20 Jahre nach seinem ersten Amtsantritt als westdeutscher Bundesinnenminister hat der in sich zusammengesunkene Wolfgang Schäuble (1), welcher mehr und mehr Ähnlichkeit mit seinem damaligen ostdeutschen Amtskollegen Erich Mielke aufweist, heute noch einmal versucht Aufmerksamkeit (2) mit seinem Lieblingsfeind zu erzeugen: der Verfassung. Wegen dem abgesagten GSG 9-Einsatz gegen „Piraten“ nach der „Entführung“ des Frachters „Hansa Stavanger“ durch „Piraten vor Somalia“ solle jetzt – wieder mal – das Grundgesetz geändert werden. Die deutsche Polizei solle unter Oberbefehl seines Innenministeriums vor Afrika auf Marinebooten stationiert werden dürfen.
Schäuble spielt dabei die Rolle des gescheiterten Politclowns, der trotz Buhrufe und Pfiffe nicht von der Bühne will, sondern dem Polittheater (was ihn immer noch, 20 Jahre später auf die Bühne lässt) die Schuld dafür gibt.
Schäuble weiss selbst am Besten, wie man Luftnummern macht. Auch wenn er kein Akrobat, sondern Anwalt ist. Laut seinen eigenen Angaben hatte er die SPD-Führung schon bei Amtsantritt 2005 den Militäreinsatz im Innern unterschreiben lassen (2), aber alle Salami-Taktik nützt nun einmal nichts, wenn die Salami alle ist.
Im Oktober scheiterte der letzte, handstreichartige Verfassungsputsch für einen Militäreinsatz im Innern an den gerade durch die Bayernwahl frisch gestärkten Liberalen. Die Zwei-Drittelmehrheit der Berliner Chunta im Bundesrat war endgültig dahin. Sogar die SPD-Bundestagsfraktion kümmerte ein bisschen vor sich hin und verweigerte dann die Zustimmung (3); der KO-Schlag für die Schröder-Fraktion der Schröder-Partei, den gerade wieder inthronisierten Vorsitzenden Franz Müntefering, den Witzkanzlerkandidaten Frank Steinmeier („Wir sind die Guten“), den alten Fraktionszüchtiger Peter Struck (seit 1980 im westdeutschen Bundestag), sowie die unfassbare Brigitte Zypries im Justizministerium. Sie alle hatten Schäuble und der Bundes-CDU bereits zugestimmt.
Seit dieser Niederlage ist für die regierungsamtlichen Verfassungsstürmer die Leiter von der Festungswand gefallen. Alles was ihnen noch bleibt ist dumm die Wand hochgucken und ab und zu zum Wochenende ein bisschen Interview machen. Aber auch das nicht mehr lange.
Bei der letzten „Europawahl“ (4) genannten Wahl eines Parlamentes was seit 30 Jahren nichts zu sagen hat, bekam die CDU im Jahre 2004 sagenhafte 35 Prozent. Mittlerweile haben viele, wenn nicht sogar die meisten begriffen, dass das zuviel ist. Besonders wenn man bedenkt, dass die CSU eine eigenständige Partei ist und Angst vor der 5 Prozenthürde hat (7).
Wie sehe es wohl aus, wenn am 7.Juni die „Union“, die „CDU/CSU“ bei der „Europawahl“ effektiv für 25 Prozent Stimmenanteil Abgeordnete ins Witzparlament von Straßburg entsenden darf? Auswirkungen auf die real noch wichtige Bundestagswahl am 27.September dürfen erwartet werden, besonders weil die SPD bereits 2004 nur 21.5 Prozent der Stimmen bekommen hat. Man wagt es sich nicht gar nicht auszumalen, wieviel es diesmal werden. Nein, doch, man wagt es, hehehe.
Da es sich scheinbar immer noch nicht richtig rumgesprochen hat, was da Anfang April vor Somalia passierte, obwohl es sogar in den schlechtesten Zeitungen drinsteht, hier noch einmal eine kurze Bemerkung:
– es war die neue Washingtoner Regierung von Präsident Barack Obama, welche dem Einsatz der deutschen Bundespolizei und ihrer Spezialeinheit GSG 9 auf dem offenen Meer vor Kenia und Somalia (und offenbar auch nachher für einen de-facto-Kriegseinsatz auf völkerrechtlich somalischem Territorium) die Unterstützung entzog. Man könnte auch sagen: die US-Regierung verbot der Berliner EU-Führungsmacht die zweite deutsche Somalia-Intervention nach 1993 (6). Offenbar war man in Washington nicht gewillt entsprechend gehegte Pläne der Vorgängerregierung, mit der sich die Merkel-Steinmeier-Regierung bekanntlich engstens abgesprochen hatte, selber umzusetzen.
– sogar die GSG 9 beschwerte sich bei Innenstaatssekretär August Hanning, diesem duchgeknallten Volksbeschnüffler den die SPD mithalf 2005 vom Auslandsgeheimdienstchef zum Vize-Innenminister zu befördern, weil die Elitepolizisten die Gefahren als zu hoch einschätzten. (5)
Die Handlungen Schäubles liefen seit seiner Ernennung 2005 einzig und allein darauf hinaus den Rest davon zu vernichten, was er nach dem Anschluss der DDR im Jahre 1990 vom Grundgesetz noch übrig lassen musste. Seien wir dabei, noch einmal, sein Publikum:
Nun wird er 20 Jahre später nach seinem ersten Auftritt absaufen. Gluck, gluck, gluck. Es sei dem längst überfälligen Darsteller einer abgetakelten westdeutschen Bonner Politmafia noch fröhlich hinterhergewunken, wenn man ihn nachdrücklich, aber bestimmt, unter letztem Beifall des genervten Publikums von der Bühne des Theatre of Politics im „Globell Willitsch“ Richtung Garderobe zerrt…
(…)
Artikel zum Thema:
13.04.09 Münteferings müder Schachzug gegen das Grundgesetz
Quellen:
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Sch%C3%A4uble
(2) http://www.tagesschau.de/inland/schaeuble156.html
(3) http://www.radio-utopie.de/2009/04/13/Muenteferings-mueder-Schachzug-gegen-das-Grundgesetz
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Europawahl_2004
(5) http://www.bild.de/BILD/politik/2009/05/09/bundesinnenminister-wolfgang-schaeuble/will-elitetruppen-gegen-piraten-vor-somalia-stationieren.html
(6) http://www.radio-utopie.de/2008/12/11/Nach-Irakkrieg-II-jetzt-Somaliakrieg-II-kleine-Chronologie-fuer-den-Bimbesbuerger
(7) http://www.sueddeutsche.de/bayern/403/467972/text/