Die Demokratenunion
Die Obama-Clinton-Einheit befindet sich in vollem Anmarsch auf das Weisse Haus
Washington, vorgestern Abend: „Dies war eine hart ausgetragene Kampagne. Das war es, was es so spannend und intensiv gemacht hat und warum die Leidenschaft der Menschen auf beiden Seiten so gross war. Ich weiss, dass meine Unterstützer extrem starke Gefühle haben, und ich weiss, Baracks genauso. Aber wir sind eine Familie, und wir haben jetzt die Gelegenheit wirklich deutlich zu machen dass wir wissen was auf dem Spiel steht und dass wir alles dafür tun um dieses Weisse Haus zurückzugewinnen.“
Diese Worte von Hillary Clinton vor 200 ihrer Finanziers und Spendensammler im Mayflower Hotel markierten den ersten gemeinsamen Auftritt von Barack Obama nach dem Ende des Vorwahlkampfes zwischen den beiden Bewerbern, welcher Obama schliesslich zum Kandidaten gemacht hatte.
Gestern nun wurde die symbolische Einheit („Unity“) der beiden US-Senatoren in jenem winzigen Dorf von New Hampshire besiegelt, in dem beide damaligen Konkurrenten jeweils 107 Stimmen bekommen hatten.
Was sie dort über sich selbst und ihre politischen Inhalte sagten, war eigentlich nicht mehr so wichtig. Was sie aber über einander sagten, darum ging es, das wurde genauestens verfolgt. Natürlich war schon ihr gemeinsamer Auftritt überhaupt der eigentliche Punkt des Interesses.
Jede Geste, die ganze Szenerie, bei gutem Wetter an einem Mittag weit draussen in der Pampa in irgendeinem Dorf mit magischem Zufall und ein paar hundert Einwohnern, dann noch die herbeikutschierten, grossstädtischen Gäste obendrauf – es war ein Ereignis ohnegleichen.
Nichts wurde dem Zufall überlassen. Die unsichtbare Regie funktionierte perfekt.
Beide betreten eine offene Bühne, der lang ersehnte Anblick. Sie spricht zuerst, er setzt sich auf einen kleinen Thron, sieht aber – gross, schlank, schwarz – ganz unköniglich darin aus, eher lässig, wie ein Buddy der einfach einer alten Freundin zuhört. Oft nickt er, aber nicht zu dolle, manchmal klatscht er.
Als sie gesprochen hat geben sie sich die Hände, umarmen sich, er hält seine alte Bekannte im Arm, beide lächeln und winken in die Menge, für eine Sekunde ergibt es das Bild, das Bild, was es noch nie gab in der Geschichte der Demokratie und schon gar nicht in der 2500-jährigen Geschichte der Imperien unter welchen unsere Kultur entstanden ist. Ein Bild, was vor einigen Jahren noch unvorstellbar war.
Aber die Welt hat sich verändert. Die Welt hat sich verändert.
Er spricht. Sie steht. Sie setzt sich nicht auf den Thron, der – husch, husch – von unsichtbaren dienstbaren Geistern jenseits aller Kameraperspektiven schnell beiseite geräumt worden ist.
Er lobt ihren Mann. Er lobt ihren Mann. Er lobt schon wieder ihren Mann und dann lobt er Bill Clinton.
Er sagt, er könne im Wahlkampf gegen John McCain gar nicht mehr ohne ihn. Immer sagt er „they“ und „die Clintons“.
Dabei schien es doch ein intimer Kampf zwischen dem Hallodri Bill und dem jungen, hageren Schwarzen gewesen zu sein. Dabei hatten beide die letzten Monate nichts anderes zu tun als Hillary Clinton vom Weissen Haus fernzuhalten, der eine mit mehr oder wenigen klugen Sprüchen, der andere mit strunzdummem, blödem Gesabbel.
Aber dann. Barack Obama spricht die Frauen an. Er spricht über seine Töchter, denen später dank Hillary Clinton nie jemand sagen würde, sie könnten dies oder jenes nicht, weil sie Frauen sind. Er lobt Clinton. Er lobt ihre Stärke und ihre Persönlichkeit. Und er sagt, dass er – „die Demokraten“ sie braucht um den Kampf ums Weisse Haus zu gewinnen.
Es tönt von der Seite, eine Frauenstimme:
„She rocks!“
Er dreht sich in die Richtung der Zwischenruferin und sagt:
„Yeah, she rocks. Das ist es, was ich damit sagen wollte“.
Alles lacht.
Es ist kein gespieltes Lachen. Und der Moment des Zwischenrufens ist keine rhetorisch künstlich erzeugte Lücke. Es ist die Spontanität, die Wut der Clinton unterstützenden Frauen, vor denen Obama zu Recht Respekt hat, und es ist seine Gabe die Geschehnisse schnell aufzugreifen und darauf zu reagieren. In diesen Momenten merkt man erstens, dass Obama den Umgang mit starken Persönlichkeiten welche nun mal in Frauen gefahren ist gut umgehen kann und zweitens, dass die Kombination der beiden Personen da auf der Bühne ein Glücksfall ist den keine der beiden Machtmaschinerien hinter Obama und Clinton je hätten planen können.
Es ist, bei aller Inszenierung, einer der seltenen Momente echter Geschichten der Geschichte, die sich da am 27.Juni des Jahres 2008 nach dem Handwerker in Unity, New Hampshire abspielt.
Obama spricht sich in Stimmung, baut noch schnell seinen üblichen Faux Pas, seine Angriffsdrohung gegen Pakistan ein, indem er sagt „Wir müssen die Führer von Al Kaida dort jagen wo sie wirklich sind“ (Clinton klatscht extrem kurz Beifall), „wir müssen..wir können…(Jubel, Jubel)..“ und dann sagt er vorsichtig am Ende etwas, was er früher noch herausgebrüllt hätte:
man könne nicht nur Amerika bis in die letzten Winkel verändern, „sondern wir können die Welt verändern. Danke, danke…“, winke, winke.
Umarmung, Foto, sie dreht sich zu einem Unterstützer im Hintergrund der Bühne, er wartet bis sie hinabgegangen ist, greift sich ein Wässerchen, sie geht zu den Unterstützern vor der Bühne, er geht dann unauffällig flott von der Bühne backstage, sie steht noch vorne, spricht (natürlich mit Frauen) und hat ihren Auftritt nach dem Auftritt.
Was will uns dieser Auftritt damit sagen? Und was dieser Artikel?
1. Niemand weiss was.
Sämtliche ehrenwerten Garderobenständer, Mikrohalter und Ableser aus dem Medienuniversum, von CNN, LA und NYTimes, bis Spieglein, Spieglein an der Wand von Hamburg, von aller Zeit der Welt, usw: sie alle haben keine Ahnung und reden drüber.
Es ist alles Mist, samt und sonders. Weltweit hat keiner dieser Schwiegersöhne und Kamera-Tanten auch nur einen Schimmer, was hier vor sich geht.
Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die regulären Informationsquellen und Kommunikationsadern, welche die westliche Welt seit Erfindung des Fernsehens durchzogen haben, verkalkt, versiegt und unwiederbringlich abgestorben sind.
Heute Abend ist es so, als hätte Luther seine Thesen an das Tor genagelt und alle herumstehenden hätten ihn gefragt, wo denn das Tor sei.
Es ist einfach unbeschreiblich.
2. Obama ist bereits Präsident und Hillary Clinton ist bereits seine Vizepräsidentin.
Es sei denn, man findet doch noch den iranischen Grossvater oder ähnliches. Da könnte uns sogar der Himmel auf den Kopf fallen, oder den Iranern oder den Amerikanern. Selbst all das zusammen würde nichts mehr ändern. Denn grosse Teile der Rechten in den USA rechnen mit Obama und setzen ihr Geld auf ihn.
Die „Obamacons“ symbolisieren endgültig den Abfall eines Grossteils der US-Elite von John McCain als dem Kandidaten der Neokonservativen, welche die US-Republikaner seit George Bush junior geschluckt haben.
Es sind christliche Konservative, aber nicht diese Wahnsinnigen aus der evangelisch-klerikal-fundamentalistischen Ecke. Es sind die Klassiker von Konservativen welche die Freiheit früher schätzten, welche sie jetzt schätzen, die den Krieg im Irak endlich vom Hals haben wollen weil sie sehen dass er Amerika in den Abgrund reisst und schon jetzt seinen Ruf für die nächsten 30 Jahre ruiniert hat. Konservative die an der eigenen Partei verzweifeln, weil die unter Politik nur noch versteht „die Steuern zu kürzen, in Naturschutzgebieten nach Öl zu bohren und Bomben auf muslimische Länder zu schmeissen“, wie es ein Autor von „American Conservative“, Daniel McCarthy, formulierte, .
Andrew Bacevich, ein weitere Autor der Zeitung, meint – in Konfrontation und Abgrenzung zu den Neokonservativen rund um die Bush-Regierung und John McCain – das eine Fortsetzung des Irakkrieges ein konservatives Revival und eine klassisch-konservative Aussenpolitik schlicht unmöglich mache.
Unterstützer Larry Hunter, „Konservativer aus Zweifel“ Andrew Sullivan, der schwarze Kolumnist Andrew Sullivan, Libertäre wie David Friedman, die langjährigen Mitarbeiter von „National Review“, Jeffrey Hart undWick Allison, sie alle repräsentieren ein Thema, was seit Tagen neben Obama und Clinton die Vereinigten Staaten von Amerika beschäftigt: die Obamacons.
In der deutschsprachigen Presse taucht nicht einmal dieses Wort auf.
Allein das zeigt, wie gespenstisch hilflos jeder ist in der Nachrichtenbranche der Bimbesrepublik, wenn vom grossen Bruder mal keine klaren Ansagen mehr kommen. Die Spitze der Pyramide ist für die Sklaven, die sie bilden und jeden Tag auf´s neue bauen, das einzig Wichtige. Sie müssen wissen wem sie gehorchen sollen. Jetzt aber stehen sie da, machen Artikel und Berichte, und tun so als hätten sie irgendeine Ahnung wovon sie reden nur weil sie schick angezogen sind.
3. Zur Demokratenunion (endlich).
Nach dem das Weisse Haus zurückerobert ist, darf der Rest der ganzen Demokratenunion des Westens (zum ersten Mal nach dem Abgang von Bill Clinton im Jahre 2000) auch mal wieder Politik machen. Bis dahin hält man wie immer die Schnauze und stellt sich schon mal gut mit dem neuen Cäsar.
Wenn dann Obama im Weissen Haus sitzt, hat er (ohne ernsthaften Beistand) schon bevor er im Sessel sitzt die ganzen Höflinge im Schoss; die es schon immer gewusst haben, die Schwarze schon immer gemocht haben, und die auch schon immer wussten wo Bin Laden ist aber es nie zu sagen wagten, usw.
Sie sind eingeladen, sich an der Vizepräsidentin vorbei zu schleichen. Um drei Uhr morgens.
Keine Chance. You bet..
(…)
05.06.08 Clinton verkündet Samstag Unterstützung von Obama
07.05.08 Das Obama-Clinton-Arrangement
Video hinzugefügt und das Wort Thron korrigiert am 12.April 2015. Wie doch die Zeit vergeht.