Stimmen die Prognosen der öffentlich-rechtlichen Sender bezüglich der Bundestagswahl?
Auch heute wieder wurde eine Wahlprognose für die Bundestagswahl veröffentlicht, diesmal durch Infratest Dimap für die ARD. Wieder wurde die Piratenpartei ausgeblendet. Zudem einigermassen merkwürdig: zum dritten Mal hintereinander (1) kamen in dieser Umfrage die „Sonstigen“, also alle Parteien welche nicht im Bundestag vertreten sind, zusammen auf nur 4 Prozent. Dabei ist die Piratenpartei erst seit einigen Monaten ein politischer Faktor geworden, hat innerhalb von Wochen ihre Mitgliederzahl auf über 7000 Mitglieder verdreifacht und dabei ohne Zweifel neues Wählerpotential für sich gewinnen können. Doch diese Wähler scheinen irgendwie nicht ganz so wichtig zu sein, jedenfalls nicht wichtig genug für die Staatssender ARD und ZDF.
Denn mit dem Zweiten sah man noch viel konsequenter hin. Waren im ZDF-Politbarometer vom 7.August die „Sonstigen“ noch wie üblich in der „politischen Stimmung“ nicht weiter erwähnt, so kamen sie doch in der „Politbarometer-Projektion“, in der „längerfristige Überzeugungen und Bindungen an die Parteien sowie koalitionstaktische Überlegungen eine etwas größere Rolle spielen“ sollen, auf unverändert 6 Prozent. (2)
Doch scheinbar haben wir uns die letzten Wochen „alle nur eingebildet. Denn fortan sank der Anteil der „Sonstigen“, darunter die Piratenpartei über die sonst jeder redet ausser das ZDF vielleicht, in der „Politbarometer-Projektion“ vom 21.August (3) erst auf fünf Prozent und dann gestern auf vier Prozent. (4)
Was ist da los? Soll das eine pädagogische Massnahme des öffentlich-rechtlichen Staatsfernsehens sein, nach dem Motto „Setzt sich der Wähler auf die eine Seite des Bootes, setzen wir uns auf die andere“? Will uns hier jemand auf den Arm nehmen?
Dass der ganze Rest der Parteien seid 19 Jahren nur Mist baut und keinen mehr interessiert – zumindest nicht, wenn es darum geht wie es einmal besser wird und nicht darum wie es verhindert werden kann dass es noch schlimmer wird – kann durchaus als Mehrheitsmeinung der Bevölkerung bezeichnet werden. Die einzigen Argumente gegen die Piratenpartei sind denn auch, dass sie erstens nicht gleich zu allen Themen (auf denen alle anderen Parteien nur versagt und gelogen haben) fertige Programme und Konzepte haben und dass sie zweitens sowieso keine Chance haben in den Bundestag einzuziehen. Dieses Argument, „Gewissen unter Anpassung“, ist das schlechteste überhaupt was man in einer Demokratie haben kann und genau auf diese typische Unterwerfungsmentalität zielt offenbar auch die ebenso staatliche, wie kommerzielle Meinungs-„Forschungs“-Industrie, welche am 30.August bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowieso gezeigt hat dass niemand so rechts auf sie hören will.
Es wäre im Interesse der Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF die Piratenpartei jetzt endlich in die Umfragen mit aufzunehmen. Oder sie stehen am Wahlabend noch dümmer da als ohnehin. Dass die Piratenpartei auf jeden Fall ein Ergebnis über zwei Prozent einfahren wird, pfeifen die Tauben den Spatzen schon seit geraumer Zeit vom Dach herunter. Die dritte Umfrage auf StudiVZ in Folge – mit 45.000 Teilnehmern und nicht mit 1500 wie bei der ARD/Infratest-dimap – liegt die Piratenpartei mit Abstand vor allen anderen Parteien (5).
Das mag sich um ein Bildungsphänomen handeln und nicht repräsentativ für den „Durchschnitt“ der Bevölkerung oder deren Fernsehsender sein; für die Aufnahme als eigenständige Partei in die Wahlumfragen als bewiesenermassen relevanter politischer Faktor sollte es aber in der Tat genügen.
(…)
27.08.2009 ARD-Umfrage: CDU bei 35 %, Piratenpartei ausgeklammert
18.08.2009 Piratenpartei: erste neue Bundestagspartei seit 19 Jahren?
12.08.2009 Umfrage: Piratenpartei bei zwei Prozent
Quelle:
(1) http://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/sonntagsfrage/
(2) http://politbarometer.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,1020771_idDispatch:8853440,00.html
(3) http://politbarometer.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,1020771_idDispatch:8894239,00.html
(4) http://politbarometer.zdf.de/ZDFde/inhalt/27/0,1872,7670875,00.html
(5) http://www.radio-utopie.de/2009/09/02/piratenpartei-der-wahlkampfspot-der-digitalen-buergerrechtler/