Die Milizen der Parteien Hisbollah und Amal entmachten Siniora und Hariri
Beirut: Der Umsturz begann (wie so vieles ausser in Deutschland) mit einem Generalstreik der Gewerkschaften gegen die miesen Lebensbedingungen der Libanesen unter einer bis ins Mark von Korruption zerfressenen Regierung, die bis gestern von Saad Hariri kontrolliert wurde, welcher nach dem plötzlichen Tod seines Vaters am 14.Februar 2005 Milliardär geworden war.
ABLAUF DER GESCHEHNISSE SEIT DIENSTAG
Dienstag, 06.Mai:
Die Regierung von Fuad Siniora, die nach einhelliger Einschätzung nur deshalb nicht von Saad Hariri geführt wird weil dieser aus taktischen Gründen im Juni 2005 darauf verzichete, erklärt den Armeeoffizier Brig Gen Wafiq Shuqeir, der für die Sicherheit am Beiruter Flughafen zuständig ist, für abgesetzt.
Die Regierung verdächtigt Shuqeir der Zusammenarbeit mit der Hizb-Allah, da dieser eine Überwachungskamera der Oppositionspartei am Flughafen nicht entfernt habe, mit der diese sowohl den VIP-Bereich als auch Lieferungen über den Airport beobachtet hatte.
Ausserdem erklärt die von Hariri kontrollierte Regierung Libanons gleich das gesamte Telefon- und Telekommunikationsnetz der Hizb-Allah für illegal und versucht es zu schliessen.
(„to shut down Hezbollah‘s private telecommunications network“)
Ein schwerer Fehler, wie sich bald herausstellt.
Mittwoch, 07.Mai:
Ein Generalstreik der Gewerkschaften beginnt. Er richtet sich gegen ständig steigende Lebensmittel- und Treibstoffpreise, sowie für eine Anhebung der Löhne. („strike over pay“)
Viele Libanesen nehmen an Demonstrationen teil.
Arbeiter und Anhänger der Opposition, welche vor allem aus der Partei Hizb-Allah („Hisbollah“), der des ex-General Michel Aoun und der AMAL gebildet wird, blockieren die Strassen Beiruts mit brennenden Autoreifen und legen den Verkehr zum Flughafen lahm.
Über Nacht sind Schüsse und Explosionen in Beirut zu hören („the chattering of automatic weapons and thumps of rocket-propelled grenades echoed across Beirut overnight“) .
Donnerstag, 08.Mai:
Der Chef der Hizb-Allah, Scheich Nasrallah, erklärt am Nachmittag in einer Fernsehrede, dass die Massnahmen der Regierung einer Kriegserklärung gegen die Opposition gleichkämen und diese sich nun mit Waffengewalt verteidigen müsse, wenn sie nicht zerschlagen werden wolle.
Das eigene Kommunikationsnetz war laut Aussage der Hizb-Allah („Partei Gottes“) selbst die entscheidende Waffe im Kampf des bewaffneten Arms der grössten Oppositionspartei des Libanon gegen die einmarschierenden Israelis im Sommer 2006.
Daraufhin beginnen Kämpfe zwischen bewaffneten Milizen der Oppositions- und Regierungsparteien an der Avenue Corniche Mazraa, welche die Grenze von mehrheitlich durch Sunniten und Schiiten bewohnte Stadtteile markiert.
Die Hariri-gesteuerte Regierung wird vor allem durch sunnitische Moslems, „christliche“ rechtsradikale Falangisten um die „Lebanese Forces“ des verurteilten Terroristen Samir Geagea und die schmierige Figur des „sozialistischen“ Drusenführers Walid Jumblatt repräsentiert.
Die Opposition um die schiitischen Parteien Hizb-Allah und AMAL bildet auch der christliche ex-General Michel Aoun.
West-Beirut ist vorwiegend von Moslems, Ost-Beirut vor allem von Christen bewohnt.
Die libanesische Armee, offenbar nicht erfreut über die Absetzung ihres Offiziers durch die Hariri-Siniora-Regierung, verhält sich neutral, („The military has sought to stay out of the feuding“) zieht sich aus den umkämpften Gebieten zurück und bezieht Stellung an den Grenzen zwischen West- und Ost-Beirut.
Derweil rücken die militärischen Einheiten von Hizb-Allah und AMAL im Laufe der Nacht überall im moslemischen West-Beirut vor.
Freitag, 9.Mai:
Über den Morgen und den Vormittag bringen die Milizen der Oppositionsparteien ganz West-Beirut unter ihre Kontrolle, setzen Hariri und Jumblatt in ihren Palästen fest und bringen den Verkehr von und in die gesamte Haupstadt unter ihre Kontrolle.
Es sind 11 Tote und 20 Verletzte zu beklagen.
Der von Milliardär Hariri betriebene Fernsehsender Future TV sowie die Zeitung Al-Mustaqbal werden durch Hizb-Allah-Einheiten stillgelegt.
Danach schweigen die Waffen. Die Milizen der schiitischen Oppositionsparteien sind nicht in das christliche Ost-Beirut vorgedrungen.
WIE GEHT ES WEITER IN OST-BEIRUT?
Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich der Oppositionelle Michel Aoun verhält. Bringen die christlichen Parteien der Opposition nun auch noch die andere Hälfte der libanesischen Hauptstadt unter Kontrolle wäre der angestrebte Umsturz geschafft, die durch die USA und Saudi-Arabien bezahlte („unterstützte“) Regierung wäre endgültig abgesetzt und die Opposition könnte endlich die Neuwahlen ansetzen, die sie seit Jahren fordert.
(…)
(letzte Korrektur: 15.28 Uhr)
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