ Zugleich verurteilt der Sicherheitsrat „die Angriffe der Rebellen.“
Eine vollständige Militärvollmacht (mit der Formulierung „mit allen notwendigen Mitteln“ etwa für die oben genannte Sicherheit des Tschad im Sudan zu sorgen) wird von Russland verhindert. (29)
Derweil ist der tschadische Diktator Idriss Deby immer noch verschwunden.
Dienstag, 5.Februar:
Die vom Tschad und Frankreich seit ihrer Gründung 2003 unterstützte Miliz JEM – hinter der der ehemalige Gastgeber Bin Ladens in den 90ern, Hassan al-Turabi steckt (34, 35) – gibt zu im Tschad zu operieren. Sie behauptet, sie bekämpfe dort die Regierungstruppen des Sudan. Ein JEM-Sprecher dementiert einen Einsatz der Söldner in N‘Djamena, behauptet aber, dort seien Truppen des Sudan im Einsatz.
Gleichzeitig tauchen Erklärungen der „tschadischen Rebellen“ auf, die erklären, man wende sich nun nach Osten Richtung Darfur, weil von dort aus die JEM zur Unterstützung des verschwundenen Diktators Deby anrücken würde. (36)
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(Zur Erklärung zwischendurch ein Szenario.
Dieses wirre Gefasel irgendwelcher Milizen, Regierungen, usw, ergibt nur einen Sinn, wenn Frankreich, die jeweils im Tschad regierende Partei, die „Tschad-Rebellen“ und die JEM ein und dieselbe Partei sind.
Frankreich putscht sich mit Truppen aus Kamerun und Nigeria seinen Diktator weg, holt sich seine JEM-Miliz aus Darfur als Alibi, gibt diese als einmarschierende Sudanesen aus, diese „Tschad-Rebellen“ der „UFDD“ und die „Rebellenallianz“ sind Fantome oder gesteuerte Milizen, deren Blödiane keine Ahnung haben denen ihre Kommandeure, wie überall auf der Welt, einen vom Gegner erzählen.
Ziel des ganzen Buheis ist es zu diesem Zeitpunkt unter dem Deckmantel irgendwelcher Vollmachten der UN oder EU Deby loszuwerden und einen lang ersehnten Einmarsch in Darfur klarzumachen. Die EUFOR spielt dabei Nebelkerze und Ablenkungsmanöver. In den nächsten Tagen entwickelt sie sich aber, dank Wien, zum lästigen Zeugen.)
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Vom Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU) erscheint ein Interview.
In diesem warnt vor einem Übergreifen der Gewalt aus dem Tschad auf Nachbarländer. „Die Region insgesamt ist nicht besonders stabil, und insofern besteht natürlich die Gefahr, dass eine Eskalation des Konflikts im Tschad zu einem weiteren Flächenbrand führen könnte“, so Polenz. Zur EUFOR sagt er:
“Nun gut, ein faktisches Raushalten wird natürlich schon deshalb nicht gehen, weil ein Auftrag ja auch sein soll, die Grenze zum Sudan zu überwachen. Und der Sudan ist wiederum ein Rückzugsgebiet für die tschadischen Rebellen, so dass sie von ihrem Rückzugsgebiet abgeschnitten werden oder aber von der erneuten Infiltration des Sudan. Also man nimmt natürlich Einfluss durch eine solche Truppe.” (31)
Im Laufe des Tages trifft der neue starke Mann des Tschad, Außenminister Ahmad Allam-mi, zu einem „Blitzbesuch“ in Paris ein. Er rattert noch mal seine Geschichte vom Einmarsch aus Darfur runter und verschwindet dann auf Nimmerwiedersehen (37).
Ebenfalls seit diesem Tag in Luft aufgelöst – Innenminister Ahmat Mahamat Bachir.
Und am Abend trifft dann in der tschadischen Hauptstadt N‘Djamena eine Delegation aus Lybien ein…(39)
Und dann:
Mittwoch, 6.Februar:
Simsala Deby. Da ist er plötzlich wieder, in N‘Djamena, der wochenlang verschwundene Diktator und kann immerhin etwas gestreckt ein paar Schritte zur Pressekonferenz laufen, die er allerdings im Sitzen abhält.
Aber gut ginge es ihm, sagt er. Nur – wo seine ganzen Minister seien, also das wolle er wirklich wissen. 4 Fünftel seien auf einmal weg, Verrat sei das (na ja, gewesen, hähä.)
„Ich arbeite mit weniger als einem Fünftel meiner Minister“, erklärt Idriss Deby. „Ich weiß nicht, wo die übrigen sind. Wenn die Zeit dafür kommt, werde ich mich darum kümmern.“
Jedenfalls sei er jetzt wieder da und alles in bester Ordnung. „Wir kontrollieren nicht nur die Hauptstadt, sondern das ganze Land“, sagt Déby, wieder in seinem Präsidentschaftspalast im Tschad.
Gleichzeitig erzählen aber irgendwelche französischen Geheimdienste, „Rebellen“ würden sich östlich der Hauptstadt sammeln.
Ebenfalls in N´Djamena: der ganz plötzlich in den Tschad geflogene französische Verteidigungsminister Hervé Morin. Auch er erzählt etwas völlig Anderes als der frisch aufgetauchte Deby.
Eine „Fahrzeugkolonne zur Unterstützung der Rebellen“ sei unterwegs. „Sie bewegt sich langsam“, sagt er, ohne nähere Angaben zu machen und offenbar auch, ohne sie machen zu müssen, da niemand nachfragt.
Der Aussenminister Kouchner erzählt gleich von 100 bis 200 Rebellenfahrzeugen vor der Hauptstadt des Tschad, die angeblich „östlich der Stadt zusammengezogen worden“ sein sollen. (38)
Kouchner, wie ein bemühter Märchenonkel mit grossen Augen: „Werden sie erneut angreifen?“ (40)
Dumm nur, dass gleichzeitig Deby in seinem Sessel sitzt und erzählt, dass seine Truppen die “Rebellen” RICHTUNG SUDAN VERFOLGEN würden.
“Wir werden sie fangen, bevor sie Darfur betreten”, so Deby bei seinem 30-Minuten-Auftritt. (41)
Interessanterweise taucht jetzt auch noch der tschadische Ministerpräsident Delwa Kassire Coumakoye auf und erklärt, Lybien habe den Umsturz im Tschad unterstützt.
„Sudan hat sie bewaffnet, und Lybien hat sie unterstützt, so Ministerpräsident Coumakoye über die „Tschad-Rebellen“.
Das passt so gar nicht ins Bild. Auch nicht, dass der frisch wieder aufgetauchte Diktator Deby bei seiner Pressekonferenz – zusammen mit dem französischen Verteidigungsminister Herve Morin – von irgendwelchen Differenzen mit Lybien gar nichts wissen will.
„Die Beziehungen zwischen Tschad und Lybien sind exzellent“, so Deby.
Dass sein Ministerpräsident etwas ganz Anderes erzählt, wird ignoriert. (39)
Jenseits aller Pressekonferenzen, Statements und Erzählungen:
In N´Djamena herrscht „gespenstische Ruhe“ (38).
Keine „Kämpfe“. Nichts.
Als hätte jemand die Show gestohlen und die Konkurrenz zähneknirschend wieder mal ihre Garderobenständer gewechselt.
Donnerstag, 7.Februar:
In der „westlichen“ Presse, also im US-NATO-Einflussgebiet, tauchen widersprüchliche Meldungen über angebliche Opferzahlen auf. Unklar bleibt auch, wie sie gezählt wurden, was Hörensagen dabei ist, oder Inszenierung. So schiessen z.B. im Laufe des Wochendes französische Panzer direkt vor Sammelstellen von westlichen Flüchtlingen, obwohl diese Sammelstellen doch eigentlich sicher sind, sonst hätte man ja – wie US- und französische Regierung ankündigten – die eigenen Landsleute nicht zu diesen „sicheren Orten“ („secure locations“, 7) gebracht.
Was bei den eigentlich stressbefreiten Angestellten des Westens ankommt, ist ein grosses „BUMM“. Und das erzählen sie dann auch der Presse. Schwer erschüttert. (43)
Freitag, 8.Februar:
In Frankreich berichtet die Zeitung „La Croix“ unter Berufung auf „diplomatische Kreise“ davon, dass eine „Eingreiftruppe“ des französischen Militärs seit Wochen im Tschad ist und die Kämpfe“koordiniert“. Angeblich gegen Rebellen, außerhalb von N‘Djamena (1). Ausserdem habe der Elysée-Palast Gaddafi überzeugt, Munition für sowjetische T-55 Panzer (4) in den Tschad für die Regierungstruppen zu liefern. Auch hätten französische Truppen am Flughafen auf „Rebellen“ geschossen und in Kampfhandlungen eingegriffen.
Kouchner leugnet alles.
„Ich habe Anteil genommen an dieser ganzen Krise und ich kann sagen, dass es keine Verwicklung französischer Spezialeinheiten gegeben hat – nicht bis Donnerstag Nacht, in keinster Weise“. (3)
Am Abend sendet die Schweizer Sendung „10 vor 10“ Bilder eines Schweizer Pilatus-Flugzeuges aus, die Ende Januar im Tschad aufgenommen wurden. Sie zeigen eine PC-9 der Stanser Pilatuswerke vor und nach einem mutmasslichen Kampfeinsatz für die Regierung des Tschad. Zunächst wurde eine PC-9 offenbar kurz vor dem Start gezeigt, an die zwei Splitterbomben montiert worden waren. Laut Fernsehangaben zeigt ein weiteres Bild die Maschine drei Stunden später – nach ihrer Landung und ohne Bomben. „10 vor 10“ kommt zum Schluss, dass die Bomben in einem Kampfeinsatz abgeworfen wurden.
Wo, das bleibt im Dunkeln. Die Schweizer Behörden versuchen sich heraus zu reden. (44)
Samstag, 9.Februar:
„Figaro“ berichtet, es seien ausserdem 16 Tonnen Munition in den Tschad geliefert worden, aus Lybien und ungenannten anderen Staaten. „Unklar“ ist, ob ebenfalls vor dem „Umsturzversuch“. Der Tschad verhängt ein Ausgehverbot in der Hauptstadt und in sechs Regionen. (2)
Montag, 11.Februar:
Der tschadische Ministerpräsident Nouradin Koumakoye fordert die „internationale Gemeinschaft“ auf, 240.000 Menschen im Tschad nach Darfur oder in ein anderes Land zu deportieren, da diese aus dem Sudan geflüchtet seien. Wörtlich sagt er:
„Wir wollen, dass sich die internationale Gemeinschaft nach einem anderen Land umsieht, in das die Sudanesen gehen können“, sagte Koumakoye. „Wenn sie das nicht tut, werden wir es machen.“ (45)
Andere Meldungen beschreiben die Äusserungen Koumakoyes direkt als Aufforderung an die EUFOR die Deportationen vorzunehmen und reden von drohenden Angriffen auf die EUFOR durch „Rebellen“. (47)
Björn Seibert, Verfasser einer Tschad-Studie für das „Massachusetts Institute of Technology“, sagt in einem merkwürdigen Interview wörtlich:
„In Paris scheint man zu der Ansicht gekommen zu sein, dass eine Machtübernahme durch die Rebellen die schlechtere Alternative sei. Folglich hat sich Paris für eine stärkere Parteinahme zugunsten von Präsident Déby durchgerungen. Dies jedoch führt zwangsläufig zu einer Parteistellung der Eufor.“ (46)
Mittwoch, 13.Februar:
Der EUFOR-Oberkommandierende General Jean-Philippe Ganascia leugnet, während des Putsches im Tschad Kontakt mit der französischen Spezialeinheit „Epervier“ (Sperber) oder mit dem französischem Botschafter gehabt zu haben. Demgegenüber stehen die Äusserungen von Deby während seiner Pressekonferenz am 6., der gesagt hatte, ein schnelleres Entsenden der EUFOR „hätte geholfen“ – es wird so verstanden, dass es ihm geholfen hätte.
Der österreichische Kanzler Gusenbauer äussert:“Wenn eins der teilnehmenden EUFOR-Länder aktiv in die Kämpfe eingegriffen hat..sollte die EU die EUFOR-Mission überdenken. (48)
Freitag, der 15.Februar:
Seit Mitternacht herrscht im Tschad Ausnahmezustand. (6)
Die französische Regierung gibt Munitionslieferungen aus Lybien „und anderen Ländern“ in den Tschad zu. Frankreich hätte „dabei geholfen“, so ein Sprecher des französischen Aussenministeriums.
Er vermeidet die direkte Aussage, dass Frankreich in den Tschad Panzermunition geliefert hat.
Ob die Munition wirklich an die Regierungstruppen ging, und warum eine ex-Kolonie von Frankreich sowjetische Waffen in ihrem Arsenal haben sollte, wird zu keinem Zeitpunkt plausibel.
Dafür werden Stück für Stück Kampfhandlungen französischer Militärs bekannt. (4)
Den Status Quo der Medienlandschaft zu diesen ganzen Vorgängen im Tschad bot heute wieder einmal die durchaus repräsentative Financial Times.
Wörtlich schrieb sie:
„Die Regierung erhielt jedoch Unterstützung von den im Tschad stationierten französischen Truppen, auch wenn diese nicht direkt eingriffen.“ (6)
Da stellt sich am Ende die Frage: wie greifen Soldaten nicht ein, obwohl sie unterstützen? Und wohin führen die Pfade von den Fluren des Elysée-Palastes wirklich? Und wo werden sie enden?
(..)
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Quellen:
(1)
http://derstandard.at/?url=/?id=3217469
(2)
http://www.kurier.at/nachrichten/130267.php
(3)
http://www.reuters.com/article/newsMaps/idUSL08346920080208
(4)
http://www.iht.com/articles/2008/02/14/africa/france.php
(5)
http://www.turkishweekly.net/news.php?id=52056
(6)
http://www.ftd.de/politik/international/:Ausnahmezustand%20Tschad/318052.html
(7)
http://www.china.org.cn/english/international/241899.htm
(8)
http://www.greenpeace.de/themen/oel/konzerne/artikel/esso_zerstoert_afrikas_natur_fuer_den_bau_der_tschad_kamerun_pipeline/
(9)
http://www.misereor.de/fileadmin/user_upload/pflege_thema/Microsoft_Word_Viewer_97_-_Erd_l_factsheets_Afrika_final.pdf
(10)
http://en.wikipedia.org/wiki/Idriss_Deby
(11)
http://www.innercitypress.com/icg041306.html
(12)
http://en.wikipedia.org/wiki/Union_of_Forces_for_Democracy_and_Development
(13)
http://en.wikipedia.org/wiki/Mahamat_Nouri
(14)
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