Die Absage dieser Berliner Messe der auserlesenen “Musikindustrie” bedeutet das Ende eines entscheidenden Teils der kulturellen Hegemonie des Kapitalismus in der Republik.
Gestern wurde offiziell die Messe der Musikindustrie abgesagt, welche seit ihrer Gründung 1989 systematisch Kunst und Kultur in der Republik im Niveau, sowie Ausbeutungsmechanismen in die kleinsten Clubs und Übungsräume hinein drückte: die “Popkomm”. Ihre Aufgabe, wie auch die Aufgabe der durch transnationale Finanzkonglomerate kontrollierten Musikindustrie, war stets die Verhinderung von guter Musik zugunsten von Blödelbarden und Kommerzkultur. Ihr Job war als Protegé-Maschinerie rücksichtslosen Prostitutions- und Unterwerfungszwangs der Künstler in Deutschland durchzuzwingen, unter die mit bizarren Summen ausgestatteten Zuhälter hinter den Schreibtischen der Major-Labels.
Ihre Strategie lief auf eine Vernichtung jeder unabhängigen ”Independent” Szene und Infrastruktur hinaus, sowie auf die Aufrechterhaltung der kulturellen Hegemonie einer geistig, moralisch, künstlerisch und seelisch kaputten Gesellschaft und ihrer Wirtschaftsordnung: dem Kapitalismus.
Dabei ging es nie um “Wettbewerb”. Es ging immer nur darum einen Wettbewerb zu verhindern. Gute Musiker wurden durch hochbezahlte “Talentscouts” ausfindig gemacht, um sie für ein Handgeld einzukaufen und auszuquetschen wie eine Zitrone. Wenn das nicht ging, weil sich die meist mittellosen Kunstproletarier dem bis in den kleinsten Arbeitsbereich hinein reichenden Verwertungssystem nicht unterwarfen, wurden sie mit allen Mitteln am Aufstieg gehindert und in der Branche faktisch eliminiert. Das ging immer sehr schnell, da die gesamte Musikbranche in Deutschland von ca.30-40 Personen kontrolliert wurde. Das ist auch heute noch so; nur mit dem Unterschied, dass der Kutter Musikindustrie – wie jeder Witzverein am Tropf der Börsenzocker, Monopole und Banken – zwar schon bis über Deck abgesoffen ist, aber weiter auf dem Mast die sinkende Flagge weht und im Ausguck noch ein paar Suppenkaschperl ihre Show abziehn.
Popkomm- und VIVA-Mitgründer Dieter Gorny, Baujahr 53, dessen Lebenslauf als Paradebeispiel für alle Seelensauger aus der Industrie stehen mag 1 , ist heute Leiter des Bundesverbandes Musikindustrie. Er ist nicht nur der Feind des Internets, welches bei entsprechend fairer Gesetzgebung allen Musikern die Möglichkeit gäbe ihre eigene Musik auf den eigenen Webseiten selbst zu verkaufen, er muss es auch sein. Von irgendwas muss ein Wegelagerer schliesslich leben, besonders wenn er bisher so prima davon leben konnte.
Christian Schlüter sagte dazu unter der Überschrift “Alles Lüge” schon genug in der Frankfurter Rundschau 2 :
“Dieter Gorny also. Er sagte die für den September geplante Popkomm in Berlin ab, und zwar wegen zu geringer Anmeldezahlen und als Zeichen des Protests gegen Internetpiraterie. Außer der Musikmesse selbst, die als einer der wichtigsten Treffs der Branche gilt, fällt auch das Rahmenprogramm aus, immerhin ein Festival und ein Kongress. Gorny betonte, seine Absage sei vor allem als Aufforderung an die Politik zu werten, mehr gegen die Internetpiraterie zu tun.”
Die Popkomm GmbH sah das so 3 :
“Angesichts der anhaltend schwierigen Branchenlage hat die Popkomm GmbH in Abstimmung mit dem Verband unabhängiger Musikunternehmen VUT und dem Bundesverband Musikindustrie BVMI beschlossen, die Branchenplattform Popkomm für ein Jahr auszusetzen. Im Sommer 2010 wird die Popkomm mit einem veränderten Gesamtkonzept wieder in Berlin stattfinden.”
Es sei hier mal eine Prognose samt Einschätzung aufgestellt:
Jeder der es wissen wollte, konnte bisher wissen, dass es in Deutschland Künstlern faktisch verboten ist die eigene Musik auf der eigenen Webseite zu verkaufen und dadurch ohne grosse Kosten, an allen Ausbeutern vorbei, weltweit mit ihrer Kunst Handel zu betreiben.
Es soll schon Leute gegeben haben, die jahrelang erst mühsam die ganze Bande der Konzernmedien und Staatspresse stürzen mussten, um sich dann die Halunken in den “Parteien” vorzuknöpfen, selbst mitzuhelfen eine zu gründen, dabei gleichzeitig von lauter Nichtsnutzen und Vollidioten umgeben das Grundgesetz beschützen was die Freiheit der Kunst und nicht die Ausbeutung von Kunst schützt , um dann mal eben mitzuhelfen den Weltkapitalismus in die Grube zu kippen, nur um dann ganz zum Schluss endlich seine eigene Musik auf der eigenen Webseite verkaufen zu dürfen.
Ich habe da Gerüchte gehört: sowas gibt´s.
Nun, was wird nun nächstes Jahr passieren? Die Popkomm jedenfalls ist tot und kommt nie wieder. Wer noch an diesen Weihnachtsmann glaubt, muss ihn bezahlen. Nun ist aber der Mittelbau der Musikbranche eigentlich noch verkommener als die Spitzen der Pyramide, welche sich ab und an einen Rückfall zum menschlichen Wesen leisten können und dann eine Sendung drüber machen die sich gut verkaufen lässt.
Da also kein kommerzieller Veranstalter es wagen wird ohne Einnahmegarantie also versteckte Bestechungsgelder und Subventionen aus den Milliardentöpfen von “Mutterkonzernen” der Industrie irgendetwas zu unternehmen, wird 2010 die Stunde der Schmuddelkinder von Berlin schlagen. In allen kleinen und Kleinstclubs werden die ganzen Verrückten und Idealisten irgendetwas aus dem Untergrund stampfen, so wie es immer passiert wenn man Menschen nicht mehr unterdrücken und dazu zwingen kann nicht zu arbeiten. Diesen September wird es wahrscheinlich schon den ersten Versuch dazu geben, aber der wird gründlich in den Sand gesetzt, weil die Leute die organisieren können meistens viel Geld haben und die Leute die es nicht können selbst Musiker sind und nie gelernt haben zu organisieren, weil irgendwelche Dummschwätzer und Ausbeuter ihnen für viel Geld alles aus der Hand genommen haben und weil sich Musiker ständig untereinander streiten, weil sie kein Geld und keinen Erfolg haben und der eine Teil genau das will, Geld und Erfolg, und der andere seine Seele behalten.
Bis nächstes Jahr wird sich das Ganze eingerenkt haben, weil es auf einmal – pardauz – eine Riesendiskussion geben wird, ob das alles richtig war mit dem Kapitalismus, weil auf einmal niemand mehr so recht daran verdienen kann, in der Mittelschicht, und vor allem die Unterschicht mittlerweile so wütend geworden ist, dass sie sogar angefangen hat zu denken und andere Musik hören will als “Lala, ich bin Nutte und berühmt” und das auf englisch.
Also – freuen Sie sich auf´s nächste Jahr, wenn irgendwelche Spinner den Weltkapitalismus und alle entsprechenden Schurken gestürzt haben, die immer noch herumsitzen und glauben, “joaah, das legt sich wieder, schnell einen Krieg, dann tanzen wieder alle nach unserer Pfeife”.
Bis dahin erleben wir das höchst unterhaltsame Spektakel einer ziellos umher irrenden Bande fetter Schlipswichtel und Wegelagerer auf dem mit unzähligen, unbekannten Leichen gepflasterten Pfad der Kunst. Die Wegelagerer werden sich lauthals darüber aufregen dass da niemand mehr ihres ehrenwerten Weges kommt und deswegen den Hauptmann der Räuber anschnauzen, man solle doch gefälligst den neuen Weg abseits ihrer Route dicht nageln. Dieser wird zweifellos versuchen ihnen zu gehorchen. Und mit seinen Räubern, zusammen mit den Wegelagern, untergehen.
Es wird eine Beerdigung 4.Klasse für die Musikindustrie. Mehr ist nicht drin. Es ist ihrer auch angemessen.
vorher:
10.06.2009 Internet und Urheberrecht: DIE GUTEN fordern Ende von “rücksichtsloser Ausbeutung des Kunst- und Kreativproletariats” im 21.Jahrhundert
27.12.2008 Künstler & Kreative, die “Musikindustrie” winselt ihrem Ende entgegen!
02.01.2008 Steve Albini Shellac about Major Labels
07.12.2007 Die “Linke” hinter dem Fortschritt der Welt
07.12.2007 Streicht “Linke” bei Wikipedia: Angriff auf das Internet
Quelle:
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Gorny
2 http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1804150_Times-Mager-Alles-Luege.html?sid=8328c9c856d8e9e862885b2d2584aae4
3 http://www1.messe-berlin.de/vip8_1/website/Internet/Internet/www.popkomm/deutsch/Presse/Pressemitteilungen/index.jsp?lang=0&newslang=de&newssys_id=28751&source_oid=14074&year=2009