Nachdem Präsident Obama das Afghanistanproblem als vorrangig benannt hat, befand sich ein Teil unserer Regierungsspitze zwei Tage nach dem NATO-Gipfel zu einem Blitzbesuch in diesem Land ein.
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So ein hochrangiger Besuch des obersten militärischen Befehlshaber samt Kanzler macht sich immer gut vor den im Einsatz befindlichen Truppen, das hebt bekanntlich die Moral und die Bedeutung der Unternehmung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung befinden sich zur Zeit in Afghanistan.
Dieser Besuch erfolgte unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und Geheimhaltung.
Ganz unbemerkt scheint ihre Mission nicht geblieben zu sein, denn zwanzig Minuten, nachdem ihr Flugzeug das Lager in Kundus verliess, schlugen zwei Raketen in der Nähe ausserhalb des Feldlagers ein, so der Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Es entstand keinerlei Schaden.
Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid soll der Deutschen Presse-Agentur dpa mitgeteilt haben, das Ziel des Raketenangriffs sei „das Flugzeug mit Merkel an Bord bei der Landung im Feldlager in Kundus“ gewesen. Spiegel Online berichtet, das es sich hierbei um eine „gezielten Attacke auf Angela Merkel“ gehandelt hätte.
Woher die Taliban von dieser geheimen Mission gewusst haben, bleibt im Verborgenen, aber auch hier weiss das Blatt Bescheid: „In der Regel sickern aber trotz der Geheimhaltung in Afghanistan Gerüchte über anstehende Besuche von Top-Politikern durch.“
Da sollte mal der Geheimdienst mit seinen Methoden die undichte Quelle ermitteln, dem ansonsten solche Terroraktivitäten im Voraus nicht entgehen und immer schon ganz genau Bescheid weiss, um welche Personengruppen es sich handelt.
Innenstaatssekretär August Hanning, früher Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) über Terrorgruppen aus Afghanistan und Pakistan und ihren „engen Kontakte zu Islamisten in Deutschland. Hier werden immer wieder Dschihadisten vom pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aus rekrutiert, und dort werden Pläne für Anschläge geschmiedet. Außerdem kehren aus der Region Dschihadisten nach Deutschland zurück. Die 60 bis 80 Rückkehrer stellen die überwiegende Mehrheit der bis zu 100 Personen, die wir als Gefährder bezeichnen. Hinzu kommen in Deutschland rund 300 weitere, potenziell gefährliche Islamisten. Insgesamt sprechen wir hier von einem Kreis von rund 1000 Personen.“
Dieser zum Glück völlig dilettantischer, nicht die Handschrift gefährlicher Terroristenprofis aufweisende und kein Schaden angerichteter Raketenanschlag kommt Hanning natürlich sehr gelegen, wenn er sein geplantes Terrorcampgesetz verabschiedet sehen will. Auf das Argument Terroristen/Terrorcamp scheint auch der Spiegel-Artikel mit seiner heutigen „unterstützenden“ Meldung zu zielen.
Hanning weiter:
„Denn wir können in einem frühen Stadium reagieren, in dem die Fertigkeiten zukünftiger Terroristen noch nicht so stark ausgeprägt sind. Die Ermittlungen würden erheblich erleichtert. Wir könnten mit strafrechtlichen Mitteln gegen künftige Rückkehrer vorgehen. Entscheidend ist an dem Gesetz, dass die Justiz bereits gegen potenzielle Terrorcamp-Besucher vor deren Ausreise vorgehen kann.“
Nur war dies kein Terroranschlag. Es war ein Zufall oder, wenn nicht, sollte man ermitteln, wer den „Terroristen“ den hochrangigen Besuch gesteckt hat, damit etwas in diesem Sinne passiert. Das wäre ein eindeutiger Fall von Hochverrat.
«Das ist vollständiger Blödsinn» widersprach auch die Bundeswehrleitung im nordafghanischen Standort Masar-i-Scharif den Ausführungen Sabiullah Mudschahid über einen vorsätzlichen Anschlag.
Bemerkenswert sind die Kenntnisse unserer Bundeskanzlerin über die Situation in Afghanistan, über deren Einschätzung selbst Experten kontrovers debattieren.
So betonte sie die Notwendigkeit der weiteren Anwesenheit deutscher Truppen auch in den nächsten Jahren, die von 3800 auf 4400 Mann erhöht werden soll.
Die Kanzlerin unterstellt der afghanischen Bevölkerung, dass sie auch im Norden noch nicht in der Lage ist, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Dazu braucht man selbstverständlich kompetente bewaffnete Hilfe von aussen, die kompetente bewaffnete Hilfe für den demokratischen Prozess im Land ausbildet.
Unsere Waffen plus unsere Waffen ergibt unsere Demokratie – so ist die Devise.
Der von den USA fallengelassene und nicht den „Erwartungen“ gerecht gewordene Präsident der afghanischen Republik Hamid Karzai wurde nicht auf dieser Reise zum Meinungsaustausch trotz der bevorstehenden Wahlen aufgesucht. Wozu auch. Der hat hier nichts mehr zu sagen, die Geschicke des Landes lenken andere.
Ausserordentlich bemerkenswert ist zudem die Tatsache, dass das deutsche Aussenministerium nicht informiert wurde.
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes teilte mit, man habe gestern „mehr oder weniger durch Zufall“ von dem Besuch erfahren.
Hier hat die Geheimhaltung bestens im Gegensatz um das angebliche Wissen von Taliban Sabiullah Mudschahid funktioniert.
Wie lange die deutsche Hilfe im Rahmen des ISAF-Einsatzes noch dauert, teilte am 2.April der Verteidigungsminister mit:
„Sobald 134.000 afghanische Soldaten und ebenso 134.000 Polizisten ausgebildet worden seien, sei das Land sicher,“ sagte Jung „Mit diesem Personal sei die Regierung in Kabul selbst in der Lage, die Extremisten unter Kontrolle zu halten. In fünf bis zehn Jahren könne es soweit sein. Aber das ist keine Exit-Strategie, das ist eine Zielorientierung“.
Ob dieses wilde Land tatsächlich mit so wenig afghanischen militärischen und polizeilichen Kräften in die Demokratie zu führen ist, mag bezweifelt werden. Wie kommt er genau auf eine solche „Sicherheits“-Zahl, das sieht nach über den Daumen gepeilt aus, um die lange Zeitdauer der deutschen Militärbeteiligung zu begründen.
Nur wird Herr Jung (CDU) schon im Oktober diesen Jahres nach der Bundestagswahl mit Sicherheit nicht mehr darüber nachdenken müssen, wie bei diesem Einsatz das Leben und die Gesundheit der ihm anvertrauten Bundeswehrmitglieder zu schützen sind.
Update: 7.4.09
Der Text des vorletzten Links („Das ist vollständiger Blödsinn“ widersprach auch die Bundeswehrleitung) wurde heute mit einen neuen Inhalt überschrieben:
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Überraschungsreise nach Afghanistan wegen ungünstiger Flugbedingungen vorzeitig beendet.