Sonntag treffen sich die Aussenminister der Arabischen Liga zur Lage in Beirut und Libanon
Washington, Paris, Rom, Berlin: Mit heruntergelassenen Hosen erwischt versuchten heute die neoimperialistischen Regierungen des „Westens“ durch hektische Diplomatie und sinnfreie Erklärungen ihre katastrophale Niederlage in Beirut wegzutelefonieren.
Als erstes wurde bereits vorgestern der Präsident der Arabischen Liga, Amr Mussa, von US-Aussenministerin Rice zugetextet, allerdings live, da er rein zufällig zu diesem Zeitpunkt in der US-Haupstadt weilte.
Desweiteren sprach Rice mit dem dem berüchtigten Aussenminister Frankreichs, Bernard Kouchner, dem ebenso legendären UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sowie mit dem saudischen Aussenminister, Prince Saud al-Faisal.
Die Kanzlerin der deutschen Republik, Merkel, telefonierte derweil mit dem machtlosen, aber offiziell immer noch amtierenden libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora und sicherte ihm „ihre Unterstützung“ zu.
Das Königshaus von Saudi-Arabien unterhält bekanntlich engste Beziehungen zum (bis vorgestern) starken Mann Libanons, dem Millardär Saad Hariri.
Dieser ist u.a. Chef der Firma „Saudi Oger“, studierte in den USA an der Georgetown University Betriebswirtschaft und ist Teilhaber an der Bank von Saudi-Arabien.
Die Hizb-Allah („Partei Gottes“, in Deutschland absichtlich „Hisbollah“ geschrieben) vermeldete auf ihrer Medienstation „Al-Manar TV“, dass Kouchner ausserdem mit Siniora, dem Aussenminister von Spanien, Miguel Angel Moratinos, mit Berlusconis Aussenminister Franco Frattini und eben dem Vorsitzenden der Arabischen Liga AL, Amr Mussa, telefoniert hat.
Sicher rein zufällig plant nun die Arabische Liga ein Treffen der Aussenminister am morgigen Sonntag, um – so Mussa gegenüber dem libanesischen Parlamentspräsidenten Nabih Berri – eine „Internationalisierung“ der Sache des Libanon zu erreichen.
ISRAEL, DIE UN, USA UND EU: NUR MILITÄRISCH RELEVANT
Wie wir bereits am 21.November 2006 berichteten, ist die durch eine veraltete Bevölkerungszählung des Jahres 1932 (!) im libanesischen Nationalpakt von 1943 festgelegte Verteilung der Ämter nicht mehr zeitgemäss und entspricht in keinster Weise mehr den tatsächlichen Anteilen der Bevölkerung.
Die Schiiten stellen 45% der Bevölkerung, ihnen stehen aber bis heute nur 27 der 128 Sitze im libanesischen Parlament zu.
Doch auch ohne Nationalpakt oder Verfassung zu ändern wäre eine simple, durch neutrale Beobachter dokumentierte und überwachte, freie Neuwahl des Parlamentes sicher die beste Art und Weise um die Sackgasse der libanesischen Politik in eine mehrspurige Autobahn zu verwandeln, da die Hizb-Allah durch ihr interkulturelles Oppositionsbündnis bei vielen Libanesen Vertrauen gewonnen hat.
Die Mär von der barbarischen „Hisbollah“, die mordend und plündernd über die guten, abendländischen Christen Beiruts herfälllt und alles niedermetzelt, wurde gestern durch einen ebenso weisen wie geschickten Schachzug der grössten Oppositionspartei glänzend ausgekontert.
Die Hizb-Allah rief einfach ihre bewaffneten Einheiten wieder zurück und übergab grosse Teile Beiruts wieder der Kontrolle durch die libanesische Armee.
Nichts hätte die Hilflosigkeit der „westlichen“ Regierungen besser dokumentieren können.
Diplomatisch, völkerrechtlich, moralisch und vor allem können die Regierungen der USA, EU, Israel und die UN im Libanon nichts mehr gewinnen. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen.
Die heute wieder aus Washington in die Welt geblasene Behauptung, der Iran und Syrien steckten hinter der Entwicklung im Libanon ändert nichts an der Tatsache, dass sich die „Regierung“ von Fuad Siniora vor nichts mehr fürchten muss als vor freien Wahlen.
FALSE-FLAG-TERROR UND FALSE-FLAG-DIPLOMATIE: DER TARIK JADIDEH-ZWISCHENFALL
Der Sprecher von US-Aussenministerin Condoleeza Rice, Sean McCormack, las heute ein Statement seiner Chefin vor.
In dem hiess es:
„Unterstützt durch Syrien und Iran töten die Hisbollah und ihre Verbündeten unschuldige Zivilisten und unterminieren die legitime Autorität der libanesischen Regierung und die Institutionen des libanesischen Staates“.
McCormack teilte mit, die USA hätten „Beweise“ dafür, dass Syrien und Iran „beginnen würden eine aktive Rolle darin zu übernehmen die Gewalt zu begünstigen“, usw.
Unten in der Meldung der britischen „Press Association“ steht dann, dass zur gleichen Zeit „unbekannte Schützen“ („unknown gunmen“) im sunnitischen Stadtteil Tarik Jadideh, der vorher von „schiitischen Schützen“ („Shiite gunmen“) übernommen worden sei, auf eine Beerdigung geschossen und 2 Menschen getötet hätten.
Unkommentiert heisst es dann:
„Die Schiesserei von Tarik Jadideh unterstreicht den Zustand der Gesetzlosigkeit, der den muslimischen Teil der libanesischen Haupstadt verschlungen hat.“
Rein zu-zu-zufälligerweise sieht man genau, aber auch genau diesen Satz von den Korrespondenten Yoav Stern und Avi Issacharoff in einer Meldung der israelischen Zeitung „Ha´aretz“. Dazu später mehr. Zuerst einmal folgendes:
Die Einheiten der Hizb-Allah haben den sunnitischen Stadtteil gar nicht besetzt.
In einer älteren Meldung der „Associated Press“ von letzter Nacht nämlich heisst es, die libanesische Armee würde demnächst auch in „die letzte Hochburg der Sunniten, Tarik Jadideh“ einmarschieren, um dort die Kontrolle zu übernehmen.
Bei der Beerdigung in Tarik Jadideh, auf die das Attentat verübt wird, ist übrigens auch ein Reporter von „Associated Press“ anwesend. Surprise, surprise.
Er wird von den sunnitischen Trauernden angegriffen und sein Fotoapparat kurzzeitig entwendet.
Mal abgesehen davon, dass auch in dieser AP-Meldung der „Jerusalem Post“ fälschlicherweise berichtet wird, Tarik Jadideh sei durch schiitische Milizen eingenommen worden – warum greifen sunnitische Trauergäste einen westlichen Fotografen an, nachdem zwei von ihnen erschossen worden sind?
Nun zurück zur „Haaretz“-Meldung. Sie berichtet von ersten Augenzeugen-Berichten, nach denen ein Fahrzeug sich der Beerdigung genähert und das Feuer eröffnet habe.
Dann aber taucht wie aus dem Nichts das Gerücht auf, ein schiitischer Ladenbesitzer habe auf die Trauergemeinde geschossen..
Was passiert? Die wütenden Araber – in diesem Zustand der per se vielleicht blödeste Haufen in der Geschichte der Menschheit – rennt los und plündert den Laden ihres schiitischen Nachbarn. Und dann gleich noch einen Laden, weil man schon in Fahrt ist.
Übrigens: die Meldung, dass US-Aussenministerin Rice den Iran und Syrien hinter dem Mord an „unschuldigen Zivilisten“ steckten ist von gestern Abend ca. 20.40 Uhr.
Er war AP sogar eine Alarmmeldung wert.
Wenn man der Meinung ist dass Weltdiplomatie von Weltmächten auch nicht besser ist als die eines verkommenen kolonialen Senats einer Provinzhaupstadt, irgendwo am Rande des westlichen Universums, dann könnte man fast zu der Auffassung gelangen dass dort in Beirut ganz normale Profikiller (staatlich: „Soldaten“, „privat“: „Söldner“) einen ganz normalen Mord durchgeführt haben, damit die US-Aussenministerin mal wieder als Autorin selbsterfüllender Prophezeihungen dasteht und die Libanesen als Barbaren die sich selber umbringen, und deshalb durch Eroberung des heil-heil-heilen Westens vor sich selbst zu Tode beschützt werden müssen.
update, 17.17 Uhr:
Die grösste Witzfigur des Nahen Ostens (nach „Palästinenserpräsident“ Mahmoud Abbas), der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora, hat heute die libanesische Armee dazu aufgerufen „die Sicherheit im Land zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass die bewaffneten Kämpfer sofort aus den Straßen abziehen“.
Damit meint er natürlich die Milizen der Oppositionspartei Hizb-Allah. Seine eigenen haben bereits die Flucht ergriffen, während die Armee bereits Beirut wieder kontrolliert und er selbst im seinem Regierungspalast festsitzt und mit dem „Westen“ telefoniert.
(…)
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