Gedanken über Wahrheit und Realität, Lüge und Illusionen

Der erste Weg führt meist direkt ins Badezimmer. Wo uns ein morgendlicher Blick in den Spiegel, mehr als eine Kristallkugel offenbart, wie ungeschminkte Realität aussieht.

Unser Erscheinungsbild hat sich zwar im Laufe der Jahre verändert, die Zeit ist eben unbarmherzig, sie bleibt nicht stehen, da hilft kein Schminken und kein Jammern, die Uhr dickt unaufhörlich, vom ersten Augenblick unserer Geburt bis zum letzten Atemzug unseres Lebens. Ist das ein Problem? Nein! That`s life! Was soll es, ich bin zufrieden, ich bin gesund, ich lebe, ich liebe, mein Geist ist frei und es gibt nichts, was mich derart belastet, sodass mein Seelenheil darunter leiden würde. Wenn dir das dein Spiegel sagt, dann bist du ein vom Schicksal begnadeter Sieger. Du magst dich selbst, du liebst deine Familie und Freunde und fühlst dich wohl in deinem Umfeld und deiner Gesellschaft.

Doch das alles gibt es nicht umsonst und ist auch nicht selbstverständlich, es muss nur ständig im Bewusstsein sein und als Zielvorgabe all unserer Handlungen und Entscheidungen, im Hinblick auf ein gesundes, funktionierendes Ganzes dienen. Das beginnt zuerst einmal bei uns selbst, dann bei unserer Familie und unserem Freundeskreis und endet schließlich bei der Einflussnahme und aktiven Mitgestaltung von Staat und Gesellschaft. Wer, so wie ich, in ländlicher Umgebung, mit großen Freiheiten, aber wenig Luxus, aufgewachsen ist, weiß, Dinge zu schätzen und zu achten, die anderen verborgen bleiben. Dieses einfache, realitätsnahe Leben vermittelt praktische Werte wie: Bodenständigkeit, Solidarität und Verlässlichkeit. Jeder kennt jeden und der  allgegenwärtige Tratsch ist wie das Salz in der Suppe. Er entblößt Laster und Tugenden, Talente und Schwächen jedes einzelnen. Und sollte es einmal jemand wagen aus der Reihe zu tanzen, sei es nur ein zu kurzer Rock oder ein zu freizügiges Dekolletè, wird er von den Schandmäulern gnadenlos zerrissen, wie von einem Rudel hungriger Wölfe. Wer diesem Gespött und Gruppenzwang nachgibt, wird selbst eine gefesselte Seele und endet irgendwann wie sie. Nur wer die Ängste besiegt und den Zwängen widersteht, darf sich individuell entfalten und wird mit Selbstbewusstsein honoriert.

Dann kommt so ein Gscherter, wie ich, in die Bundeshauptstadt Wien und versteht plötzlich die Welt nicht mehr. Da gibt es den Hackler, der, trotz schnellerer und billigerer öffentlicher Verkehrsmittel, mit einem sechszylinder Mercedes zur Arbeit fährt. Einfache Arbeiter, die mit Anzug und Aktenkoffer in den Betrieb pendeln, weil eben der Schein wichtiger ist als das Sein. Ihre ganzen finanziellen Mittel und Energien erschöpfen und verschwenden sie, zur Aufrechterhaltung einer Scheinwelt, obwohl sie vielfach in schäbigen Wohnungen unter katastrophalen Umständen leben. Auto und Habitus stehen im Zentrum ihres Universums, womit ihre Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit gegenüber ihren Familien und zur Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen begründet ist. Gespräche werden von Kitsch und medialen Schlagzeilen dominiert. Es ist schlicht und einfach der Traum eines jeden Politikers, schön verpackte Bürger mit hohlen Köpfen zu regieren, dann ist es egal, wie beschissen ihre Politik auch ist, sie wird nicht sichtbar, solange die Traumwelt nicht gefährdet ist. Den Film „Matrix“ gab es in den 70er Jahren noch nicht, aber er schildert genau das, was mir damals durch den Kopf ging. Ich empfand es, wie eine Reise in eine andere Welt, in eine Welt der Illusionen und Lügen. Ein Wechsel von der Intimität des Landes, wo man sich meist mit Vornamen grüßt, und wo man auch Muße und Zeit findet, ein paar Worte zu wechseln, vom belanglosen Geschwafel bis hin zu ernsthafteren Themen aus Politik und Gesellschaft, in die Anonymität der Stadt. So nebensächlich diese Gesprächskultur auch erscheinen mag, so fundamental und bestimmend ist sie für die Aufrechterhaltung menschlicher Beziehungen und einen ständigen Bezug zur Realität. Direkte Kommunikation ist das Lebensblut unserer Gesellschaft.

Die Anonymität der Stadt trägt wesentlich dazu bei, dass dieser Diskurs, so er überhaupt noch vorhanden ist, durch mediale Einflüsse und gesellschaftliche Normen und Ideale vergiftet und entwertet wird. Die Menschen verstecken ihr Leid, ihre wahren Gefühle, Sorgen und Ängste hinter einer künstlichen Fassade und ermöglichen damit, dass diese synthetische, illusorische Gedankenwelt existieren und fortbestehen kann. Alles dreht sich um Schein statt Sein, ein Kräfte raubender, aussichtsloser Kampf gegen Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Minderwertigkeit zieht sich durch ihr ganzes Leben. Was bleibt ist die Flucht in prestigeträchtige, oberflächliche Werte als Nahrung für die kranke Seele und mangelnde Selbstwertgefühl. Wie der Alkoholiker, der sich Mineralwasser bestellt, um nicht als solcher enttarnt zu werden, versuchen sie cool und individuell zu erscheinen, um die Hilferufe ihrer Seelen zu verbergen. Der falsche Freund in den eigenen vier Wänden wird immer mehr zum einzigen Vertrauten, er lullt den Geist mit sanfter Musik und falschen Bildern ein, er proklamiert, projiziert und manipuliert so subtil und nachhaltig, dass die zerstörerischen Kräfte unbemerkt ihre toxische Wirkung auf den Intellekt, die Kreativität und die Realität verströmen können. Wenn wirkt das Wort und schläft der Geist, so wird daraus, was Sklave heißt. Und so tun, seit vielen Jahrzehnten, die professionellen Medien, trotz ihrer scheinbaren Vielfalt und Unabhängigkeit, als Diener weniger Herren, was des Herrn Begehr. Was einst als Kontrolle gedacht, wurde zum Werkzeug der Macht.

Doch mit dem Aufkommen und der Verbreitung des Internets, droht plötzlich Gefahr, für die dunkle Seite der Macht. Eine neue Erfindung, so revolutionär wie einst der Buchdruck, prallt mit voller Wucht, wie eine Abbruchbirne, auf ein Glashaus zu, und versetzt die Hüter der Matrix in helle Panik. Eine neue Szene etablierte sich, die so genannten Blogger, die mit ihren Internettagebüchern den gesellschaftlichen Diskurs sehr erfolgreich wiederzubeleben  versuchen. Sie verbreiten Informationen und Wissen, das von der Elite vor der Öffentlichkeit streng geheim gehalten wurde. Lange Zeit gut gehütete Geheimnisse, über inszenierte Kriegsgründe, Nato Geheimarmeen oder über die Machenschaften und Verstrickungen der Geheimdienste in Morde und Terrorismus bis hin zu den kriminellen Betrügereien der Bankenmafia und ihrem open-air Kasino, werden publik. Die Wahrheit ist draußen, der Damm bricht und die wahren Besitzer der Welt wissen das. Das ganze Geschrei über Zensur! Zensur! kann die neue Zeit, eine Renaissance der Aufklärung, bestenfalls verzögern, aber niemals aufhalten. Sie rüsten hoch, wie nie zuvor. Der ganze Sparwahn beim arbeitenden Volk und die bewusste Zerstörung ihrer Bindeglieder und gesellschaftlichen Institutionen auf der einen Seite, sowie die Ausgabenexplosion für Polizei und Militär in Kombination mit besorgniserregenden Machtbefugnissen des Staates, die zu umgekehrt proportionalen Verlusten an bürgerlichen Freiheiten führen, lässt nur einen Schluss zu, dass mit einer gewaltsamem, blutigen Lösung, wenn schon nicht beabsichtigt, so doch zumindest gerechnet wird. Die Stärke des Amerikanischen Imperiums fußt auf der militärischen Übermacht, deshalb wird stets versucht jeden Konflikt auch militärisch zu lösen. Gleiches gilt für ein unbewaffnetes Volk. Das Gewaltmonopol des Staates ist und bleibt seine Stärke. Und darum gilt es, jede Gewalteskalation um jeden Preis zu verhindert. Es wäre mehr als töricht, die
ses Monopol anzuzweifeln und eine gewaltsame Lösung zu suchen.

Wer ist nun schuld an dieser Katastrophe? Die Verursacher sowieso, aber sie allein sind es nicht! Die einen, weil sie kein Maß halten können, in ihrer unersättlichen Gier nach Macht und Geld. Und die anderen, weil sie ihr Wertvollstes, was ein Wesen von der Schöpfung je bekam, den Intellekt, der sie ermächtigt, frei und eigenverantwortlich zu handeln, nicht achteten und schützten. Ihr glaubt ihr seid Menschen und benehmt euch wie Schafe. Ich kann ja nichts ändern! Ist die typische Antwort und zugleich Bestätigung, dass dem so ist. Es ist ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht und zugleich Proklamation der Kapitulation vor der Fremdbestimmung, aus Feigheit vor der Verantwortung zu einem würdevollen und eigenverantwortlichen Leben. Die Fesseln habt ihr euch großteils selbst auferlegt, weil ihr aus lauter Feigheit, bereit seid, Lügen zu akzeptieren oder Unrecht geschehen zu lassen. Ihr unterdrückt lieber euer angeborenes Rechtsempfinden und verleugnet euer schlechtes Gewissen, ihr lasst euch zu Tätern machen, anstatt nein zu sagen, ihr opfert euer Seelenheil, anstatt das Unrecht hinaus zu schreien. Ihr schließt Ehen und setzt Kinder in die Welt, obwohl ihr nicht bereit seid, die Verantwortung zu übernehmen und auf euren Egoismus zu verzichten. Verantwortung heißt: nein zu sagen, wenn etwas Unrecht ist! Verantwortung heißt: auf eigene Wünsche und Bedürfnisse zu verzichten, wenn andere unsere Hilfe brauchen! Verantwortung heißt: die Wahrheit auszusprechen, auch wenn man sich unbeliebt macht! Hört nicht auf die falschen Propheten, die selbsternannten und gekauften Experten. Lasst euch nicht in eine künstliche Hierarchie zwängen. Titel und Positionen sind reine Funktionen, sie sagen nichts über den Wert eines Menschen aus. Es gibt genug Akademiker, die unfähig sind, einen Computer zu bedienen oder einen Videorekorder zu programmieren. Andererseits gibt es Hilfsarbeiter und Handwerker, die über Wissen und Fähigkeiten aus einer Anzahl von verschiedenen Berufen verfügen, obwohl sie keinen davon erlernten. Nur ein respektvoller Umgang miteinander, kann uns als Gesellschaft vereinen, sodass gemeinschaftliche Ziele nicht länger Utopie bleiben müssen, sondern Wirklichkeit werden können.

Artikel 1 der allgemeinen Menschenrechte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Es gibt Beispiele genug in der Natur, wo Tiere ihre Angst überwinden und ihr Leben riskieren, um ihr Junges oder einen Artgenossen zu retten. Es gibt ihn nicht euren Superhelden, euren Master of the Universe, der euch aus eurer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit! Ihr ganz allein habt es in der Hand, ob ihr Mensch oder Sklave sein wollt. Die neue Weltordnung, der Elite geilster Traum, wird es nie geben, wenn ihr eure angeborenen, göttlichen Menschenrechte auf Selbstverantwortung und Selbstbestimmung einfordert und verteidigt. Nicht zum Fernseher flüchtet und neuen Stoff für Träumereien sucht, sondern hinausgeht und mitgestaltet, das sollte euer neuer Lebensinhalt werden. Jeder soll bei sich selbst beginnen. Die erste und zugleich wichtigste Hürde besteht darin, seine Angst und Minderwertigkeit zu überwinden, eine Meinung zu bilden und diese auch gegen vorherrschende Widersprüche und Gruppenzwänge zu verteidigen. Nicht etwas fordern, was man selbst nicht bereit ist zu geben. Liebe, Freundschaft und Vertrauen muss man sich verdienen, wer bereit ist sie zu geben, wird sie auch sicher ernten. Ohne diese Werte seid ihr nichts und euer Leben ist wertlos und vergeudet, auch wenn ihr noch soviel materiellen Reichtum habt.

Ja, es gibt sie also, die bessere Welt, nur haben wir vergessen, in unserem blinden Streben nach Konsum und materiellen Werten, sie richtig zu nähren  Absolute Gerechtigkeit gibt es nicht, aber relative, und dieses Ziel zu verfolgen, lohnt sich, im Interesse aller.

 

mayer.franz@aon.at

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