Kirche entdeckt christliche Nächstenliebe

Es ging nicht einmal um eine Wurst

Die evangelische Kirche möchte neue negative Schlagzeilen vermeiden, denn ihr öffentlich bekannt gewordenes unchristliches Handeln schadete sehr ihrem Ansehen in der Bevölkerung.

Sicher hatte sie nicht damit gerechnet, dass eine körperlich schwer behinderte Frau sich in behördlichen Dingen ein wenig auskennt und nicht alles passiv als Gottgegeben hinnimmt und eine Kündigungsschutzklage einreichen würde. Leider gibt es noch zu viele Menschen in unserer Gesellschaft, die nicht einmal wissen, welche rechtlichen Möglichkeiten ihnen im Umgang mit Behördenbescheiden oder Arbeitgebern zustehen.

In einem Seniorenpflegeheim hatte sich eine seit 18 Jahren angestellte Frau, selbst auch behindert, erlaubt, ihr Brot mit Teewurst zu bestreichen. Die Wurst war Eigentum des Betreibers des Heimes. Nun kann sich jeder vorstellen, dass man sich auf seine Schnitte nicht eine ganze Wurst streicht, sondern etwas davon.

Das war Anlass genug, um der Angestellten am 23. Oktober die fristlose Kündigung auszusprechen, um sie auf diese Weise loszuwerden. Vielleicht hat jemand eine Vorstellung davon, wieviel ungenutzte Lebensmittel in Pflegeheimen und Krankenhäusern weggeworfen werden müssen?

Wieviel Überstunden und zusätzliche Leistungen erbringen tagtäglich tausende von Arbeitnehmern zusätzlich ohne Entlohnung – sei es aus persönlichem Engagement über die Art der Arbeit; ihren kostenlosen Einsatz um die Firma in einer finanziellen Notlage über Wasser zu halten oder aus Angst, der nächste Entlassungskandidat zu sein, wenn man nicht die gehörige Portion Motivation für die Firmeninteressen zeigt?

Wie die Süddeutsche heute berichtet, hat nun die evangelische Kirche die Kündigung der schwerbehinderten Pflegehelferin zurückgenommen.

Wilfried Wesemann, der Geschäftsführer des Evangelischen Johannesstifts, sagte, dass man die nun doch nicht gekündigte Frau anderweitig beschäftigen wird.

Gerade im Bereich der Senioren- und Pflegeheime herrscht ein gnadenloser Druck und Konkurrenzkampf und ist wie in den meisten Bereichen der Gesellschaft zu einer Industrie verkommen, in der oft jede „Dienstleistung“ nach Taktminuten abgerechnet wird.

Für persönliche zusätzliche Zuwendung des Personals an die ihnen anvertrauten hilfebedürftigen Menschen bleibt immer weniger Zeit.

Derartige Kündigungsgründe wegen ein paar Cents, die in Deutschland immer mehr um sich greifen, sind nur die Symptome einer entmenschlichten Arbeitswelt geworden.

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Quelle: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/836/495165/text/