Dummerweise steht die Weltwirtschaft vor oder besser mitten in der größten Krise ihrer Geschichte. Die USA haben es endgültig gerissen. Der 700 Milliarden Dollar Plan des Hank Paulson darf als gescheitert betrachtet werden, bevor er überhaupt greifen konnte. Den geschätzen Kosten von vermutlich 10.400 Milliarden Dollar gegenübergestellt war Paulsons Betrag von Anfang an ein Witz.
Allerdings war auch die von vielen geteilte Einschätzung, dass sich Merkel und die anderen G7 Chefs mit in den sinkenden Kahn ziehen lassen, offensichtlich falsch.
Merkel scheint die USA schon so schwach einzuschätzen, dass sie nicht mehr bereit ist, den Befehlen Bushs bedingungslos zu gehorchen und Bush hat zur Zeit nichts, was er ihr und den anderen bieten könnte. Er ist eine „lame duck“ und sein wahrscheinlichster Nachfolger John McCain wird zur Zeit von vielen Analysten nur als Trittbrett für Sarah Palin gesehen, die ihre Rolle als Redneck sehr überzeugend ausfüllt.
Auch wenn ein paar Intellektuelle sie für zu unbedarft halten, ist sie eher der geeignete Bush Ersatz als McCain, der ja sogar schon einmal ansatzweise selbst gedacht haben soll. Die republikanischen Befehlsstrukturen sind aber mittlerweile auf die Bush und Co. als Präsidenten eingeschworen, weil diese sich so leicht führen lassen. Dumm und so ignorant, dass auch hoffnungslose Positionen noch mit einem Lächeln vertreten werden.
Bush muss ja genauso wenig regieren wie es sein Vater tat oder wie es McCain und Palin dürften. Zum regieren haben die USA die großen ThinkTanks und Lobbyorganisationen. Wenn sich die G7 Staaten also dafür entscheiden, die USA mit deren Finanzmarktproblem alleine zu lassen, dann geht es nicht etwa um regieren sondern um die Machtfrage. Unterstützt Merkel die offizielle Verstaatlichung der Bankenschulden, brennt in Deutschland die Luft. Sie würde das politisch nicht überleben.
Sarkozy könnte es überleben, aber es würde Aufstände geben. England hat kein Geld übrig und Japan wahrscheinlich auch nicht. Die USA stehen alleine da. Diese Situation ist neu und für die USA sehr bedrohlich. Der Versuch sich mit schnellen Siegen im Irak, in Afghanistan und vermutlich auch einem geplanten Sieg im Iran zu sanieren, darf als gescheitert angesehen werden.
Der Krieg in Afghanistan ist verloren, der gerade erst gegen Pakistan begonnene Krieg wird ebenfalls in einem Desaster enden, genau wie es der versuchte Krieg gegen Russland in Georgien schon getan hat. Plötzlich gelten nicht mehr die amerikanischen Allmachtsfantasien, sondern nur noch die harte Realität.
Die ist relativ einfach zu beschreiben. Die Staatsverschuldung der USA beträgt mehr als 350 % des Bruttosozialproduktes. Zwar darf man Banken und auch solch seltsame Konstruktionen wie die MLP nicht mehr shorten, was die Wahrheit aber nur langsamer ans Tageslicht kommen lässt, aber man darf den Dollar shorten und genau das macht zur Zeit alle Welt. Man macht es massiv und wenn man die drohenden Verluste, die jetzt aus der Übername der faulen Papiere kommen werden, dazurechnet, wohl auch zu recht.
Rechnet man dazu, das quasi „normale“ Defizit der USA hinzu, das für 2008 wohl 500 Milliarden Dollar betragen dürfte und sich bei gleichbleibender Entwicklung bis 2010 wohl verdoppelt haben dürfte dazu, dann wird es schon sehr eng, ohne dass man das Außenhandelsdefizit von mal eben 720 Milliarden Dollar erwähnen muss.
Die USA und damit der Dollar sind erledigt. Pleite. Konkurs. Fertig mit dieser Welt. Wer heute sein Geld in US-Staatsanleihen angelegt hat, verliert bereits Geld. Die meisten wissen nur nicht wie viel, weil es keine verlässlichen Zahlen zur Inflation gibt. Aber selbst China muss sich schützen und muss versuchen, die Bündel von Staatsanleihen, die sie und Japan da rumliegen haben zu shorten. Wer als letzter noch durch die Tür kommt, hat gewonnen. Wer nicht mehr durchkommt, ist selbst erledigt.
Das ist kein Umfeld für steigende Aktienkurse. Eher das Gegenteil ist der Fall. Paulson konnte mit angekündigten 700 Milliarden Dollar nur ein Strohfeuer für einen Tag veranstalten. Gleichzeitig ging der Ölpreis in Dollar um 12 Prozent nach oben. Wer sich für Charttechnik interessiert, mit der man allerdings alles und auch dessen Gegenteil darstellen kann, wird es interessant finden, dass der S&P 500 in seinem gleitenden Zehn-Monatsdurchschnitt der vergangenen zehn Jahre aktuell die Tiefstände der anderen Krisenzeiten erreicht hat.
Die Beobachtungen, die sich daraus nun ableiten lassen, sind nicht besonders erfreulich: Seit 1910 gab es nur vier Perioden, da sich der S&P 500 in der Nähe dieses sehr langfristigen gleitenden Durchschnitts aufgehalten hat. Alle bisherigen „Ausflüge“ waren gekennzeichnet von weltweiten Verwerfungen und schwersten Turbulenzen an den Kapitalmärkten.
Die erste Phase von 1913 bis 1924 war geprägt vom Ersten Weltkrieg. Der Weltwirtschaft bescherte diese Zeit vier schwere Rezessionen unmittelbar hintereinander. Zwei davon (1913-1914 und 1920-1921) dauerten jeweils mehr als zwei Jahre.
In die zweite Phase fielen die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg.
Anschließend dauerte es eine ganze Generation, bis der Indikator in der Phase der galoppierenden Inflation während der 1970er Jahre erneut die Null-Linie erreichte. Was harmlos klingt, das war aus Anlegersicht die schlimmste aller Welten: Stagflation, steigende Preise bei stagnierendem Wirtschaftswachstum also, hatten dazu geführt, dass gegen Ende der Periode in den Massenmedien der „Tod der Aktienanlage“ ausgerufen wurde.
Zu keinem Zeitpunkt waren allerdings die Staatsschulden der USA, die Verbindlichkeiten der Wirtschaft und Verbraucher so groß wie heute. Eine Lösung wie in der Vergangenheit wird es nicht geben, weil sie einfach niemand mehr finanzieren kann. Es wurde viel zu viel Geld ohne jeden Gegenwert geschaffen. Vor allem in den USA, aber natürlich auch in Europa und Asien.
Dieses Geld bedeutet überall Inflation. Besonders hart trifft diese Inflation die deutschen Arbeitnehmer, weil in Deutschland nichts ohne Übertreibung gemacht werden kann. Selbst die Religion des Neoliberalismus musste bis zur letzten Gemeinheit in die Praxis umgesetzt werden. Die Folge war ein ständiges Absinken der Reallöhne, das die Konsumfähigkeit der deutschen Bevölkerung auf historische Tiefststände drückte und reale Armut bei Vollzeitarbeit erzeugte.
Andere Länder haben noch eine funktionierende Binnenwirtschaft, Deutschland ist nur auf Export orientiert und gewissenlose Arbeitgeberverbände haben zusammen mit faulen oder gekauften Gewerkschaftlern diesen Missstand festgeschrieben. Das bedeutet, dass beim jetzigen Konjunkturabsturz selbstverständlich kein Anspringen einer Binnenkonjunktur helfen könnte, selbst wenn die Unternehmen auf Gewinne aus Umsatz verzichten würden. Es ist einfach kein Geld da.
Arbeitsplätze werden in immer schnellerem Tempo in Zeit- oder besser Sklavenarbeit zu Niedrigstlöhnen umgewandelt. Die Langzeitlosen sind vollständig vom Leben in der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Reichen zahlen insgesamt weniger als ein Zehntel des Staatshaushaltes, behalten aber 90 Prozent der Gewinne. Damit ist der Staat in der Krise nicht mehr handlungsfähig.
Natürlich könnte der Staat für Steuergerechtigkeit unter Einbeziehung der Konsumsteuern sorgen und auch die Lasten für Kinder, Alte und Kranke gerecht verteilen, aber das ist mit dem deutschen Staat nicht zu machen, weil sich die Politik in aller Breite an das Kapital verkauft hat und nur noch auf Aufsichtsratsmandate und Sonderzahlungen schielt.
Neben den fundamentalen Krisenmerkmalen wird die deutsche Krise also auch noch durch die totale Ausweglosigkeit verschärft. Selbst wenn der Staat von Konjunkturprogrammen spricht, denkt er nur daran, das Großkapital noch stärker zu subventionieren und die Armen ersatzweise noch ärmer zu machen. Das bedeutet, das deutsche Aktien in fataler Weise überbewertet sind, weil die Binnenwirtschaft als Stütze fehlt.
Für die Banken in Deutschland und die Versicherungen heißt das, dass in sehr hohem Maße Abschreibungsbedarf entstehen wird. Lebensversicherungen werden Mühe haben, das eingezahlte Kapital zu bewahren, von einer Rendite dürfte schon bald keine Rede mehr sein. Damit sind in Deutschland aber weitere Kredite und Hypotheken in Gefahr, die zusätzlich mit Aktien und Lebensversicherungen besichert waren. Die Katze beißt sich selbst in den Schwanz.
Ein Ausweg liegt nur in einem schnellen und harten Wechsel des Systems. Dies wird nicht ohne eine Revolution gehen, da es keine Möglichkeit gibt die herrschende Politklasse durch Wahlen loszuwerden. Die existierenden Parteien haben Deutschland und die Menschen in Deutschland fest im Würgegriff. Andererseits gab es in Deutschland noch keine erfolgreiche Revolution. Aber vielleicht hat der Herbst 89 da etwas geändert.