Wer in diesem demokratischen Land für Menschen- und Verfassungsrechte eintritt wird wie ein Verfassungsfeind oder Terrorist unter Dauerbeobachtung gestellt wie das folgende Beispiel des Publizisten und Rechtsanwaltes Dr. Rolf Gössner zeigt. Dr. Rolf Gössner wurde von 1970, damals noch Jurastudent, bis hin zu dieser Woche dauerüberwacht.
Auf Grund einer Klage Dr. Rolf Gössners, vertreten durch Anwalt Udo Kauß, findet morgen ein »Klageverfahren Dr. Gössner gegen Bundesrepublik Deutschland« am Verwaltungsgericht Köln statt.
Erster Termin zur mündlichen Gerichtsverhandlung: Donnerstag, 20.November, 11.30 Uhr, Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, Eingang Burgmauer, Saal 160, 1. Stock.
Inhalt der Klage ist es, Auskunft über sämtliche Daten, die über ihn in 38 ! Jahren vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erstellt wurden, zu erhalten. Dr. Rolf Gössner hatte im Vorfeld ein eigenes Auskunftsersuchen beim BfV gestellt. Darauf hin konnte er aber nur in ca. 500 Seiten Einblick der letzten Jahre nehmen, die überwiegend geschwärzte oder entfernte Stellen aufwiesen. In den letzten acht Jahren wurden seine Aktivitäten auf ca. 2000 Seiten registriert. Er wurde lückenlos von 1970 bis jetzt vom BfD überwacht. Das Verwaltungsgericht Köln hatte in einer voraus gegangenen Verhandlung bereits entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ihm alle, auch vor dem Jahre 2000 gesammelten Daten, vorlegen muss.
In der nun stattfindenden Verhandlung fordert Dr. Rolf Gössner die komplette Löschung der gesamten Akten und die Feststellung des Gerichtes, dass die an ihm vorgenommene Dauerüberwachung rechtswidrig gewesen sei. Beim Bundesverwaltungsgericht klagt er bereits wegen der „Verheimlichung ganzer Aktenteile“, worauf hin dieses den Verfassungsschutz am 30. Oktober dazu verpflichtete, dem Gericht die umstrittenen Aktenteile im Rahmen eines In-Camera-Geheimverfahrens zur Prüfung vorzulegen.
Der Rechtsanwalt und Publizist bemerkte 1996, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet werden könnte, nachdem die Zeitschrift „Geheim“, für die er geschrieben hatte, als „linksextremistisch“ eingestuft wurde.
Der Grund für die Dauerüberwachung Dr. Rolf Gössners in einem Zeitraum von fast vier Jahrzehnten besteht für den Bundesverfassungsschutz allein in der Tatsache einer „Kontaktschuld“, das heisst, Kontakte zu „linksextremistischen beziehungsweise linksextremistisch beeinflussten“ Organisationen und Medien, wie Auftritte bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ,die Rechtshilfegruppe „Rote Hilfe e.V.“ oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der BfV sammelte alle von ihm verfassten Artikel, Aufrufe und Interviews, z.B. im Neuen Deutschland, im Weser Kurier, Freitag, junge Welt oder in der Frankfurter Rundschau. Es kam sogar dann zu Einträgen in seine Akte des BfV, wenn Berichte über ihn oder Rezensionen über seine publizierten Bücher in den Medien veröffentlicht wurden.
Dr. Rolf Gössner, parteilos, ist Rechtsanwalt und lebt in Bremen. Er engagiert sich für Freiheit, Bürger-und Menschenrechte und gegen einen Überwachungsstaat. Seine Arbeit konzentriert sich auf die Beratertätigkeit der Fraktion Bündnis90/Grüne zwischen 1990 und 2001, im Niedersächsischen Landtag und im Ausland. Weiter wirkte er bei verschiedenen Gesetzesänderungen mit.
Er führte Strafverteidigungen sowie Nebenklage-Vertreter unter anderem für die Familie von Halim Dener, Oliver Neß und zusammen mit Eberhard Schultz die Strafverteidigung von Kani Yilmas.
Er war Prozessbeobachter in vielen politischen Strafverfahren unter anderen in den Fällen Benjamin Ramos, im Revisionsverfahren um Abdullah Öcalan vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und das Strafverfahren gegen Gabriele Kanze; weiter ist er Mitglied von Menschenrechtsdelegationen und stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen.
Des Weiteren war und ist er Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten und offizieller Unterstützer der überwachungskritischen Datenschutzdemonstration Freiheit statt Angst.
Mitherausgeber von Zeitschrift Ossietzky, Jury-Mitglied der Big Brother Awards, Mitherausgeber des mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichneten Grundrecht-Reports und seit 2003 Präsident der Internationalen Liga für Menschenrecht bis April 2008, seitdem ist er Vizepräsident.
Er war Gutachter in Bundestags- sowie Landtagsausschüssen und trat sogar bei Veranstaltungen von Polizei sowie Verfassungsschutz auf, so z.B. des Hessischen Verfassungsschutzes, des Bundesgrenzschutzes und der schleswig-holsteinischen Polizei.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilt jetzt mit „dass die Beobachtung – nach aktuell erfolgter Prüfung durch das Bundesministerium des Innern und das Bundesamt für Verfassungsschutz – eingestellt worden ist.“ Und weiter: »Die hier zum Kläger erfaßten Daten werden ab sofort gesperrt. Von der Löschung der Daten wird – trotz ihrer Löschungsreife – insbesondere wegen der anhängigen Auskunftsklageverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß der Verfahren abgesehen.«
Somit beabsichtigt das Bundesamt für Verfassungsschutz kurz vor Prozessbeginn einer Verurteilung durch das Gericht zuvor zu kommen und den strittigen Fall aus der Welt zu schaffen.Die Internationale Liga für Menschenrechte teilt mit, dass die vielfältigen Proteste von Bürgerrechtsgruppen, Gewerkschaften und Schriftstellern gegen die Beobachtung ihres Vizepräsidenten »zu einem positiven Ergebnis und zur Beendigung dieses bundesdeutschen Dauerskandals geführt haben« – auch wenn damit die gerichtliche Auseinandersetzung um die Daten und Akten noch lange nicht ausgestanden sei. Die Liga fordert deshalb weiterhin, sämtliche Geheimdienstdaten dieses Falles offen zulegen.
»Das Bundesamt für Verfassungsschutz konnte während des bisherigen Gerichtsverfahrens zu keinem Zeitpunkt plausibel darlegen oder gar beweisen, weshalb die geheimdienstliche Beobachtung von Rolf Gössner über einen Zeitraum von 38 Jahren zum Schutz der Verfassung notwendig gewesen sein soll«, stellte Rechtsanwalt Kauß fest.
Nach Ansicht der Internationalen Liga für Menschenrechte war die Überwachung eine „schwere Verletzung von Grundrechten und des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit“, für die das BfV und die Verantwortlichen im Bundesinnenministerium „endlich zur Rechenschaft gezogen werden müssen. „Das Verfahren habe grundsätzliche Bedeutung auch für andere Publizisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtler. Es gehe um die Frage, welche Grenzen den demokratisch kaum kontrollierten Geheimdiensten gezogen werden müssten“.
Quelle: wikipedia
Quelle: heise online
Artikel technisch aktualisiert am 30.11.2015. Der Inhalt wurde nicht verändert.