Kulturkampf um die Republik: Verhindern FDP und Grüne das BKA-Gesetz im Bundesrat?
Wenn die bisher gegen die grosse Koalition aus SPD, CDU und CSU mit ihrer 2/3-Mehrheit irrelevante Opposition Wort hält, bahnt sich beim Verfassungsgericht in Karlsruhe eine deutliche Arbeitsentlastung an.
Denn das von allen ausser der hauchdünnen Oberschicht der Bundesregierungsparteien vehement abgelehnte BKA-Gesetz muss laut Verfassung von den Landesregierungen im Bundesrat bestätigt werden.
Zusammengerechnet haben die Landesregierungen unter Beteiligung der FDP (sowie Grüne und Linke) aber nur eine Stimme weniger als die hauchdünne Mehrheit der CDU-SPD-Regierungen im Bundesrat. (Anmerkung: das Bundesland Hessen gilt als provisorische Regierung der CDU unter Roland Koch).
Die Funktionäre der Parteien FDP und Grüne in ihren Landesregierungen haben doch tatsächlich angekündigt, dieses eine Mal Wort halten zu wollen. Es wäre das erste Mal in einem seit Jahrzehnten laufendem, skrupellosen Angriffskrieg des Establishments gegen den Wesensgehalt unserer Republik
Sogar in Hamburg, wo die Grünen den Koalitionspartner von Ole von Beust geben, und im berüchtigten Berliner Senat (wo „Die Linke“ mitregiert) hat man schon ein bisschen die Straussenfedern ausgefahren. Es wäre auch zu peinlich von der FDP Bayern linksalternativ überholt zu werden.
Denn es ist vor allem einer zu verdanken, dass hier die seit de facto weit über einem Jahrzehnt agierende „grosse Koalition“, die unter dem SPD-Strippenzieher im Bundestag, „Fraktionsführer“ Peter Struck schon unter Helmut Kohl im Vermittlungsaussschuss begann, endlich Widerstand gegen ihre verfassungsfeindliche Politik bekommt: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
VERSPÄTETER SIEG DER RICHTIGEN
Die langjährige Vorsitzende der Liberalen in Bayern war in den 90er Jahren Justizministerin unter Helmut Kohl. Sie trat am 16.Januar 1996 zurück, weil CDU und ihre eigene Partei die „grosser Lauschangriff“ genannte Verfassungsänderung samt Exekutivgesetzen zur schrankenlosen Inlandsspionage der Geheimdienst- und Polizeibehörden gegen die eigene Bevölkerung beschlossen. Sie hatte vorher mit diesem Schritt gedroht und sie hielt Wort.
Auf der anderen Seite war ein ganz besonders willfähriger Begleiter und Kollaborateur des damals seit fast 16 Jahren amtierenden CDU-Kanzlers Helmut Kohl am Werk: die SPD Oskar Lafontaines.
Der damalige Vorsitzende der SPD, heute von Trozkisten umjubelter Vorsitzender der „Linken“, unterstützte nach der Verstümmelung des Artikels 16 Grundgesetz im Jahre 1994 nun auch die des Artikels 13, die Grundlage für alle weiteren Polizeistaatsmassnahmen wie das BKA-Gesetz dieser Tage.
Auch gab Lafontaine 1997 dem schon damals amtierenden SPD-Fraktionsführer Peter Struck freie Hand im mcächtigen Vermittlungsausschuss (einer Art Vorläufer der jetzigen Bundesregierung) um die ausführenden Polizeistaatsgesetze zusammen mit der CDU auf den Weg zu bringen.
Es war dann ausgerechnet die als Bundesjustizministerin zurückgetretene Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, welche zusammen mit zwei anderen Liberalen der Alten Schule, dem ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundestages Burkhard Hirsch (FDP), vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 3.März 2004 die unter Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) umgesetzte Praxis der Totalüberwachung (zumindest in seiner ausführenden Gesetzgebung) zu Fall brachte.
DIE DANK KARLSRUHE ANGEGRABSCHTE REPUBLIK
Das Bundesverfassungsgericht liess die Verstümmelung des Artikels 13 Grundgesetz in Kraft, obwohl zwei Verfassungsrichter die durch 2/3 Mehrheit von Bundestag und Bundesrat beschlossene „Ergänzung“ des bis dato kurz, knapp und präzise gehaltenen Grundrechtes 13 durch nicht weniger als fünf neue Absätze für verfassungswidrig hielten.
Denn nach Artikel 19 Grundgesetz sind Änderungen an den Grundrechten (GG Artikel 1 – 19) automatisch unwirksam und nichtig, wenn sie den Wesensinhalt auch nur antasten. Artikel 19 Absatz 2 im Wortlaut.
„In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“
Hier nun zuerst das nach dem Faschismus beschlossene Grundgesetz Westdeutschlands im Original, mitsamt allen Änderungen, Verstümmelungen, Verschlechterungen, Verwässerungen, Sonderregelungen, Notstandsgesetzgebungen, usw, usw, usw.
Besonders die „Notstandsgesetze“ – ehrlicher wäre: das Notstandsgrundgesetz ab 1968 – sollte sich jeder einmal durchlesen (die betroffenen Artikel sind unterstrichen, die Änderungen in Kursivschrift). Erst dann erschliesst sich die ganze Farce der letzten Jahrzehnte deutlich.
Hier nun der Artikel 13 vor und nach der „Ergänzung“ durch CDU, SPD, CSU und FDP 26. 3. 1998 (BGBl. I S. 610):
„Artikel 13
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr in Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Uberwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.“
Nochmal zur Erinnerung: laut Artikel 19 darf der Wesensinhalt der Artikel 1-19 nicht angetastet werden. Jeder hirntote, blinde und bis ins Grundwasser versaubeutelte Vollidiot sieht, dass dies hier der Fall ist. Nur war Karlsruhe 2004 einfach zu feige dies festzustellen.
Das Bundesverfassungsgericht machte also das, was es von 1949 bis heute bei der Zersetzung seiner eigenen Substanz immer machte – es machte mit und meckerte ein bisschen dazu.
Die Grundgesetzverstümmelung von Artikel 13 galt weiter und Bundesregierung, Polizeibehörden und Geheimdienste machten einfach weiter.
POLITISCHE PRAXIS DER EXEKUTIVE SEIT KOHL: WEITER SO, SCHNAUZE HALTEN
Obwohl die ausführenden Gesetze des „grossen Lauschangriffs“ mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 2004 aufgehoben wurden, änderte sich – das sagen alle Quellen hinter den Kulissen – in der Praxis gar nichts. Schon mit der nächsten Gesetzesinitiative nach dem Urteilsspruch in Karlsruhe versuchte Schily, es wirkte wie ein Fusstritt gegen die Gewaltenteilung, genau das Gleiche noch einmal, nur noch schlimmer.
Es läutete die bis heute durch SPD, CDU und CSU betriebene Praxis des „Augen zu und durch“ gegen das Grundgesetz und gegen die zahnlosen Sprüche aus Karlsruhe ein.
Spätestens seit 2004 wird jedes Urteil der höchsten Insitution der Judikative konsequent missachtet und die Roten Roben lassen es sich einfach gefallen. Bis heute machen die Länderpolizeien nämlich genau das, was jetzt das BKA auf Bundesebene legal tun soll: jede Wohnung auf eigenen Verdacht hin willkürlich aufbrechen um dort Kameras und Mikros zu installieren und zwar seit den 90er Jahren.
Das sagte im März 2008 niemand anders als das Bundesinnenministerium selbst – allerdings erst auf eine Anfrage der FDP.
DER BERLINER FRÜHLING
Nun aber, vielleicht auch unter dem Eindruck der Demonstration von 70.000-100.000 Bürgerrechtlern am 11.Oktober in Berlin unter Beteiligung der FDP, scheint sich auch auf Seiten der Exekutive etwas zu bewegen, immerhin auf Länderebene.
Theoretisch verfügen die Landesregierungen, die nicht aus CDU und SPD alleine oder gemeinsam gebildet werden, über 34 Stimmen im Bundesrat. Dem stehen die 35 Stimmen der Landesregierungen gegenüber, welche die Bundesregierungsparteien alleine bilden – nur dank der Sabotage der SPD-Hoffnungsträgerin Andrea Yspilanti in Hessen durch die eigene Partei.
Nun wird sich zeigen, wer hier Wort hält. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger jedenfalls wird es tun. Das hat sie nämlich immer.
Und es soll da so Leute geben, die halten das ebenso.
(…)
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letzte Korrektur: 13.52 Uhr