Wie viel Folter darf es denn sein?

67. Deutscher Juristentag in Erfurt
Sind Beweise, die die Polizei auf rechtswidrige Art erhoben hat, vor Gericht verwertbar?

In Deutschland gibt es nur wenige Verwertungsverbote. Eines dieser Verwertungsverbote betrifft Aussagen und Geständnisse – die unter Folter – gemacht wurden. Das ausgerechnet ein Bundesanwalt dieses Tabu durchbrechen will und dies auch noch mit der Herkunft von Informationen begründet – ist starker Tobak.

Es ist eine Fachdiskussion – ich verzichte deshalb auf die Zitate – bringe die Quelle der bisher vollständigen Beiträge zu diesem Thema. Führe aber nachfolgend etwas in dieses Thema ein.

Regelverletzungen bei polizeilichen Ermittlungen sind fast schon keine Ausnahme mehr. Gefahr im Verzug kann jeder Trottel begründen und schon kann ohne richterliche Genehmigung eine Wohnung durchsucht werden. Die angeblich irrtümlich abgehörte Telefonleitung gehört ebenso zu den zwischenzeitlich üblichen Regelverstößen der Polizei, wie die vergessene Zeugen- oder Beschuldigtenbelehrung vor einer Vernehmung.

Selbst die Nötigung ist längst Polizeialltag und glaube ich der Presse, dann ist eine bekannte Staatsanwältin im Steuerrecht der Meinung, dass man einem Beschuldigten durchaus mit sofortiger U-Haft drohen kann, wenn er in Steuerstrafsachen nicht gesteht.

Die Steuerfahndung gar ist der Meinung, sie dürfe einem Bankenerpresser für viele Millionen illegal beschaffte Daten abkaufen und mit Hilfe dieser Daten gegen die betroffenen Bankkunden ermitteln.

An dieser Stelle möchte ich enden und auf die Diskussion auf dem Erfurter Juristentag verlinken:

http://www.djt.de/files/djt/67/djt_67_thesen_strafrecht.pdf

Besonders empfehle ich die Thesen des stellvertretenden Generalbundesanwalts Rainer Griesbaum (Leiter der Abteilung Terrorismus in der GBA), der Aussagen oder Geständnisse unter Folter – für einen juristischen Anfangsverdacht – zum Zwecke der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durchaus verwenden möchte.

Dies ist kein theoretischer Fall sondern längst Realität, wie ein Beschluss des Bundesgerichtshofes beweist, den ich vor längerer Zeit auf der ehemaligen R-Archiv.de veröffentlicht hatte:

Bundesgerichtshof
Ermittlungsrichter
2 BGs2……/07
2 BJs 41/07-8

Beschluss
vom 1. August 2007

In dem Ermittlungsverfahren

gegen

A….. N……

wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, 129b Abs. 1 StGB u.a..

Gemäß §§ 81 a Abs. 1 Nr. 1, 81 d, 162, 169 Abs. 1 Satz 2 StPO wird

die körperliche Untersuchung,
die Entnahme einer Blutprobe
und die Entnahme von noch im Hautgewebe vorhandener Partikel, die Rückschlüsse auf Sprengstoff zulassen,

bei dem Beschuldigten
A. N.
geboren am ….. in …..
wohnhaft : ……

gestattet.

Mit der Durchführung der Maßnahme wird der Sachverständige …… oder sein Vertreter im Amt beauftragt.
Gründe:

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof führt gegen A.N. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaeda.

Nach bisher vorliegenden Erkenntnissen ist der Beschuldigte hinreichend verdächtig, die ausländische terroristische Vereinigung Al-Qaeda seit Januar 2006 durch Geldzahlungen, durch die Rekrutierung von Kämpfern, durch die Übergabe von Ferngläser und Nachsichtbrillen sowie durch das Erbieten, selbst für Al-Qaeda kämpfen zu wollen, unterstützt zu haben. Es besteht zudem der Verdacht: Dass sich der Beschuldigte in Lagern der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaeda im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan aufgehalten und an Ausbildungen teilgenommen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die beglaubigte Abschrift des Vermerks vom 12. Januar verwiesen.

Der Beschuldigte wird am 7. August 2007 von Pakistan in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren.

Die Untersuchung des Beschuldigten ist zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich.

Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse besteht der Verdacht, dass sich der Beschuldigte in einem Ausbildungslager der ausländischen terroristischen Vereinigung Al-Qaeda aufgehalten und sich beim Hantieren mit Sprengstoff verletzt hat.

Gegenüber dem pakistanischen Geheimdienst ISI soll der Beschuldigte angegeben haben, dass ihm von einem Al-Qaeda Mitglied Namens A…. R….. eine Ausbildung angeboten worden sei. Er – der Beschuldigte – habe erfolgreich eine Sprengvorrichtung hergestellt, die 250g K……. mit Kohlenstoff enthalten habe. Bei einem zweiten Versuch habe er sich an seiner rechten Hand und am Arm verletzt, da es beim Mischen von K….. mit rotem Phoshor vorzeitig zur Explosion gekommen sei.

Die körperliche Untersuchung des Beschuldigten und seiner Verletzung sowie die Entnahme von noch im Hautgewebe vorhandener Partikel, die Rückschlüsse auf Sprengstoff zulassen, erscheint geboten, um Tatsachen festzustellen, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Abhängig von der medizinischen Versorgung und dem Heilungsverlauf können Sprengstoffrückstände und textile Mikospuren in den Wunden des Beschuldigten erwartet und sichergestellt werden.

Die körperliche Untersuchung erscheint weiter geboten, um neben den vermuteten Verletzungen an Hand und Arm weitere Hinweise auf pathologische Schäden wie beispielsweise Hämatome durch die Druckwelle (Anstoßen an Gegenständen pp.) zu erlangen und im Wege eines Gutachtens zu bewerten. Daneben können Anhaltspunkte für Angriffs- und Abwehrverletzungen am Körper des Beschuldigten festgestellt werden.

Ferner erscheint die Entnahme einer Blutprobe geboten, da im Wege der Untersuchung Anhaltspunkte über den körperlichen und geistigen Zustand des Beschuldigten im Hinblick auf die Einnahme oder Verabreichung von Medikamenten gewonnen werden können.

Angesichts der Schwere des Vorwurfes und des Verdachtsgrades ist die Anordnung auch verhältnismäßig.

Von der vorherigen Anhörung des Beschuldigten war abzusehen, um den Zweck der Anordnung nicht zu gefährden (§ 33 Abs. 4 StPO).

……………………………………
Richter am Bundesgerichtshof

Anmerkung:

Der 25- jährige Beschuldigter ist Deutscher – pakistanischer Herkunft.

Zwei Mal im Jahr besuchte er seine Mutter in Pakistan. Er wurde am 18.6.2007 auf dem Flughafen – unmittelbar bevor er ein Flugzeug nach Deutschland bestieg – von Agenten der ISI festgenommen – mit dem Vorwurf – er sei der Chef der Al-Qaida in Europa.

Vernommen wurde er von CIA- Agenten – geprügelt von ISI- Agenten. Immer mit der gleichen Anzahl von Schlägen.

Bereits seine CIA- Vernehmer hielten ihm vor, dass er die – Anfangs September 2007 im Sauerland festgenommenen Adem Y./ Daniel S. / Fritz G. kennen würde.

Waren seine Vernehmer mit seinen Antworten unzufrieden, dann kamen die pakistanischen Folterknechte.

Aus Angst vor Schlägen habe er zuletzt alles gestanden.

Er kehrte nicht, wie der Ermittlungsrichter am BGH glaubte – am 7.8.2007 – unmittelbar aus pakistanischer Haft in die Bundesrepublik zurück – weil der Ermittlungsrichter am Obersten Gerichtshof in Pakistan dem BGH eine Lektion in Sachen Rechtsstaat erteilte.

Das pakistanische Gericht erklärte, weil der Beschuldigte nicht innerhalb den gesetzlichen Fristen dem Haftrichter vorgeführt wurde – die Fortdauer der Untersuchungshaft und die Verwertung der ISI- Vernehmungsprotokolle für unzulässig, da die Vernehmungsmethoden des Geheimdienstes nicht rechtstaatlichen Anforderungen entsprechen würden.

Der Ermittlungsrichter am BGH aber will – wie obiger Beschluss zeigt – Hämatome oder sonstige Verletzungen am Körper des Beschuldigten – einer Kampfausbildung zuordnen oder einer Druckwelle – zwei Monate nach der Festnahme in Pakistan, obwohl diese Verletzungen auch durch Folter entstanden sein können.

Ich fordere die Leser zur Diskussion auf – nicht über die Person des Bundesanwaltes – sondern über seine Thesen.

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