Mit der Ausfertigung des Beschlusses in Sachen 27 O 177/08 am 22.5.2008 hat das Landgericht Berlin in dem Rechtsstreit „Bundesrepublik Deutschland/BND vs. R-Archiv.de“ einen deutlichen Schlussstrich gezogen und führt in seinem Beschluss, der an Deutlichkeit keine Wünsche offen lässt, aus:
Gründe des Beschlusses
Die Klägerin (Bundesrepublik/BND) hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil dies der Billigkeit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand gemäß § 91 Abs. 1 ZPO entspricht.
Die Klägerin wäre voraussichtlich mit ihren Unterlassungsbegehren unterlegen.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.4.2008 (Az.: VI ZR 83/07), deren Gründe noch nicht vorliegen, über die der Bundesgerichtshof aber eine Pressemitteilung veröffentlicht hat, gilt für Richtigstellungsansprüchen von Behörden, dass diese nur gegeben sein können, wenn „die konkrete Äußerung geeignet ist, die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen“.
Gründe, weshalb die Anforderungen an Unterlassungsbegehren des Staates niedrig sein sollten, sind nicht ersichtlich.
Vorliegend ist aber nicht erkennbar, dass der BND schwerwiegend in seiner Funktion beeinträchtigt wäre, und zwar schon deshalb nicht, weil der Beklagte jeweils mitgeteilt hat, woraus sein Bericht fußt und er dem Leser mitgeteilt hat, dass der BND die Darstellungen bestreitet.
Unbekannte Hintergründe:
Der Beklagte betrieb bis zum 25.5.08 die Webseite R-Archiv.de, welche sich vorwiegend mit Vorgängen im nachrichtendienstlichen und polizeilichen Bereich beschäftigte.
Im Jahre 2006 nahm zu ihm ein ehemaliger V-Mann des BND (im Schäfer Bericht als TN „Sommer“ bezeichnet) Kontakt auf. Dem Beklagten fiel auf, dass dieser V- Mann mehrfach versuchte einen Kontakt zwischen dem Beklagten und den Buchautoren und ehemaligen BND-Agenten Wilhelm Dietl und Norbert Juretzko herzustellen.
Die Herstellung eines derartigen Kontaktes war dem Beklagten bereits von einem der Strafverteidiger des Norbert Juretzko angeboten worden, was der Beklagte ablehnte, da er befürchtete, von „Freunden“, die noch im Nachrichtendienst aktiv sind, abgeschöpft zu werden. Sinngemäß antwortete er auf das Angebot des Anwaltes: „Ich schätze die beiden Buchautoren sehr und werde den Teufel tun diese auszufragen. Zumal ich unterstelle, spätestens nach dem dritten Treffen habe ich beide Personen gesprächsweise „aufgeklärt“.
Nach dieser am Telefon gemachten Äußerung verstärkte der V-Mann merklich seine Bemühungen, einen Kontakt herzustellen.
Um Gründe für seine ständigen Anrufe zu haben, erzählte der V-Mann dem Beklagten Vorgänge aus dem BND unter anderem aktuelle Interna bezüglich eines BND-Mitarbeiters, der als Zeuge vor dem BND- Untersuchungsausschuss aussagen sollte.
Der Beklagte konfrontierte ein Mitglied des Ausschusses mit diesem Wissen. Der Parlamentarier bestätigte ungewollt dieses Wissen mit der überraschten Feststellung: „Das ist geheim, streng geheim – vorher wissen Sie das schon wieder?“
Der Beklagte ging nun davon aus, dass der V-Mann trotz seiner Enttarnung im Schäfer-Bericht weiter Kontakt zum BND habe. Die Enttarnung im Schäfer-Bericht möglicherweise nur eine höhere Stufe der Konspiration war. Wer sollte auch auf die Idee kommen, in der Person eines enttarnten V-Mannes einen noch immer aktiven „Agenten“ zu vermuten?
Etwa zu selben Zeit hatte der Beklagte einen heftigen eMail-Verkehr mit dem Pressesprecher des BND, in dem er dem BND – besonders aber dem Gesprächkreis ehemaliger Nachrichtendienstlern – vorwarf, für Gerüchte verantwortlich zu sein – er sei aktiv für einen Nachrichtendienst tätig.
Er drohte im Rahmen dieser Auseinandersetzung Interna des Gesprächskreises ehemaliger Nachrichtendienstler zu veröffentlichen und spottete, „wenn der Pressesprecher des BND einen seiner vielen Führungsoffiziere zufällig treffen sollte, ob er dann so nett wäre, diese vom Beklagten zu grüssen und auszurichten, dass der Beklagte den Eingang seiner Gehalts- bzw. Honorarzahlungen vermissen würde.“
Unmittelbar nach diesem eMail-Verkehr brachen die Anrufe des ehemaligen BND-V-Mannes ab.
Erst als durch eine Pressemeldung bekannt wurde, dass sich der Beklagte zwischenzeitlich mit dem Buchautor Wilhelm Dietl angefreundet hatte und mit diesem sogar gemeinsam recherchierte, nahm der V-Mann erneut Kontakt auf.
Diesmal ging der Beklagte auf den V-Mann ein und signalisierte Bereitschaft für den BND zu arbeiten. Der V-Mann unterbrach das Telefonat. Rief nach etwa 30 Minuten erneut an und teilte mit, dass er mit dem BND Kontakt gehabt habe. Man habe ihm mitgeteilt, „dass der BND eine polizeiliche Vernehmung des Beklagten in die Wege geleitet. Der Beklagte habe im Rahmen der Vernehmung Gelegenheit sein Wissen über Wilhelm Dietl und über journalistische Informanten aus dem Nachrichtendienst zu offenbaren“.
Der Beklagte verlangte für diesen offen gelegten Vorgang eine Entschuldigung des BND und kündigte an, beim Ausbleiben der geforderten Entschuldigung die mutmaßlich verantwortliche Mitarbeiterin des BND zu enttarnen.
Eine Entschuldigung kam natürlich nicht.
Die Enttarnung erfolgte dann mit der Artikel „Datenschützer mit BND- Agentin verheiratet“, in dem der Beklagte Behauptungen des V-Mannes „Sommer“ über den BND wiederholte – mit dem Zusatz „…der BND bestreitet diese Darstellung…“.
Der Artikel wurde dem BND zur Stellungsnahme übersandt. Nach dem der BND nur in allgemeiner Art behauptete, dass sich der Beklagte strafbar mache, wenn er den Artikel veröffentlichen würde – wurde der Artikel geschaltet.
Die Reaktion des BND war eine einstweilige Verfügung mit der dem Beklagten untersagt wurde drei konkrete Behauptungen – darunter zwei Behauptungen des V-Mannes „Sommer“ – zu wiederholen oder zu verbreiten.
Der Beklagte ignorierte die einstweilige Verfügung rechtlich (legte also keinen Widerspruch ein)und forderte über seinen Anwalt das Gericht auf, dem BND eine Frist zur Erhebung einer Unterlassungsklage zu setzen, welche dann auch fristgerecht erhoben wurde.
In der mündlichen Verhandlung verzichtete der Beklagte auf eine Wiederholung der streitgegenständlichen Behauptungen für den Fall, dass die Klägerin (Bundesrepublik/BND) die Hauptsache des Rechtsstreits und das Verfügungsverfahren für erledigt erklären würde und beantragte (für diesen Fall) die Kosten beider Verfahren der Klägerin aufzuerlegen.
Ein Verzicht, der sehr leicht fiel, da der Beklagte sich zwischenzeitlich überwiegend im Ausland aufhält und sich entschlossen hatte, die R-Archiv.de zu schließen.
Das Gericht verfuhr in beiden Verfahren – wie vom Beklagten beantragt und legte die Kosten des Rechtsstreits und des Verfügungsverfahrens dem Steuerzahler auf.
Einzelheiten zum Streitgegenstand und Verhandlungsverlauf sind nachzulesen unter
http://www.buskeismus.de/berichte/bericht_080520_22_lg_bln.htm#BND
Zur Rechtslage – ohne die zwischenzeitlich ergangene BGH Entscheidung:
http://www.r-archiv.de/article3175.html