Das Ende des neoliberalen Zeitalters scheint angebrochen zu sein. Der sichtlich schwache US-Präsident Bush kann seine schützende Hand nicht mehr über die Abzocker halten und sein Nachfolger ist noch nicht gewählt. In diesem Korridor der Freiheit schlagen Justiz und einige Senatoren voll zu.
Senator Carl Levin, ein Demokrat aus dem Michigan, hat sich Heinrich Kieber geangelt, der schon dem BND die brühmte DVD verkauft hat, mit dem die Affäre Zumwinkel begann.
Der Senator hat sogar ein Video mit dem er durch die Ausschüsse zieht und die Medien dieser Welt beeindruckt:
In Amerika sagte Hauptzeuge Kieber jetzt zum ersten Mal öffentlich aus. Bewaffnet mit diesem Video hat der einflussreiche Senator Carl Levin, ein Demokrat aus dem Bundesstaat Michigan, zu einer Attacke gegen Steuersünder geblasen. Levin: „Steueroasen führen wirtschaftlichen Krieg gegen Amerika.“ Deshalb führt Levin Krieg gegen die Steueroasen. Neben Kieber stützt er sich noch auf einen weiteren Zeugen, einen ehemaligen Top-Banker der Schweizer Großbank UBS.
Mit Insider-Wissen der beiden ausgestattet, zerrte Levin nun als Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses im Senat pikante Details über Praktiken der Banken LGT und UBS ans Licht. In dicken Berichten legt der Ausschuss dar, wie bereitwillig die Banken Steuerflüchtlingen Unterschlupf boten. Rund hundert Milliarden Dollar entgehen so jährlich dem Fiskus.
Natürlich sind es diese hundert Millarden und die Zinsen daraus aus Jahrzehnten. Würde man das Geld auf einen Schlag in die Hand bekommen, wäre die amerikanische Staatsverschuldung signifikant zurrück zu fahren, allerding wären dann auch die Schweiz und Liechtenstein pleite.
„Wir sind entschlossen, die Mauer des Bankgeheimnisses zu zerschlagen“, sagt Levin. Wenn die UBS ihr Kooperationsversprechen hält, bröckelt die Mauer bereits jetzt.
Während es Levin in erster Linie um die Steuerhinterzieher geht, hat der New Yorker Generalstaatsanwalts Andrew Cuomo ganz andere Giftpfeile in seinem Köcher:
hat der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo gegen die UBS eine Zivilklage wegen betrügerischer Verkaufspraktiken angestrengt. Es geht um die Vermarktung sogenannter «auction-rate securities» oder ARS. Die fraglichen Wertpapiere wurden gemäss der Klageschrift gegenüber institutionellen und privaten Kunden als hochliquide bzw. Cash-ähnliche Anlagen angepriesen, als der Markt für ARS bereits nicht mehr funktionierte und illiquid geworden war. Eine ähnliche Klage hatte zuvor schon die Wertpapieraufsicht des Gliedstaates Massachusetts angestrengt (vgl. NZZ vom 27. 6. 08). Die Aufsichtsbehörden von Texas haben mit dem Entzug der gliedstaatlichen Banklizenz gedroht, falls die UBS nicht alle ARS-geschädigten Kunden im Staat vollumfänglich entschädigen werde. Ein Hearing in der Sache ist für September anberaumt. Die UBS verwaltet in Texas Kundenvermögen von rund 65 Mrd. $.
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Wie schon der Staatssekretär von Massachusetts, William Galvin, untermauert auch Cuomo seine Anschuldigungen mit E-Mails von UBS-Managern, die eigentlich wenig Zweifel am Tatbestand offenlassen, dass den Kunden die Wertpapiere «untergejubelt» wurden, die jedoch von der UBS als «aus dem Zusammenhang gerissen» bezeichnet werden. In der Klage heisst es unter anderem, sieben Manager hätten vorab ihre persönlichen Positionen an ARS in Höhe von 21 Mio. $ verkauft, bevor die Marketingaktion gestartet worden sei. Insgesamt seien rund 50 000 UBS-Kunden auf ARS-Anlagen von 37 Mrd. $ sitzengeblieben.
Damit bekommt die UBS weiteren Ärger in den USA und es ist absehbar, das sie sich entweder von diesem Markt zurückziehen muss, oder aber alle Opfer voll entschädigen muss. Aber es geht nicht mehr nur um die UBS und die LGT, nicht mehr nur um die Steueroasen Schweiz und Liechtenstein. Die Deutsche Bank ist an prominenter Stelle dabei und ebenso Citigroup Inc, Merrill Lynch & Co, J.P. Morgan Chase & Co und die Goldman Sachs Group Inc.
Es geht darum, ob es Verantwortliche für die Subprime Krise gibt und ob diese nach amerikanischem Recht belangt werden können. Die Fragen, die sich große Teile der amerikanischen Justiz und der Politik stellen, formuliert Rechtsanwalt Helge Naber aus Bremen sehr vorsichtig, aber auch sehr treffend:
Bei der „Immobilienkrise“ könnte es sich auch um aufzuarbeitende Probleme bei der Verbriefung („Securization“) von geringwertigen Wertpapieren handeln, wenn man einmal ältere Diplomarbeiten auf den rechtlichen Ansatz hin überprüft. Möglicherweise wurden wertlose Liquiditätsfazilitäten über so genannte „Zweckgesellschaften“ mit Sitz im Ausland originiert, die zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen alle Verantwortlichen einladen. Zu prüfen ist, ob die Ursachen „Marktstörungen“ wirtschaftlicher Art sind oder eher im rechtlichen Bereich liegen. Diese Ursachen genießen den unglücklichen Vorzug, schon seit längerem bekannt zu sein, ohne dass gewagt wird, darüber offen zu sprechen, wie Churchill wohl gesagt hätte.
Ohne die rechtlichen Rücksichten die ein Rechtsanwalt nehmen muss, könnte die Fragestellung auch lauten, ob anstatt von realen Werten einfach Luftblasen verkauft wurden und ob daraus ein realer Schaden entstanden ist. Der reale Schaden ist weltweit sichtbar, das die Hypotheken keinen Wert hatten, weiß mittlerweile auch jeder. Also gibt es gute Chancen die Verursacher zu verklagen.
Eines der ersten Verfahren gegen eine Bank, die in vorsätzlicher Weise und mit betrügerischer Absicht ihren Kunden bei der Vermittlung von Hypothekenkrediten und der Platzierung und dem Verkauf von Asset-Backed Securities beihalf, obwohl sie wusste, dass diese Beteiligungen wegen der zugrunde liegenden Risikostrukturen in der Pleite des Pool enden würden (und auch taten), war das Verfahren First Alliance Mortgage Co. v. Lehmann Commercial Paper Inc.,471 F.3d (9th Cir. 2006). Das Gericht hatte bestätigt, dass eine Bank, die die Vermarktung und den Verkauf von Asset-Backed Securities durch einen Pool-Betreiber unterstützt, obwohl sie um die Wertlosigkeit derartiger Beteiligungen weiß, den Insolvenzgläubigern des Pool-Betreibers als Mittäterin unmittelbar haftet (in diesem Fall für rund US$ 5,2 Mio).
Es geht also los und jede gewonnene Klage wird den Weg für weitere Klagen vorbereiten. Interessant ist der Prozess City of Cleveland v. Deutsche Bank AG, Az. CV-08-0646970 (Ohio Ct. Com. Pl.). Dabei geht es darum, das die Deutsche Bank Hypotheken an Leute vergeben hat, die klar erkennbar nicht zahlungskräftig waren oder unter Zwangsvollstreckung standen. Als direkte Folge der vielen Zwangsvollstreckungen verfielen die Grundstückspreise in dem Gebiet und Cleveland sei nicht nur nicht mehr in der Lage mit öffentlichen Mitteln Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, sondern bereits durchgeführte Sanierungen wären wertlos geworden.
Das gibt dem Ganzen ein völlig neues Gewicht, weil es eben die Anzahl der Klageberechtigten extrem erweitert. Die Frage ist, wann der erste Zwangsvollstreckte Recht bekommt, weil die Bank ihm nach ihren eigenen Regeln gar keine Hypothek hätte geben dürfen. Da dürften solche Sätze, selbst einem Josef Ackermann einen eisigen Schauer über den Rücken jagen und die Viktory-Finger zusammenkrampfen lassen:
Im Nachgang der Krise werden geschädigte Anleger in Verfahren gegen Finanzier, Emittenten, Verkäufer und Vermittler von Asset-Backed Securities und Collateralized Debt Obligation-Pools weitere Rechtsfortbildung betreiben müssen, um die Ursachen der Krise aufzuarbeiten und ihre Verluste ersetzt zu erhalten.
Damit sollten sich die geschädigten Anleger wohl etwas beeilen, bevor das letzte Geld auch weg ist.