Medi(en)zin fürs Volk

Botschaften, das wusste Friedrich Schiller [1] bereits Ende des 18.Jahrhunderts in seiner Ballade ‘Die Bürgschaft ‘ [2] zu berichten, müssen schnell überbracht werden, ähnlich der bestellten Pizza. Wenn sie kalt ist, gibt’s Rabatt(z). Außerdem werden sie für gewöhnlich mittels eines Mediums, also durch einen Kanal oder auch einen Art Boten, übermittelt.

Nun war es in grauer Vorzeit eine wenn auch nicht sehr nette Gepflogenheit, den Überbringer schlechter Nachrichten zu töten. Auch waren die Informationswege bei weitem länger, umständlicher, die Informationsmenge insofern auf das Wesentliche beschränkt, was gleichermaßen Fluch und Segen bedeutete. Die Zunahme der Nachrichtenmenge ist dennoch nicht gleichzusetzen mit der Tatsache, dass heutzutage mehr passiert als in den vergangenen zwei- oder auch dreitausend Jahren. Nein, es ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass die Boten nunmehr nicht fassbare, abstrakte Übermittler sind, die sich entweder hinter einer Scheibe verstecken oder eben als unsichtbare Flut aus Glasfaserkabeln zu uns dringen. Dass die meisten dieser Meldungen sich auf Flachbildschirmniveau bewegen, mag uns als übersättigten Konsumenten insofern nicht mehr auffallen, als dass jede noch so unwichtige Nachricht mittels Twitter, RSS oder Ticker als ultimative Meldung verkauft wird. Infolge dessen gewinnen wir unweigerlich das Gefühl, die Rotation der Erde sei um ein Vielfaches beschleunigt worden und wir müssten uns fest an den (H)Anchorman [3] klammern, um nicht ins All geschleudert und von einem der unzähligen Nachrichtensatelliten getroffen zu werden. Da aber das ESOC (European Space Operations Centre)[4] als Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA [5] und Europas Tor zum Weltraum diese Tage sein 40jähriges Jubiläum feiert, ist wohl im Trubel der Feierlichkeiten auch da keine Rettung zu erwarten.

Wie das Wort schon belegt, kommen Nachrichten immer irgendwie zu spät, ‘richten’ sie doch jenes ‘nach’ und zu Recht, was die Gegenwart bereits verbrochen hat. Schlimmer kann es eigentlich nur dann werden, wenn einmal nichts passiert und TV, Web und Radio einfach keine Katastrophe zur Hand haben, mithilfe welcher sie die werberelevante Zielgruppe ans Endgerät locken könnten. Dass Archive geduldiger als Papier sind, erweist sich insofern immer dann als richtig, wenn der Newswire auf Schwachstrom umstellt und die Hochspannung eben anders erzeugt werden muss. Dann greifen übereifrige Redakteure zum Telefon, jagen ihren Dr.Praktikanten und Langzeit-Aspiranten auf eine feste Anstellung ins Archiv, damit er oder sie im Dunkel der Energiesparlampen die ein oder andere Sensation noch mal mit neuem Anstrich versehe. Tatsächlich speisen sich die meisten Nachrichtenredaktionen aus identischen Quellen und machen sich auch nicht die Mühe dies zu verbergen. O(h)neline fühlt man sich bekanntlich ja auch freier und ungezwungener, ein wenig wie FKK am Stadtstrand. Ob die von 48 [6] Chefredakteuren und leitenden Journalisten aus 19 Ländern verabschiedete Europäische Charta für Pressefreiheit [7] dabei praktisch den Kleiderhaken für überflüssige Schamgewänder bietet, indem sie Freiheit für die Medien und sozusagen barrierefreien Zugang für alle zu Informationen und deren Quellen fordert, ist nicht unbedingt zu erwarten. Schließlich möchten doch alle wissen, wo Flüsse entspringen. Man macht sich jedoch nicht selbst auf die Socken und lässt Google Maps suchen, wo der Regenbogen beginnt, ist die Gefahr groß den eigenen Quell der Inspiration versiegen und sich informationsmäßig fremd speisen zu lassen. Fernwärme mag dahin gehend bestimmt bequemer sein, als das Holz für den Kamin selbst zu hacken. Nur wissen wir doch alle, dass sich Feuer aus selbst geschlagenem Holz irgendwie verdienter anfühlt.

Damit es aber auch ohne CO² schön heimelig wird in der Fernsehstube, haben sich die Sender darauf geeinigt, die 3.Kammer jenseits der Mattscheibe zu installieren. neben den beiden gesetzgebenden Organen Bundestag und Bundesrat, hat sich nunmehr eine dritte etabliert, welche die üblichen Verdächtigen der Politikerkaste auch brav und regelmäßig besuchen´. Die Polit-Talkshows erweisen sich jedoch zunehmend als veritabler Klimakiller, wird doch durch das aufgeregte Geplapper mehr CO² ausgestoßen, als der Äther vertragen kann. Insofern sollte unbedingt Krawattenzwang eingeführt werden, um den Redeschwall zumindest ein wenig zu drosseln. Weniger fest etabliert scheint da die vorübergehende Stimmbandreizung des Rätselkönigs Günther Jauch(grube). Leider dauerte es nur wenige Tage, bis er wieder – ganz Schweinchen Neunmalschlau – die bewegendesten Momente (also insofern bewegend, als dass man gerne aufstehen, ins Studio springen und das Licht ausschalten würde) der Quizgeschichte moderierte. Ebenso aufwühlend ist der Wechsel des Johannes B. Kerner von einem Plapperstudio ins nächste, mit dem Unterschied, dass das Zweite – was eigentlich sein Erstes ist – durch ein anderes, SAT(tes) ersetzt wird. Womöglich findet kein wirklicher Wechsel statt, sondern ein einfaches Austauschen der Kulisse. Wenn man nämlich schon keinen Hintergrund zu bieten hat, will man wenigstens so tun, als ob der Tiefgang unter der Gürtellinie zumindest nicht mehr von Rundfunkgebühren bezahlt werde.

Wenn wir schon bei Zwangsabgaben sind, sei noch erwähnt, dass das ZDF sein Internetangebot erheblich verringern wird. [8] So zwingt der 12.Rundfunkstaatsvertrag [9] alle öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dazu, Abruf-Inhalte, die älter als sieben Tage sind, aus dem Netz zu nehmen. Warum man bei ARD und ZDF immer noch nicht von Bezahlfernsehen spricht , leuchtet nicht ein. Schließlich muss neben den GEZ-Gebühren auch immer wieder Lehrgeld bezahlt werden, wenn man wieder einmal feststellt, dass der Bildungsauftrag der beiden Sender eher einem Blindungsauftrag gleicht -mit dem Zweiten sieht man eben nur dann besser, wenn man das Erste auch schließt.

Medi(en)zin sich aus – wobei wir wieder beim intellektuellen FKK wären und der Frage, ob es wohl einer dickeren Poli-Tour bedarf, um folgendes zu konstatieren:

    Der CäSUr folgt ein Einschnitt
    Im Gleichschritt C-DUr
    Die Tonart vermag es
    Politisch hautnah(les)
    Im Scheinwerferlicht zu skizzieren
    Poli-Tisch Manieren
    In trauter Runde Will
    Oskar den Franz Anne-ktieren

Nun, wer sich auch jetzt noch keinen Reim darauf machen kann, dem sei empfohlen sich der Flaschenpost zu besinnen. Schließlich war deren Inhalt immer sichtbar.

Verweise:

[1] Friedrich Schiller http://www.friedrich-von-schiller.de/

[2] Die Bürgschaft http://www.literaturwelt.com/werke/schiller/buergschaft.html/

[3] Anchorman http://dict.leo.org/ende?lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&sectHdr=on&spellToler=on&chinese=both&pinyin=diacritic&search=(H)Anchorman&relink=on

[4]  ESOC (European Space Operations Centre http://www.esa.int/esaCP/SEMP74Z7QQE_Germany_0.html

[5] ESA http://www.esa.int/esaCP/index.html/

[6] „European Charter on Freedom of the Press“ – Europäische Charta für Pressefreiheit  http://www.pressfreedom.eu/de/index.php/

[7] Journalisten, die diese Charta unterzeichnet haben http://www.pressfreedom.eu/de/list.php/

[8] WDR und ZDF schmeißen online vieles raus http://www.netzeitung.de/medien/1369760.html

Mit jedem Rundfunkstaatsvertrag wird die Halde größer und nicht kleiner http://carta.info/10099/rundfunkstaatsvertrag-heiko-hilker-medienpolitik

[9] Zwölfter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge – Zwölfter Rundfunkänderungsstaatsvertrag

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