Wann kommt die Revolution der Künstler?
Die Grundlage, das Fundament und der operativ wichtigste Mechanismus zur Stabilisierung unserer Realität und der herrschenden Machtverhältnisse im 21.Jahrhundert ist nicht die Politik. Es ist auch nicht die Religion. Es ist nicht einmal das Kapital – es ist die ständige, permanente Hypnose des „Medien“-Apparates. Es ist die Kontrolle über die Information.
Es ist die Kontrolle, die Verstümmelung des kreativen Inputs. Es ist die Herrschaft über die Kunst.
Dieses Dauerfeuer gegen den Geist, dieses nicht enden wollende, automatische Unterdrücken jedes menschlichen Gewissens, jeder Logik, jeder Ethik und jeder Moral, das ist die schlimmste Waffe derer die sich immer noch als die Herren über ihre Sklaven fühlen dürfen, als die Mächtigen, die Usurpatoren, die Oligarchen, die Grafen des Pöbels den sie wie Steuermänner ihr Schiff in die Richtung der politischen Herrenklasse, des Wirtschaftssystems Kapitalismus und des Ständesystems lenken.
Es liegt auf der Hand die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie als Stiefel zu nutzen, den man dem Gegner – dem Volk – nicht eine Sekunde vom Nacken nimmt. Nicht eine Sekunde sollen die Menschen ausruhen, nachdenken, reflektieren, kreieren, miteinander reden und Konflikte versuchen zu lösen, nein, die Spannungen sollen ständig präsent sein, immer mit Verachtung für die Schwächeren gespickt, immer den Neid auf den Reichtum der Elite schürend und unterschwellig jedem, der nicht in der TV-Gesellschaft auf einem Bildschirm zu sehen ist, sagen, dass er nichts wert und ein Versager ist.
Dabei ist der Reichtum, der Besitz von kleinen, bunten Scheinchen, Gott geworden, dessen göttliche Präsenz und jeden Tag rund um die Uhr gezeigt wird. Auch Du kannst es schaffen, auch Du kannst dabei sein, Du musst nur Ungeziefer im Dschungel fressen, Dich nackt ausziehen und mit Deinen Körperteilen wackeln, Dich für ein bisschen Geld demütigen und entwürdigen, Du kannst es schaffen, pop-pop-pop, ja-ja-ja, ha-ha-ha, Star, Star, Star.
Wir verkommen, wie sinnlos, wie nichts diese Spiele ohne Brot für die Gesellschaft sind, dass wissen die Wenigsten. Wenn sie einmal die Gelegenheit hatten hinter die Kulissen zu schauen und die armseligen Prostituierten des „Showbusiness“ sich kaputtlächeln haben sehen, sie würden anders denken und niemals wieder wünschen mit ihnen den Platz zu tauschen.
Jede Berliner Berlinale frage ich mich wann dort die Schauspieler, die Musiker, die Drehbuchautoren, die Dramaturgen, all die namenlosen Regisseure, die Sklaven und Konkubinen des neuen Roms eine Revolte anzetteln.
Wann kommt endlich die Revolte derjenigen, die mit der Seele arbeiten und deswegen verdammt dazu sind sie zu fühlen?
Wann kommt der Aufstand der Künstler, die Revolution der Inspiration, die Befreiung der Kultur und des Geistes, wann wird diese Oberschicht endlich hinweggefegt die sich hier fett macht in unserer Welt die nicht mehr unsere ist, sondern nichts mehr mit uns zu tun haben will?
Die Wenigsten wissen, wie der Staat Belgien entstanden ist.
Am 25. August des Jahres 1830 wird zu Ehren des Geburtstag vom herrschenden niederländischen Königs Wilhelm I. die romantische Oper „La Muette de Portici“ („Die Stumme von Portici“ von Daniel-François-Esprit Auber) in der Brüsseler Oper aufgeführt.
Es ist die Geschichte einer tragischen, gescheiterten Revolution der Neapolitaner gegen die spanischen Besatzer im 17.Jahrhundert. Es ist eine Oper, in deren Mittelpunkt eine Stumme steht und deren Geschichte für Sie erzählt wird, weil Sie nicht sprechen, weil Sie nicht singen kann.
Es ist die Geschichte eines Volkes, was nicht mehr sprechen, nicht mehr singen, nicht mehr leben kann weil es unterdrückt wird.
An jenem Abend in der Oper von Brüssel, im Süden des niederländischen Königreiches, erhebt einer der bekanntesten Opernsänger Europas seine Stimme. Der Franzose Adolphe Nourrit singt als der neapolitanische Revolutionär Masaniello das Duett „Amour sacré de la patrie“, welches wahrscheinlich für die nächsten 100 Jahre in Deutschland unübersetzbar bleiben wird.
Das Publikum erhebt sich im Saal. Auf einmal erschallt der Ruf „Es lebe die Freiheit“ (Vive la libertè). Nie zuvor, und niemals wieder danach, hat es etwas Vergleichbares zu dem gegeben, was an diesem Abend passiert.
Die Besucher der Oper stürmen vor die Tür, sie laufen auf die Strasse. Zuerst besetzen sie das holländisch-königliche Justizministerium von Cornelis Felix van Maanen, der skrupellos mit allen Mitteln versucht hatte die flämischen und französischen Landessprachen zu unterdrücken. Anschliessend stürmen sie das Haus eines Grossverlegers und dann das Haus des Ministers van Maanen selbst. Die amtliche Druckerei wird niedergebrannt, Regierungsgebäude besetzt.
Niederländisch-königliche Polizei taucht auf, es gibt Tote.
Doch am nächsten Tag erhebt sich das verarmte Proletariat von Brüssel, der Rechtsanwalt und Redakteur Lucien Jottrand sowie der Journalist Edouard Ducpétiaux entwerfen die eigene Flagge Belgiens und wieder einen Tag später, am 27. August, gibt es Arbeiteraufstände in Lüttich, Verviers, Huy, Namur, Mons und Löwen.
Das Grossbürgertum Belgiens sorgt sich jetzt um seine Besitzstände und stellt Bürgerwehren auf, die am 28. August die Kontrolle über die Städte übernehmen und eine Abordnung zum niederländischen König Wilhelm I. entsenden um über Steuervorteile zugunsten des Südens vom Königreich zu verhandeln. Der niederländische Kronprinz Wilhelm II. kommt mit den Bürgerwehren nach Brüssel.
Von einer Unabhängigkeit Belgiens ist nicht mehr die Rede.
Dann verlieren die Bürgerwehren die Kontrolle in Brüssel an aufständische Idealisten.
„Aus diesem Grund besetzte das niederländische Heer unter Führung von Prinz Frederik, dem zweiten Sohn von Wilhelm, am 23. September Brüssel. Dies löste eine Versöhnung zwischen allen Parteien aus und alle Freiwilligen schlossen sich gegen die niederländischen Truppen zusammen“
Nach drei Tagen ist das niederländisch-königliche Heer von 12.000 Soldaten geschlagen und muss sich aus Brüssel zurückziehen.
Am 4. Oktober 1830 ruft das gemeinsame belgische Komitee die Unabhängigkeit aus, die am 20. Dezember von den europäischen Großmächte im Londoner Protokoll mit der Auflage strikter Neutralität anerkannt wird.
Am 7. Februar 1831 wird die zum damaligen Zeitpunkt freiheitlichste Verfassung Europas unter einer bis heute andauernden parlamentarischen Monarchie beschlossen. Keine Republik, aber immerhin.
Das war die romantische Revolution Belgiens. Und alles nur wegen eines Abends in der Oper.
Was war das für ein Augenblick, in dem alles entschieden wurde? Was war das für ein Moment, in dem aus dem Gedanken ein Ruf wurde? Ein Aufruf?
Wann entschied sich dieses Gefühl herauszubrechen, nahm sich was es brauchte, Luft zum Atmen und das Wort dazu: Freiheit?
Freiheit. FREIHEIT…
Es gibt so Momente, die uns gehören. Momente, die uns gehören werden.
Und wenn sie da sind, wird etwas in uns nicht zögern sich zu erinnern was man einmal war, wird nicht einen Herzschlag mit Zweifel vergeben, wird in diesem Moment nicht vergessen was die Zukunft der Geschichte dieser einen Gelegenheit zu tragen im Stande ist.
Was muss das für ein Moment sein..
Was muss das für ein Moment sein..