Neujahrsansprachen an die Nation der führenden Politiker haben Tradition und bieten eine gute Gelegenheit, Resümee über vergangene Ereignisse des Landes zu ziehen und die Aussichten für die weitere zukünftige Politik zu geben.
Insbesondere können sie bei schwieriger nationaler Lage Hoffnung und Bereitschaft zur Mitwirkung der Bevölkerung anregen. Neujahrsansprachen sollten wegweisend mit mehr oder weniger konkreten Vorschlägen zur weiteren Entwicklung des Landes sein.
So verschieden die Länder, ihre Präsidenten, so verschieden ist der Inhalt dieser Ansprachen zum Jahreswechsel an die Nation. Deutschlands Ansprache der Bundeskanzlerin war genau so und gar nicht anders zu erwarten wie ihre Politik der letzten Jahre.
Die Schuld der verheerenden Bankenkrise sieht sie als „das Verlieren von Maß und Mitte mancher Banker und Manager – wahrlich nicht aller, aber mancher – das hat die Welt in diese Krise geführt. Die Welt hat über ihre Verhältnisse gelebt.“ Damit versucht sie erfolglos, die Bevölkerung über die Verantwortung der meisten Banker, die das flächendeckende Ausmass der Verluste der deutschen Banken verschuldet haben, gerade auch der Landesbanken, IKB oder KFW – in denen die Politik mit im Aufsichtsrat sitzt – hinweg zu täuschen. Weiterhin will sie die Schuld der Bankenkrise auf uns alle verteilen, wir alle „die Welt“ sind Schuld und haben in Saus und Braus über unsere Verhältnisse gelebt. Sie wälzt die Gier der Banken und Hochfinanz auf das Verhalten der gesamten Bevölkerungen ab und suggeriert uns Masslosigkeit und das wir jetzt bitte endlich wieder bescheiden zu sein haben. Die vielen hunderte von Milliarden, die diese Regierung den Banken in Form des sogenannten Rettungspaketes „überwiesen“ hat, bleiben uns Bürgern als riesiger Schuldenberg zur Abzahlung überlassen.
Mit der ständigen Wiederholung der Schaffung neuer Arbeitsplätze scheint sie ihre finanziellen Geschenke an die Banken und Grossindustrie kaschieren und als gerechtfertigt darstellen zu wollen.
„…die Sozialversicherungen sind stabiler geworden“ und somit auch teurer vergisst sie ganz zu erwähnen.
Und warum es im Herbst zu massiven Schülerstreiks in Deutschland gekommen ist, da doch „unsere Schulen und Universitäten erfolgreicher“ geworden sind, bleibt meinem Erkenntnishorizont wohl für immer verborgen.
„Und wir werden bei allem, was wir tun, nicht alte Fehler wiederholen und Wirtschaft und Umwelt gegeneinander ausspielen. Wirtschaft und Klimaschutz, Klimaschutz und Wirtschaft – das geht zusammen, wenn man es nur will.“ Nun scheint damit Frau Merkel ihren Bürgern den Status eines minderbemittelten Volkes zu zusprechen. Warum sie eine Kanzlerin von kranken, an Gedächtnisschwund leidenden Bürger bleiben will, entzieht sich unserer Erkenntnis. Denn sie unterstellt uns, dass wir das Ergebnis der Mitte Dezember stattgefundenen Weltklimakonferenz schon vergessen haben.
„2009 feiern wir den 60. Geburtstag der Bundesrepublik und mit dem Grundgesetz die freiheitlichste und gerechteste Ordnung, die Deutschland je hatte.“…und werden mit allem Einsatz dafür sorgen, dass das nicht so bleibt dank Vorratsdatenspeicherung und BKA-Gesetz und ständigen Änderungen des Grundgesetzes- das hätte sie fairer-anständiger Weise hinzufügen müssen.
Die Neujahrsansprache des tschechischen Präsidenten sieht da schon etwas anders aus. Gerade in Bezug auf die mit Jahresbeginn übernommene EU-Ratspräsidentschaft sagt er in ihr etwas sehr Bemerkenswertes:
„Wir möchten dazu beitragen, dass die Europäische Union ein wirklicher demokratischer Raum wird, wo die politischen Entscheidungen so nahe am Bürger wie möglich gefällt werden, wo jeder Politiker dem Bürger gegenüber verantwortlich ist und wo er sich vor ihm auch verantworten muss. Aus diesem Grund haben wir ein Interesse daran die Union so zu gestalten, dass sie diese demokratische Kontrolle auch ermöglicht. Letzten Endes geht der ganze Streit um den Vertrag von Lissabon um nichts anderes. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch bei uns endlich mehr und mehr Leute das begreifen und sich dessen bewusst werden, dass sie das unmittelbar etwas angeht.“
Uns bleibt jetzt die kleine Hoffnung, dass unter der tschechischen Ratspräsidentschaft Gesetze zur Kontrolle der EU-Bürger und immer mehr Zugeständnisse an die Grosskonzerne und die Militarisierung der EU wenigstens etwas eingedämmt werden. Aber ohne die Unterstützung der die genau diese Zustände angehenden Bürger der EU-Länder wird das ein gut gemeinter Vorsatz bleiben und an den Widerständen anderer Regierungen scheitern.
Deshalb ist der Druck der informierten Bevölkerung auf ihre jeweilige Regierung unerlässlich. Die Voraussetzungen und Chancen dafür sind mit Beginn des neu angebrochenen Jahres gegeben und müssen genutzt werden, denn der Abbau unseres demokratischen Mitspracherechts geht mit den meisten neuen EU-Gesetzen – vor allem im Bereich Überwachung oder Einsatz von Gentechnik – weiter.