BND: Staatsgeheimnis IV – Kommentar Wilhelm Dietl

„…Nachdem mein erster Versuch vom Sonntagmittag spurlos und richtig mysteriös in den Katakomben (von wem auch immer) verschwunden ist, versuche ich es nun erneut, diesmal auf ganz traditionellen, bereits altmodischen Wegen….“ Schreibt Wilhelm Dietl.

Ich versichere, diesmal kann der Kommentar nicht verschwinden, da ich ihn als Artikel frei schalte, obwohl ich mich über die Uhrzeit der E-Mail wundere – Di 03.02.2009 03:26 –  nun ja, um diese Uhrzeit lag friedlich schlafend im Bett.

 

Kommentar zu „Staatsgeheimnis IV“

von Wilhelm Dietl

 

Stichwort Bernd Schmidbauer. Wieder mal ein ganz typischer Fall. Man glaubt jemanden lange zu kennen, und dann schafft er es doch immer wieder, einen richtig zu erstaunen. Er erzählt Dinge, die man selbst noch nie erfahren hat. In der ersten Reaktion denkt der Betroffene, ein anderer sei gemeint. Aber dann überwiegt doch der Nervenkitzel des Neuen. Wow. Was habe ich doch alles angestellt. Das muss damals aber so geheim gewesen sein, dass die nicht einmal mich eingeweiht haben. Zum Höhepunkt des daraus entstandenen intensiven Grübelns sprudeln dann solche Ergebnisse:

 

1.      Also, Bernd Schmidbauer, Ex-Staatsminister im Bundeskanzleramt der 90er Jahre, besser bekannt unter seinem Kürzel „008“, erzählt, dass er mit dem BND immer nur offiziell verkehrt hat, also in Anwesenheit von beamteten Zeugen. Seltsam. Die offizielle Zeitgeschichtsschreibung sagt, dass gerade er die rohen, ungeschliffenen Erzählungen von der Pullacher Quelle geliebt hat. So mancher, den ich kennengelernt habe, fühlte sich geehrt, dem Aufseher persönlich das Neueste erzählen zu dürfen. Zu Volker Foertsch, dem geschassten Abteilungsleiter des BND, soll es beinahe eine Standleitung gegeben haben. Nicht technisch, sondern ironisch definiert. Davon spricht auch die allgemein angefeindete Fachliteratur, zum Beispiel das Buch „Bedingt dienstbereit“. Schmidbauer hat solche Zeugen-Aussagen niemals moniert, haben ihm doch die Exklusiv-Infos aus Pullach immer wieder aufregende Stunden beschwert. Ich erinnere nur an die sensationelle Telefonnummer von Doc Schneider in der Kaserne von Isfahan. Aber, das ist ein völlig anderes Thema. Also lassen wir es.

2.      Geisel-Verhandlungen. Das ist etwas Handfestes. Jawohl, ich habe eine Reihe von Informanten geführt, die über Jahre bemüht waren, alles zur Situation der entführten Deutschen Strübig und Kemptner in Erfahrung zu bringen und natürlich auch möglichst viel über die geheimnisvollen, offiziell unbekannten Geiselnehmer. Für die Verhandlungen mit jenen, also mit der Familie Hamadi, waren stets diverse andere Leute zuständig. Ich habe mich da niemals eingemischt und vor allem keine Vereinbarung getroffen, die ein Israel-kritisches/feindliches Papier eingeplant hätte. Da will einer Keile in gewachsene Kontakte treiben. Ein unfreundlicher (und durchsichtiger) Akt. Dass letztlich die Führungsebene des BND die frühzeitige Freilassung der beiden Entwicklungshelfer verpatzt hat, kann jeder in meinem Buch „Staatsaffäre“ nachlesen.

3.      Schmidbauer jammert, ich hätte ihn und den UN-Vermittler Picco „regelrecht vorgeführt“. Wieso Picco? Ich habe nur die Relationen gerade gerückt. In diesem Buch, bei einer Terrorismus-Konferenz in Budapest, in einem lebhaften Streitgespräch zwischen 008 und mir bei Arte und bei anderen öffentlichen Gelegenheiten. Ich sage es gerne nochmals: Picco hat die beiden Deutschen herausgeholt und Schmidbauer hat sie abgeholt. So war es, und alles andere ist eine künstliche Heldenlegende, die von den unwissenden Medien devot verbreitet wurde.

4.      Ich soll dem BND eine palästinensische Quelle, genauer einen Arzt, kaputt gemacht haben?!? Sicherlich habe ich im Laufe der Jahre zahlreiche palästinensische Ärzte getroffen. Keinen davon habe ich als Quelle geführt, und von keinem weiß ich, dass er am BND hing. Ein palästinensischer Arzt, den ich über die Fatah kennen gelernt habe, fällt mir auf Anhieb ein. Er hatte eine deutsche Ehefrau. Während der ersten Intifada konnte er die Verhältnisse in der Westbank nicht mehr ertragen und wanderte nach Deutschland aus. Ich war bei dieser Familie mehrfach eingeladen gewesen, hatte nachher keinen Kontakt. Vom BND keine Spur.

5.      Der Berliner Bundestags-Ausschuss sollte solche Geschichten aus Tausendundeiner Nacht sehr kritisch würdigen, und sie vor allem Gegenchecken. Der BND hat sich Ende 1992 von mir getrennt (effektiv: Anfang 1993), weil ich vor Bernd Schmidbauer und seiner wenig heldenhaften Rolle im Geiseldrama Strübig/Kemptner nicht genügend gebuckelt habe. Das war die mehrfach wiederholte Begründung des BND. Auch ich habe sie später ungehindert wiedergegeben (im Buch „Deckname Dali“ und bei zahlreichen Interviews/Erklärungen).  Dazu kann ich dem Ausschuss diverse unmittelbare Zeugen liefern, zum Beispiel den damaligen Leiter operativ des Referats 16A oder den UAL16 jener Jahre. Klarname, Arbeitsname und aktuelle Erreichbarkeit sind bei mir abzurufen, falls sich der BND nicht mehr erinnern kann.

6.      Wenn ich das richtig verstehe, dann ist der Berliner Untersuchungsausschuss angetreten, auch die teilweise bizarren Vorgänge der sogenannten Journalistenaffäre aufzuklären. Dann sollte er aber auch dem Zeugen Schmidbauer die richtigen Fragen stellen, zum Beispiel nach der Bedeutung der BND-„Operation Pumuckl“. Damit – und mit anderen Fällen –  ließe sich ein zweiter „Schäfer-Bericht“ füllen.

7.      Wenn die Wahrheitsfindung wegen der zahlreichen falschen Fährten und boshaften Verleumdungen klemmt, auch ich stehe zur Verfügung.

Wilhelm Dietl

Anmerkung ter:

Damit die Leser auch den Punkt 1 – „Kaserne von Isfahan“ – verstehen: Da machte ein Staatsminister einen Vorgang zur Chefsache, griff persönlich zum Telefon und rief im Iran in der Kaserne von Isfahan höchstpersönlich an.

Dort nahm ein Wehrpflichtiger das Telefon ab, der leider weder Deutsch noch Englisch sprach und wirklich nicht verstand, was der Herr am anderen Ende der Telefonleitung von ihm wollte und wer dieser Herr war.

Und so musste auch ein Bonner Staatsminister einsehen, das man mangels Sprachkenntnisse nicht alles zur Chefsache machen kann, wenn man keinen Dolmetscher zur Hand hat.

Weitere Artikel in dieser Berichterstattung:

Staatsgeheimnis I

Staatsgeheimnis II

Staatsgeheimnis III

Staatsgeheimnis IV

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