Der EU-Reformvertrag von Lissabon ( Teil 7 )

Autor: Citizenking

In der heutigen Ausgabe unserer Artikelserie über die Inhalte des EU-Reformvertrages von Lissabon setzen wir das Thema „Lebensmittelstandards“ fort. Besonders interessant dabei ist die Kompatibilität zwischen den Beschlüssen des Bundestages und den im EU-Vertrag genannten Zielen des geplanten EU-Binnenmarktes. Die Begründung der CDU/CSU-Fraktion bei der Ablehnung des „Gesetzesentwurfes zur Kennzeichnung von Lebensmitteln“ spricht Bände – doch lesen Sie selbst…

Glücklicherweise werden auch im Bundestag Protokolle und Berichte zu den einzelnen dort abgestimmten Entscheidungen geschrieben, die einen Einblick in die Zielorientierung der jeweiligen Parteien ermöglicht. In dem Bericht zur Abstimmung über die Drucksache 16/7726 in der es um die Einführung einer verbraucherfreundlichen Lebensmittelkennzeichnung geht, erklärt z.B. die CDU/CSU-Fraktion vollkommen unverblümt: „Die aus der Ampelkennzeichnung resultierende pauschalierte Kennzeichnung von Lebensmitteln als geeignet oder ungeeignet verhindere auch notwendige Produktinnovationen.

Welche notwendigen Produktinnovationen auf dem Lebensmittelsektor damit gemeint sind, ist mehr als offensichtlich. Es geht hier vordringlich um gentechnisch manipulierte Produkte, die angeblich „notwendig“ sind, um die mengenmäßig ausreichende Versorgung der VerbraucherInnen innerhalb der EU zu gewährleisten. Auch hier wird wieder einmal deutlich, dass es um das „Wachstum“ geht, ein Wachstum was allerdings nirgendwo endlos ist und zudem vordringlich zum Aufbau einer Konkurrenzposition gegenüber anderen großen Wirtschaftsmächten dienen soll. Es gibt aber keine Leiter die endlos ist. Bei jeder Leiter (auch der des Wachstums) wird irgendwann die „letzte Sprosse“ erreicht sein und gleichzeitig befindet man/frau sich dann in derart schwindelnder Höhe, dass ein kleines Lüftchen ausreicht, um die Stabilität dieser Leiter ins Wanken geraten zu lassen, bis hin zum Umfallen – und der demografische Faktor unseres Landes ist nicht nur ein Lüftchen !

Aber auch die SPD-Fraktion begründet die Ablehnung dieser Drucksache ohne eine wirkliche Begründung zu liefern: „Die Fraktion der SPD erklärte, dass auch sie die Ampelkennzeichnung ablehne. Man müsse vielmehr die Lebensmittel in ihrer Gesamtheit betrachten und insoweit ein handhabbares Lebensmittelkennzeichnungssystem anstreben, um möglichst alle Bevölkerungsschichten zu erreichen, wie etwa im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung für Diabetiker. Dies gelte insbesondere für Lebensmittel speziell für Kinder und Jugendliche. Ergänzend sei eine entsprechende Aufklärung über Lebensmitteleigenschaften in Schulen und sonstigen Erziehungseinrichtungen notwendig. Der Aufforderung an die Bundesregierung, im Rahmen einer Studie offene Fragen zu den Grundlagen der Ernährungsempfehlungen für einzelne Nährstoffe wie Zucker oder Salz zu beantworten, schließe man sich an.“ Der lapidar erscheinende letzte Satz verrät die Mentalität der SPD-Fraktion – wir kennzeichnen die Lebensmittel bezüglich ihrer Nährstoffe (dieses Wort impliziert natürlich etwas Positives), aber wir verweigern die Kennzeichnung der Stoffe, die die Gesundheit der VerbraucherInnen schädigen können. (Think Positive !!!)

Die FDP-Fraktion hingegen versucht in ihrer Ablehnungsbegründung den „schwarzen Peter“ der Gesellschaft selbst in die Schuhe zu schieben: „Eine Ampelkennzeichnung sei nicht gewünscht. Diese helfe weder dem Informationsdefizit im Lebensmittelbereich noch der Übergewichtsproblematik ab. Diese Problematik sei auch augenscheinlich nicht ausschließlich auf den Genuss bestimmter Lebensmittel, sondern vielmehr auf entsprechendes Sozialverhalten und mangelnde Bewegung zurückzuführen.“ Also wenn die Kennzeichnung der Lebensmittel keine Hilfe für die VerbraucherInnen ist, wozu wird dann überhaupt noch ein Artikel inhaltlich gekennzeichnet ? Und was heißt „entsprechendes Sozialverhalten“ ? Mangelnde Bewegung ist sicher ein Grund für die statistisch erwiesene Gewichtszunahme bei Kindern und Jugendlichen, hat aber mit der Kennzeichnung von schädlichen Inhaltsstoffen rein gar nichts zu tun. Und der Bewegungsmangel liegt meiner Meinung nach ursächlich in der drastischen Einschränkung und Mittelkürzung im Bereich „Jugend & Sport“ begründet. Haushaltskonsolidierungen mögen kurzfristig einige „Steuerlöcher“ stopfen, doch in anderen Bereichen etablieren sie Entwicklungen, deren Folgeschäden um ein Vielfaches höher sind, als die Summe der kurzfristig eingesparten Mittel – und dafür legt die zukünftige SteuerzahlerIn dann noch einiges mehr drauf…

Doch was hat das nun mit dem EU-Vertrag zu tun ? Dazu schauen wir einmal in diverse Dokumente der EU, auf die wir bei unserer Internetrecherche gestoßen sind. Was würden Sie beispielsweise von mir denken, wenn ich Ihnen erklären würde, dass der französische Präsident Sarkozy einen Antrag bei der EU-Agrarkommission gestellt hat, in dem er die Zulassung von dekontaminiertem Geflügelfleisch ermöglichen will und sich einige andere EU-Mitgliedsstaaten diesem Wunsch angeschlossen haben – würden Sie mich nicht für vollkommen verrückt erklären ? Warten Sie damit – lesen Sie erst das entsprechende Dokument 9427/08, welches an den Europäischen Rat gerichtet ist. Sehen Sie ! Wer hier die wirklich unzurechenbar Verrückten sind, ist offensichtlich. Wenn kontaminiertes (also mit Schadstoffen belastetes / verunreinigtes) Geflügelfleisch (was hier in Deutschland laut noch geltendem Recht vernichtet werden muss) nach einer angeblichen Dekontaminierung (Entgiftung) auf dem Europäischen Markt zugelassen und angeboten werden darf, dann verwundert es auch nicht, dass die regierenden, unternehmerfreundlichen Parteien eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung von Lebensmitteln ablehnen. Stellen Sie sich nur einmal das Etikett eines solchen Produktes vor:

Hühnchenbrust, Herkunftsland: Frankreich, Produktionsdatum: 26.05.08, bei -10 Grad Celsius haltbar bis 25.12.08, nach den gesetzlichen Bestimmungen der EU am 27.05.08 dekontaminiert !

Wenn es sich um diese Art von Produkten handeln sollte, die die CDU/CSU-Fraktion als „notwendige Produktinnovationen“ bezeichnet, dann Gnade uns Gott – oder sonst etwas…

Wenn wir auf andere Dokumente der Europäischen Union zurückgreifen, dann können wir erneut die globale Strategie eines Europäischen Binnenmarktes erkennen. Wirtschaftliches Wachstum ist das hoch gelobte Ziel – ermöglicht durch den vollständigen Abbau jeglicher Umstände, die die so genannte „Warenverkehrsfreiheit“ einschränken. Auch hier impliziert der Wortteil „-freiheit“ der BürgerIn einen positiven Aspekt ! Doch wie positiv ist es denn letztendlich, wenn jeder EU-Mitgliedstaat zukünftig berechtigt ist, minderwertige oder im schlimmsten Fall dekontaminierte oder genmanipulierte Lebensmittel ungehindert auf dem Europäischen Markt einzuführen. Jaja, ich ertappe Sie gerade wieder bei Ihrem Zweifel an der Glaubhaftigkeit meiner Aussage – doch auch diese kann ich anhand eines entsprechenden EU-Dokumentes beweisen. In einer Empfehlung des Europäischen Rates mit der Dokument-Nr.: 2008/390/EG wird in der Leitlinie 13 (Seite L 137 / 22) unmissverständlich ausgeführt:

„Vorrangig sollten die Mitgliedstaaten folgende Maßnahmen treffen:

1. dem Wettbewerb entgegenstehende regulatorische und sonstige Hindernisse beseitigen;

2. die Wettbewerbspolitik konsequenter durchsetzen;

3. die Märkte und Rechtsvorschriften durch Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden selektiv überwachen, um Hindernisse für den Wettbewerb und den Marktzugang auszumachenund zu beseitigen;

4. wettbewerbsverzerrend wirkende staatliche Beihilfen abbauen;

5. im Einklang mit dem Gemeinschaftsrahmen Beihilfen auf bestimmte horizontale Ziele wie Forschung, Innovation und Aufwertung von Humankapital sowie zur Behebung spezifischer Schwachstellen des Marktes umschichten;

Also schauen wir mal auf die wirtschaftliche Praxis bezüglich der Vorstellungen unserer EU-Funktionäre: Sämtliche Wettbewerbshindernisse sollen beseitigt werden.

Wettbewerb entsteht durch den Verkaufspreis einer Ware. Der Verkaufspreis einer Ware resultiert aus den Kosten für die Produktion, aus der Lieferung der Ware und aus der angestrebten Profitmarge des Herstellers. Wer also die niedrigsten Herstellungskosten (Rohmaterialpreis, Löhne etc.) hat, wird den Wettbewerb „gewinnen“. Glauben Sie ernsthaft, dass das Lohnniveau in Deutschland unter diesen Umständen auch nur annähernd gehalten werden kann ? Ja ??? Dann empfehle ich Ihnen zur „Vermehrung der gewonnen Einsichten“ (Copyright by Maybritt Illner, oder so) folgende Passage aus dem gleichen Dokument auf der Seite (L 137 / 21). Dort heißt es in der Leitlinie 12:

Die Mitgliedstaaten sollten

1. die Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien beschleunigen;

2. das Binnenmarktrecht konsequenter und besser durchsetzen;

3. noch bestehende Hindernisse für grenzüberschreitende Tätigkeiten

abbauen;

Selbstverständlich wird Ihnen das als eine weitere „Freiheit“ verkauft – nämlich als so genannte „Freizügigkeit“ im gesamten Geltungsbereich der Europäischen Union. Fragt sich nur, ob Sie damit gemeint sind (weil Sie es vorziehen für 3,75 pro Stunde in Rumänien zu arbeiten) oder ob es sich vielleicht doch eher auf UnionsbürgerInnen bezieht, die bei einem Stundenlohn von 5 Euro gerne in Deutschland arbeiten wollen – also für das annähernd doppelte Einkommen, welches sie derzeit erzielen…

Aktions-Link: http//:www.myspace.com/stop_the_lisboa_treaty

Lese-Empfehlung: http://post.ostate.org

Weitere Artikel zu dieser Serie:

http://www.radio-utopie.de/2008/03/23/der-eu-reformvertrag-von-lissabon-teil-1/

http://www.radio-utopie.de/2008/03/27/der-eu-reformvertrag-von-lissabon-teil-2/

http://www.radio-utopie.de/2008/04/11/der-eu-reformvertrag-von-lissabon-teil-3/

http://www.radio-utopie.de/2008/04/14/der-reformvertrag-von-lissabon-teil-4/

http://www.radio-utopie.de/2008/05/02/der-eu-reformvertrag-von-lissabon-teil-5/

http://www.radio-utopie.de/2008/05/13/der-eu-reformvertrag-von-lissabon-teil-6/

http://www.radio-utopie.de/2008/04/24/der-eu-vertrag-illegal-nichtig-nicht-einmal-bekannt/

http://www.radio-utopie.de/2008/05/15/mdb-scheer-eu-reformvertrag-lag-bundestag-nicht-vollstaendig-vor/

http://www.radio-utopie.de/2008/05/19/vertrag-von-lissabon-stoppen/

http://www.radio-utopie.de/2008/04/24/der-eu-reformvertrag-von-lissabon-interview-mit-prof-schachtschneider/

-CK-

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