Der SPD-Vorsitzende im sächsischen Rosswein, Rudolf Homann, betonte heute Nachmittag gegenüber Radio Utopie, er werde an seiner Forderung nach einem SPD-Sonderparteitag zum Teilverkauf („Privatisierung“) der Deutschen Bahn festhalten. Diese Forderung hatte er in einem offenen Brief an den SPD-Parteivorstand erhoben, „um Schaden von der Partei und den berechtigten Interessen des Landes sowie seiner Bevölkerung fernzuhalten.“
Homann verwiess darauf, dass nicht rückholbare Entscheidungen gegen den erklärten Willen
der überwiegenden Mehrheit der Parteimitglieder und der Bevölkerung nicht hinnehmbar seien.
Das Kernstück der Entscheidung des Bundesparteitages in Hamburg sei die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien gewesen, um zu verhindern, dass ein weiterer wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge Profitinteressen zum Opfer fielen.
Das jetzt vorgeschlagene Modell entspreche nicht dem Parteibeschluss.
Im Gegenteil werde so ein Einfallstor zum kompletten Verkauf geöffnet.
Homann wörtlich:
„Die Delegierten des Parteitages müssen sich doch veralbert vorkommen, wenn jetzt das Gegenteil von dem gelten soll, was sie beschlossen haben.“
In einem Essay namens „Der Kollaps der politischen Moral“ hatte Rudolf Homann letzte Woche auf „politik-poker.de“ geschrieben:
Beginnend mit der Geistig moralischen Wende der Kohl-Ära setzte ein Roll-Back ein, eine Entwicklung, die sich mit dem Vollzug der Deutschen Einheit erheblich beschleunigte.
Der Zusammenbruch des so genannten Real existierenden Sozialismus machte die Rücksichtnahme früherer Tage obsolet. Als der eigentlicher Sündenfall entpuppte sich die bedingungslose Kapitulation der Politik vor der Ökonomie.
Die kritiklose Übernahme deren neoliberaler Heilsbotschaften und Glücksversprechen in die Tagespolitik gebar eine ganze Generation prinzipienloser Politiker, Wirtschaftsführer und Lohnschreiber.
Seither belästigt uns diese Symbiose aus Ökonomie, Publizistik und Politik täglich mit den neuesten Einsichten in die Logik der Kapitalverwertung. Dabei blieb mit der Verklärung des Wettbewerbs zum modernen Fetisch und dem Wettlauf um die Gunst deren Protagonisten die politische Moral schnell auf der Strecke.
Kant sagt an einer Stelle: „Jedenfalls stünde es besser um die Menschheit, wenn man sich weniger um Gnade und dergleichen Tugenden und Schwächen verließe, sich desto entschiedener auf Gerechtigkeit stützte.“
Das Sich-Stützen-auf Gerechtigkeit jedoch, kam entschieden aus der Mode. Mit verheerenden Folgen nicht nur für die Kultur unserer Gesellschaft.
Derweil denken der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi, sowie die bewiesenermassen äusserst mutige, zähe und standfeste Juso-Vorsitzende Franzi Drohsel, darüber nach, ob sie eventuell möglicherweise vielleicht einen SPD-Sonderparteitag fordern könnten wenn sie es täten würden.
Auf dem letzten SPD-Bundesparteitag – dem höchsten Beschlussgremium der Partei – hatte am 27.Oktober die gesamte „Parteiführung“ der SPD die Basis mit einem Trick betrogen.
WIE BESCHEISSE ICH MAL EBEN 500.000 MITGLIEDER?
Vor einer erkennbaren Niederlage stehend versammelten sich damals kurz vor der Abstimmung die Privatisierungsbettler um Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee auf dem Podium hilfesuchend um ihren Vorsitzenden Kurt Beck.
Dann stand dieser auf und verkündete, von lauten Zwischenrufen begleitet, dass doch wenigstens der sogenannte Kompromiss des Volksaktienmodells bitte, bitte, bitte durch den Parteitag genehmigt werden solle.
Angebot seinerseits: es könne dann „gegebenenfalls“, wenn die Parteigremien nicht zustimmen würden, der nächste Parteitag dann doch irgendwie eventuell entscheiden.
Daraufhin erklomm ein Vertreter des Berliner Landesverbandes das Podium und beharrte darauf, den Begriff „gegebenenfalls“ im Vorstandsentwurf zu streichen und auch nicht mit irgendeinem „Sonderparteitag“ zu kommen, sondern dann den nächsten regulären Parteitag abstimmen zu lassen, wenn die Parteigremien einem mit der CDU ausgehandelten Kompromiss nicht zustimmen sollten.
Diesbezüglich war übrigens nicht vom Parteivorstand die Rede, sondern vom Parteirat.
Soll heissen: wenn der Parteirat der SPD (Vorsitz: Claus Möller) nicht zustimmt, hat die SPD-Oberschicht nach geltenden Beschlüssen nur die Möglichkeit im November 2009 wieder mit einem Vorschlag zu kommen.
Nur sind Beschlüsse einer Partei in Deutschland sowieso nichts mehr wert. Das heisst, die SPD-Regierungsclique macht einfach weiter was sie will und dank der SPD Berlin darf dann in 1 1/2 Jahren sich beim nächsten Bundesparteitag ein bisschen aufgeregt und gejammert werden, bevor man sich dann bei der nächsten Sache jämmerlich über den Tisch ziehen lässt.
Es ging der SPD-Spitze nur darum, die Abstimmung über ein klares „Ja“ oder „Nein“ zu vermeiden, was ihr mit Hilfe der SPD Berlin (die grinsend den eigenen Antrag wieder zurücknahm) auch gelang.
Nun versucht Rudolf Homann einen Sonderparteitag zu erreichen. Dieser „ausserordentliche Parteitag“ kann auf Beschluss eines Parteitages, mit Dreiviertelmehrheit des Parteivorstandes, auf einstimmigen Beschluss der Kontrollkommission oder durch mindestens zwei Fünftel der Bezirksvorstände erzwungen werden.
Die Deutschen sind mit 2 Drittelmehrheit (67%) gegen den Verkauf der Deutschen Eisenbahn, die 164.8 Milliarden Euro wert ist und nach den alten Plänen der CDU-SPD-Regierung für höchstens 8 Milliarden Euro (!) verramscht werden sollte.
(…)
Artikel zum Thema:
27.10.2007
SPD-Parteitag erzwingt Zustimmung von Parteigremien zu Bahn-Verkauf