Der EU-Reformvertrag von Lissabon (Teil 4)

Autor: Citizenking

Der Reformvertrag von Lissabon (4)

In der heutigen Folge unserer Artikelserie möchten wir auf die diktatorischen Grundzüge des EU-Reformvertrages von Lissabon eingehen. Es ist schon bezeichnend, wenn die Staats- und Regierungschefs die Mitgliedsstaaten anweisen, keine konsolidierte und lesbare Fassung zu veröffentlichen. Der dänische EU-Parlamentarier Jens-Peter Bonde erläutert die perfide Strategie der „Herrsch“-aften während einer Diskussionsveranstaltung in Irland, dem einzigen Land was ein von der dortigen Verfassung vorgeschriebenes Referendum durchführt und somit der Hoffnungsträger für mehr als 500 Millionen Menschen in Europa sein wird…

Jens-Peter Bonde ist Abgeordneter des Europaparlaments und kommt aus Dänemark. Während einer Informations- und Diskussionsveranstaltung in Irland erläuterte er hochbrisante Details über die Strategie der Staats- und Regierungschefs, die Inhalte des EU-Reformvertrages von Lissabon den BürgerInnen mehr oder weniger als „Buch mit sieben Siegeln“ zu verkaufen. In seinem Referat über diese Strategie beginnt er zunächst mit der Erläuterung, dass die überarbeitete Fassung des EU-Vertrages nun 8.500 Wörter mehr enthält als die ursprüngliche Fassung. Der Französische Präsident Sarkozy hat daraufhin angeordnet, dass davon nur eine „Mini-Ausgabe“ gedruckt werden soll. Die Einstellungen des Schriftgrades wurden geändert und die Zeilenabstände verringert. Nun besteht die Ausgabe der EU-Verfassung aus 8.500 hinzugefügten Worten, zählt jetzt aber 62 Seiten weniger. Dies könnte nun als ökologisch sinnvoll betrachtet werden – rein sachlich gesehen.

Bonde erklärt jedoch, dass es sich bei dem Textwerk nicht um eine demokratische Entscheidung des EU-Parlaments handelt, sondern um eine interne Absprache der Staats- und Regierungschefs die besagt, dass nirgendwo in Europa über den Vertragstext im Rahmen eines Referendums entschieden werden dürfe. Nur an der Verfassung Irlands seien die „Herrsch“-aften nicht vorbeigekommen, daher findet dort im Juni / Juli 2008 das einzige Referendum in Europa statt. Und jetzt verrät uns Jens-Peter Bonde einige Details, die unsere besondere Aufmerksamkeit finden müssen. Bonde erklärt (Zitat):

„Der Vertragstext den die Staats- und Regierungschefs unterzeichnet haben wurde von selbigen überhaupt nicht gelesen. (!!!) Warum wurde er nicht gelesen ? Weil er gar nicht lesbar ist ! Dies ist kein Vertrag, sondern 300 Verweise, die sich auf 3.000 Regelungen in verschiedenen anderen Verträgen beziehen. Sie können nur jeden Verweis einzeln lesen, um zu verstehen, auf welche Vertragsregelung er sich bezieht. Dazu müssen Sie den Verweis in die dazugehörige Passage des betreffenden Vertrages einfügen, damit sich Ihnen der Zusammenhang und somit die Bedeutung überhaupt erschließt.

Die Mitglieder des Europäischen Rates haben erklärt, dass Sie den EU-Abgeordneten die Lesearbeit bereits abgenommen hätten. Der Europäische Rat hat die Anweisung erteilt, dass keine Institution in der Europäischen Union die Erlaubnis erhält, eine konsolidierte und lesbare Version des EU-Reformvertrags zu drucken oder zu publizieren, bevor nicht alle 27 Mitgliedsstaaten diesem Vertragswerk zugestimmt haben. (!!!) Das ist eine Entscheidung ! Das Europaparlament hat im Ausschuss für Verfassungsangelegenheiten einstimmig gefordert, dass eine konsolidierte und leicht lesbare Fassung des Vertragswerkes herausgegeben wird, die von jeder BürgerIn verstanden werden kann. Wir werden eine solche Fassung nicht bekommen, da höhere Ebenen beschlossen haben, dass wir sie nicht haben dürfen. Es ist die Entscheidung einiger Staats- und Regierungschefs, die nicht möchten, dass dieser Vertragstext gelesen werden kann – die Anordnung lautet „unterschreiben !“

Die höhere Ebene hat dann die Präsentationsform des Vertrages geändert. Sie haben das Wort „Verfassung“ von der Titelseite gestrichen, doch wenn Sie die Deklaration 27 des Vertrages lesen, werden Sie erneut das Wort „Verfassung“ vorfinden. Hierbei bezieht man sich dann auf diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg, in dem es heißt, das die EU ein legitimiertes Verfassungssystem sei.“

Es ist unfassbar, dass die Staats- und Regierungschefs den EU-Parlamentariern eine solche Order auferlegen. Nach dem Motto: „Wir haben Euch die Arbeit mit dem Lesen der Inhalte bereits abgenommen und erwarten von Euch nur noch die bedingungslose Zustimmung und Unterzeichnung“ ist ein Schlag in das Gesicht der Demokratie – ein Schlag in die Gesichter von mehr als 500 Millionen EU-BürgerInnen, die von der Handlungsunfähigkeit ihrer EU-Parlamentarier scheinbar unbeeindruckt sind, da sie keinerlei Informationen über diese haarsträubenden Vorgänge bekommen Die vorsätzliche Desinformation des Europäischen Rates dient nur dem Zweck die angestrebte „neue Weltordnung“ in Europa einzuführen.

Glücklicherweise gibt es Menschen wie Jens-Peter Bonde, der sich nicht davor scheut, die Dinge beim Namen zu nennen und auch die Verantwortlichen, die dahinter stecken. Es wird allerhöchste Zeit, dass sich die BürgerInnen aller Mitgliedsstaaten mit den Inhalten des Vertragswerkes vertraut machen und ihren Unmut und Protest deutlich sichtbar zum Ausdruck bringen. Egal wie viele Stunden oder Tage es dauert, um die 300 Verweise der „Mini-Verfassung“ in die betreffenden Verfassungspassagen einzufügen – wir müssen uns einen klaren Überblick verschaffen und die Staats- und Regierungschefs damit lautstark konfrontieren – sachlich, bestimmt aber ohne Anwendung von Gewalt. Wirkliche DemokratInnen handeln stets verfassungskonform und das soll auch so bleiben.

Auch wenn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland derzeit auf sehr wackeligen Beinen steht, nachdem Gert Flegelskamp eine Klage wegen Hochverrats gegen die amtierende Bundeskanzlerin Merkel, den Bundespräsidenten Köhler, die Ministerpräsidenten der Bundesländer, die Abgeordneten des deutschen Bundestages und gegen die Alt-Kanzler Schröder, Kohl und Schmidt sowie den Ex-Bundesfinanzminister Waigel beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat. Ach, das wissen Sie gar nicht ? Kein Wunder ! Die kommerziellen Medien, die sich in den Händen weniger neoliberaler Kräfte befinden, haben darüber auch nichts berichtet – ganz entgegen ihrer Informationspflicht, die sie bei Sensationsmeldungen sonst stets vollmundig anführen.

Es wird ebenso allerhöchste Zeit, dass die kommerziellen Medien von ihren LeserInnen dazu gezwungen werden dieser Informationspflicht in vollem Umfang nachzukommen. Sicher wären dann auch die Inhalte des EU-Reformvertrags von Lissabon für die BürgerInnen Europas einsehbar und nachvollziehbarer. Solange sich die kommerziellen Medien allerdings in den Händen der SympathisantInnen einer neuen Weltordnung befinden, werden wir die Konsequenzen der vorsätzlichen Desinformation zu tragen haben.

In der nächsten Folge unserer Artikelserie zum EU-Reformvertrag von Lissabon werden wir erfahren, was uns Jens-Peter Bonde zum so genannten „Herkunftslandprinzip“ zu sagen hat. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der Europäischen Industrieänder werden für alle ArbeitnehmerInnen fatale Folgen haben.

Sie können sich den Filmbeitrag über die Ausführungen von (u.a.) Jens-Peter Bonde auch gerne selbst anschauen, in Englischer Sprache:

http://video.google.com/videoplay?docid=-4291770489472554607&hl=de

Aktionslink: www.myspace.com/Stop_the_lisboa_treaty
-CK-

Lese-Empfehlung: http://post.ostate.org

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