Das wilde Willkommen der stillen Krieger: Obama im CIA Hauptquartier in Langley

Was da gestern in Langley, Virginia, im Hauptquartier der „Zentralen Intelligenz Agentur“ („Central Intelligence Agency“, 1) der USA passierte, verblüffte so ziemlich jeden Zuschauer und Berichterstatter der es verfolgte.
Von den geschätzt 20.000 Angestellten der CIA-Zentrale durften ein paar Hundert ihren Präsidenten begrüssen, und da man besonders die Generation nach vorne gebeten hatte, welche nach dem 11.September 2001 beim Auslandsgeheimdienst ihren Dienst begann, taten sie es frenetisch und euphorisch.

In der darauffolgenden Berichterstattung merkte man, dass weltweit immer noch ein Riesenmissverständnis darüber herrscht, was ein Geheimdienst und besonders die CIA überhaupt ist:

Ein Dienst, in dem Befehle ausgeführt werden. Befehle, die von ganz oben kommen und nach allerlei Stille-Post-Gespiele durch die Hierarchien des Apparates mehr oder weniger im Original bei den ausführenden Agenten, Angestellten, Denkfabriken, Strategen, Manipulatoren der Öffentlichkeit und Meinungsmachern ankommen und umgesetzt werden. Operationen auf eigene Rechnung mal beiseite gelassen.

Bevor wir ein wenig zu den Hintergründen gelangen, sollten wir uns erst einmal die Aufnahmen der Begrüssung von US-Präsident Barack Obama im CIA-Hauptquartier ansehen (2). Surprise, surprise: im Gegensatz zu der bisher gepflegten dämonischen Aura rund um die CIA sah man hier ganz normale, junge Leute, die bei der Ankunft des jungen Präsidenten schier ausrasteten, wie eigentlich überall in den USA.

Jetzt sehen wir uns einmal die Rede des neuen CIA-Chefs Leon Panetta (3) an.

Doch vorher muss man folgendes erwähnen: die Nominierung von Panetta als „Aussenstehender“, Zivilist und Kongressabgeordneter, war ein Wagnis der Obama-Regierung deren Auswirkungen immer noch weit unterschätzt werden. Gegen erheblichen bürokratischen Widerstand (4) sowohl aus dem Washingtoner Establishment der „Demokraten“ (was sich jahrzehntelang in irgendwelchen Ausschüssen gefläzt hatte), als auch der ganzen Vize-Assistant-etc-Riege innerhalb der Agentur setzte die Obama-Regierung den ehemaligen Stabschef Bill Clintons als neuen CIA-Chef durch. 

Panetta hatte bereits während der Präsidentschaft Bill Clintons im einflussreichen „Office of Management and Budget“ (OMB, 5) des Weissen Hauses Einblick in die wichtigsten Aspekte auch des Geheimdienst-Genres: nämlich wer kriegt welches Geld, und wie kommt es dorthin.

In diesem Zusammenhang ist auch die Nominierung von Steve Kappes (6) als Vize-Direktor der CIA zu bewerten: als eine taktische Massnahme, um die Unterstützung der CIA-Bürokratie, aber vor allem der Agenten im Feld zu bekommen. Denn Kappes war einer von ihnen – kein, naja, „Zivilist“. Kappes steht übrigens aus Sicht des Betrachters rechts hinter Panetta bzw nachfolgend Präsident Obama während dessen Rede. Hier die Mitschrift auf englisch (7).

Hier geht es um folgendes, jetzt einmal als ganz unbescheidende, unwichtige, persönliche Einschätzung:

Die USA sind einerseits immer noch eine Republik, andererseits ein Imperium, welches am 11.September 2001 einen Weltkrieg vom Zaun gebrochen hat. (Wer übrigens bezüglich dieser Attente immer noch die offizielle Version der Bush-Regierung glaubt, dem sei gesagt: „Raus hier und komm nie wieder“.)

Die Pläne der alten Bush-Regierung sind gescheitert. Der Krieg sollte eine dermassene Eigendynamik des Mordens und Schlachtens annehmen, dass es kein Zurück mehr gibt. Dem – und ausschliesslich dem – dienten sowohl die Folter, die Kriegsverbrechen und die anschliessende indirekte Veröffentlichung der Greuel, z.B. in Abu Ghraib.

Diese Taktik, einerseits den eigenen Dienstleistern, Soldaten, Agenten und Befehlsempfängern klar zu machen, „hey, es gibt keine Regeln mehr, wir sind im Krieg“ und andererseits mit allen Mitteln Muslime derartig öffentlich zu beleidigen und zu demütigen, bis diese sich der von US-Geheimdiensten (wie der CIA, aber nicht ausschliesslich) geschaffenen Witz-Propaganda namens „Al Kaida“ anschliessen (einem Schwachsinn ohne Gleichen, für welche die heutige Generation noch in Jahrhunderten verlacht wird), diese Taktik des Anheizens weltweiter Konflikte, der Kriege und Auseinandersetzungen, das war der Kern der neokonservativen Revolution, der Strategie von der Veränderung der Welt durch die Zerstörung der bisherigen als unbedingter Voraussetzung.

Was die US-Regierung von George Bush auch in 8 Jahren anstellte – es ging ausschliesslich darum zu zerstören. Länder zu zerstören, Staaten zu zerstören, Menschen politisch oder anders zu beseitigen die einem im Weg waren und ganz besonders und zuerst die eigene Demokratie zu vernichten die man am Hals hatte.

Die Berliner Bundesregierung, die letzte dieser Riege neokonservativer Verschwörer (vielleicht mit Ausnahme Berlusconis, Browns, Netanjahus, ach, vergessen wir das mit der „letzten Riege“), sie handelt bis heute so. Nur ist hier die Mehrheit zu dumm das zu sehen. Oder irgendetwas zu sehen.

Diese Dialektik zwischen Schlachten und Schlachten, das grosse Duell der Popstars zwischen „Lady Terror und Mr.Krieg“, sie sollte solange weitergehen bis das grosse Spiel endlich seine Zuschauerquote von verdummten Untertanen, sowie dadurch wiederum seine wildgewordenen zwanzigjährigen Teilnehmer in Militärs, Geheimdiensten und Milizen gefunden hätte.

Das war der Plan. Und er ging schief.

Jetzt steht Obama da und hat einen Apparat am Hals, der 20 Jahre lang seit dem Zerfall der Sowjetunion nichts als in der Offensive war. Zählen wir Bill Clinton jetzt einfach auch mal in die Riege der kriegführenden Präsidenten, wenn auch zwischen World Trade Center Attentat Nr.1 + Irakkrieg Nr.1 und World Trade Center Attentat Nr.2 + Irakkrieg Nr.2 diese lästige Pause war die man in ex-Yugoslawien rumkriegen musste.

Obama hat einen Apparat voller Kriegsverbrecher, Folterer, Mörder und Berufslügner am Hals, die in den letzten 8 Jahren mit Kriegsgefangenen und sogenannten „Verdächtigen“ welchen ihnen irgendwie in die Hände fielen, alles tun konnten was sie wollten. Und es auch taten.
Diese Riege sitzt vor allem im Bereich der Oberen Kaste der Militärs, nicht nur in der CIA.

Er hat ausserdem eine Generation im Sicherheitsapparat, die während des 11.Septembers noch überlegte was sie einmal werden wollte.

Nun versetzen Sie sich einmal in die Lage des US-Präsidenten und seiner Regierung – was machen Sie? Alle verhaften lassen? Weil sie Befehle ausführten und der Regel „No rules!“ folgten?

Obama hat das einzig Logische in dieser Situation getan: er hat die eigenen Agenten und Soldaten (denn um die geht es hier ebenfalls und sogar in erster Linie) straffrei gestellt. Jede andere Aktion hätte vielleicht sogar seine eigene Sicherheit gefährdet, auch wenn das niemand jemals öffentlich aussprechen würde.

Gleichzeitig verkündete sein neuer CIA-Chef Panetta eine Sensation: die Schliessung sämtlicher Geheimgefängnisse weltweit. Und nicht nur das: in einer email an die CIA-Bürokratie liess Panetta gleich noch auffliegen, dass bis zu diesem Zeitpunkt in den Folterstuben der Agentur „private Sicherheitsdienste“ (8) operiert und Gefangene gefoltert hatten.

Auch so eine Taktik der Bush-Regierung: die schleichende Zerstörung der eigenen Republik und ihrer 221 alten Verfassung (dadurch vorantreiben, dass man sie einfach ignorierte. Söldner ohne Gesetz, Menschen ohne Recht, Kadavergehorsam und Korpsgeist. Wieder ist man die Bande im Berliner Regierungsviertel erinnert, aber seien Sie versichert: bald wird es bei einer Erinnerung bleiben. Auch dafür werden die Wähler sorgen, früher oder später.

Die Auseinandersetzungen zwischen der Bush-Regierung und der CIA fingen schon bald nach dem 11.September an. Sie mündeten 17.Februar 2005  in der strukturellen Entmachtung der Agentur durch die Schaffung der Behörde des „Obersten Geheimdienstdirektors“, an die nun die CIA ihre Informationen weiter zu reichen hatte. Vorher hatte die CIA sämtliche Informationen aller Dienste bekommen.

Bereits im Laufe der letzten Monate der Bush-Regierung machte die US-Presse Stück für Stück öffentlich, dass zuerst unter Umgehung der CIA und letztlich sogar unter Umgehung des Pentagon das Weisse Haus mit angeheuerten Spezialeinheiten einen eigenen „Schwarzen Krieg“ führte. Nicht wenige gehen davon aus, dass die sogenannte „Al Kaida“ Tarnname und Deckmantel für Attentate genau dieser Einheiten war, deren einziger Sinn und Zweck es war die innere und äussere Kriegführung in den USA und in ihrem Einflussraum weiter in Gang zu halten. Seymour Hersh hat für die nächsten „ein bis zwei Jahre“ eine Buchveröffentlichung zu diesen „geheimen Killerkommandos“ angekündigt (12), welche laut seinen Angaben übrigens unter direktem Befehl von Dick Cheney standen.

Letztlich war die Ära der Bush-Regierung und der neokonservativen Revolution in dem Augenblick erledigt, als Donald Rumsfeld als Pentagon-Chef zurücktreten musste und seinen Posten der ex-CIA-Agent Robert Gates übernahm. Auf Gates verwies Obama gestern in seiner Rede und kassierte dafür den anfangs etwas spärlichen Applaus.

Man muss die Besonderheit der Freude über den Besuch Obamas und bislang nie vorgekommenen öffentlichen Beifall der CIA-Agenten zu bestimmten inhaltlichen Äusserungen Obamas verstehen: das gab´s einfach noch nie. Hier war eine quasi eine Gruppe von Menschen auf eine Art Freigang, die sonst nie in der Öffentlichkeit zu sehen ist, weil sie dafür bezahlt werden. Man platzte vor Freude, aber man enthielt sich jeder Art der politischen Äusserung. Dieser Zwiespalt ist während der Rede gut zu beobachten.

Ebenso wollte man, trotz der ganzen Begeisterung, natürlich auch zeigen, wie professionell man ist. Man achte da mal auf die perfekte Stille nach dem Wort „Piraten“ (bis auf ein kleines Hüsterli).

Obama ist beliebt in der CIA, er geniesst dort gerade in der neuen Generation von Agenten und Bürokraten grosse Sympathien, das war gestern nicht zu übersehen, deshalb wurde dieser öffentliche Besuch ja auch gemacht. Denn es tobt immer noch ein erbitterter Machtkampf in den USA.

Cheney, dessen Clique nun das Wasser wenigstens langsam über die Knöchel steigt, versuchte auch prompt eine Gegenoffensive und bezeichnete die Veröffentlichung der Akten über die wahnsinnige, barbarische Folterorgie unter seiner de-facto-Präsidentschaft als „erfolgreich“ und die Veröffentlichungen der Akten darüber einen „Fehler“ (9). Die US-Öffentlichkeit steht dabei eindeutig auf Seiten des jungen Präsidenten. (10)

Die grösste Witzfigur der Bush-Regierung aber, der unglaubliche ex-Chef der CIA, Mr.Hayden, ein vor sich hin sabbelndes, mickriges Mäuschen mit seltsamster Fistelstimme, der im Leben höchstens eine Tasse Kaffee oder einen Aktenordner gestemmt hat, er warf nun im Chor mit Cheney dem Präsidenten und seinem neuen CIA-Chef Panetta vor, mit der Veröffentlichung der Folterakten mittelbar Terroristen geholfen und die „Verteidigung der Nation“ durch die CIA erschwert zu haben.

Hayden wusste als amtierender CIA-Chef noch nicht einmal, wie der 4.Zusatz der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika lautet. Schlimmer noch: er behauptete vor Journalisten, also wenn er irgendetwas wüsste, dann wie dieser 4.Zusatz lautet.
Trotz mehrerer Nachfragen von fassungslosen Journalisten behauptete der amtierende CIA-Chef Michael Hayden vor laufender Kamera, die Formulierung „probable cause“ würde im 4.Zusatz der US-Verfassung nicht auftauchen.



Soviel zu Hayden.

Nun, vielleicht kann nach diesem Artikel der eine oder andere ganz normale Mensch nun den Jubel der CIA-Angestellten im Hauptquartier von Langley vielleicht etwas besser einordnen. Vielleicht auch ein bisschen mehr.

Das wäre es dann wieder einmal wert gewesen. Und überlegen Sie sich bitte zum ersten Mal in ihrem Leben, ob das wirklich alles stimmt was ihnen den ganzen Tag von Leuten im Fernsehen erzählt wird, nur weil die dafür bezahlt werden.

Quellen:
(1) http://en.wikipedia.org/wiki/Central_Intelligence_Agency
(2) http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/739152?inPopup=true
(3) http://en.wikipedia.org/wiki/Leon_Panetta
(4) http://washingtontimes.com/news/2009/jan/19/introducing-the-cia-to-the-constitution/
(5) http://en.wikipedia.org/wiki/Office_of_Management_and_Budget
(6) http://en.wikipedia.org/wiki/Stephen_Kappes
(7) http://latimesblogs.latimes.com/washington/2009/04/barack-obama-cia-text.html
(8) http://www.rp-online.de/public/article/panorama/ausland/695365/CIA-raeumt-seine-Geheimgefaengnisse.html
(9) http://www.sueddeutsche.de/politik/179/465766/text/
(10) http://firstread.msnbc.msn.com/archive/2009/04/21/1901078.aspx
(11) http://www.examiner.com/x-6572-NY-Obama-Administration-Examiner~y2009m4d20-The-torture-memos-part-II-and-Haydens-tortured-logic
(12) http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Unterhielt-Bush-ein-geheimes-Killerkommando/story/29463643
(13) http://en.wikipedia.org/wiki/USA_constitution

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