Zur weiteren möglichen Überwachung der Bürger, genannt „Terrorismusbekämpfung in Deutschland“, gehören ausser dem BKA-Gesetz mit der Online-Durchsuchung und der Anti-Terrordatei auch die Vorratsdatenspeicherung.
Der Bundestag hatte am 9. November 2007 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD den Gesetzesentwurf „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmassnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland beschlossen und wurde am 26. Dezember 2007 von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet.
Mit diesem Gesetz wurden seit Januar diesen Jahres die Telefonanbieter und Provider gesetzlich verpflichtet, sämtliche Verbindungsdaten (Telefonnummern von Anrufer und Angerufenem, die Anrufzeit, Standortdaten, bei Handys zusätzlich IMEI-Nummern, Funkzellen und bei anonymen Guthabenkarten auch Aktivierungsdatum und -funkzelle, ebenso bei SMS, IP-Adressen beim Verbindungsaufbau ins Internet, Flatrates und E-Mail-Verbindungsdaten; nicht gespeichert werden die IP-Adresse und die URIs der im Internet aufgerufenen Adressen, sowie auch nicht die abgerufenen Inhalte selbst), die in Deutschland ständig von allen Telefon-, Handy- und Internetverbindungen hergestellt werden, sechs Monate lang zu speichern, ohne dass ein Anfangsverdacht oder konkrete Hinweise auf Gefahren bestehen.
Die Vorratsdatenspeicherung, eine Vorstufe der Telekommunikationsüberwachung, bietet eine Analyse zum Kommunikationsverhalten, Erstellen von Persönlichkeitsprofilen und Rückschlüsse auf soziale Netzwerke. Das Verhalten der Bürger wird dadurch verändert, man denke nur an Informanten mit brisanten Informationen für die Presse oder anonyme Beratungsstellen.
„Die zwangsweise Totalprotokollierung unserer Telekommunikation ist ein eklatanter Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ so der AK Vorratsdatenspeicherung.
Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Gisela Piltz legte der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage im Bundestag die Frage nach Ermittlungen mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung der deutschen Behörden vor. Die genannten Ermittlungen, die die Behörden zu untersuchten Fällen mit Verbindungsdatenerhebung und mit richterlicher Anordnung durchführten, erscheinen sehr hoch. Hier nun das Ergebnis der Datennutzung der Vorratsdatenspeicherung von Mai bis Juni diesen Jahres:
2186 Fälle insgesamt – richterlich angeordnete Ermittlungsverfahren – davon sind
934 Fälle Nutzung der gespeicherten Vorratsdaten für die Untersuchungen
577 Fälle Bundesregierung weiss nicht, ob oder ob nicht zugegriffen wurde???
627 Fälle keine Untersuchung mit Vorratsdaten erforderlich
Wenn ich das mal zusammenzähle, ergibt sich eine Differenz von 48 Fällen, die nicht in eine dieser Rubriken fallen… (vielleicht ein Druckfehlerteufelchen meiner Quelle), aber richterlich angeordnet wurden. Nur in 96 Fällen wurde keine richterliche Genehmigung zur Nutzung der Vorratsdaten erteilt.
Frau Piltz ist mit Recht mit dieser Auskunft unzufrieden, denn sie gibt keinen Hinweis darauf, ob eine Vorratsdatenspeicherung dazu beigetragen hat, einen „Fall“ zu lösen.
„Aus der Antwort der Bundesregierung geht nicht hervor, in wie vielen Fällen die Speicherungspflicht von entscheidender Bedeutung für den Ermittlungserfolg war. Die Angaben reichen nicht aus, um die Vorratsdatenspeicherung zu begründen.“
Die Bundesregierung wird schon wissen, warum sie dies nicht tut.
In der Tat stellt selbst das Bundeskriminalamt in einer Studie vom vorigen Jahr fest, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote „von derzeit 55 % im besten Fall auf 55,006 %“ erhöhen kann, also ganze 0,001 %.
Die Bundesregierung wies Vorwürfe zurück, die Speicherungspflichten erzeugten einen Einschüchterungseffekt. Durch unrichtige und verzerrende Darstellungen werde dieser Effekt erst erzeugt, heißt es in der Antwort.
Zum aktuellen Verfahrensstand der Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen die Datenerhebung kann man sich auf der Homepage des AK Vorratsdatenspeicherung informieren:
„Unsere Verfassungsbeschwerde liegt dem Bundesverfassungsgericht vor (Aktenzeichen 1 BvR 256/08 und 1 BvR 508/08). Die Vollmachten der über 34.000 Beschwerdeführer wurden eingereicht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Herausgabe von Vorratsdaten im März und Oktober durch einstweilige Anordnungen eingeschränkt. Über die Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung selbst und über den Antrag, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, ist noch nicht entschieden. Das Gericht hat zunächst der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen.“