Gedenkmarsch zum Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 1.Dezember
Am 30. November demonstrieren in der Hauptstadt Freunde der amtierenden deutschen Verfassung. Sie wenden sich gegen das Ermächtigungswerk namens Lissabon-Vertrag, der Deutschland zu einem EU-Bundesstaat transformieren soll und trauern um das ihrer Meinung nach im Alter von 60 Jahren vermeintlich verstorbene Grundgesetz.
Doch die Verfechter einer Entstaatlichung und Entdemokratisierung der Berliner Republik, mit dem Aushängeschild eines mystisch verbrämten EU-Nationalismus, haben den Höhepunkt ihrer Macht überschritten. Die Berliner Republik und ihr Gesellschaftsvertrag sind immer noch da und werden nicht so einfach verschwinden.
Wie Radio Utopie bereits am 20.November schrieb, hat die neokonservative Nomenklatura, nicht nur in Brüssel und Berlin, mit der Wahl von Herman Van Rompuy als Präsident des “EU-Rates”, sowie der Wahl von Catherine Ashton als Aussen-Repräsentantin, eine verheerende Niederlage erlitten. Die alten Grössen wie Tony Blair, Gerhard Schröder und Jean-Claude Juncker, sie sind dahin. Die Dynamik des Assimilierungsprozesses der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ist gebrochen, der Abbau von Verfassungen, von Grundrechten der Staatsbürger, von Gewaltenteilung und Parlamentarismus ist gestoppt. (EU: Die Spitze ist gebrochen)
Die eigentliche Auseinandersetzung, die zentrale Machtfrage, wird sich erst noch stellen: und zwar in der Frage nach der rechtlichen – und damit verfassungsrechtlichen – Priorität von Grundgesetz einerseits und einfachen „EU-Direktiven“, also Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs im sogenannten „EU-Rat“, andererseits.
Wenn das Bundesverfassungsgericht es auch in seinem Beschluss vom 1.Juli versäumt hat, zwingend für eine völkerrechtliche Einhaltung seiner definierten “absoluten Grenze” der Anpassung des Grundgesetzes an die EU in Direktiven des EU-Rates zu sorgen, so hat es doch definiert, dass der “geschützter Mindeststandard” (Artikel 1-20, Gewaltenteilung, Mitwirkung der Bundesländer) nicht unterschritten werden darf (1). Wird er aber durch den „EU-Rat“ der Regierungen, auch der in Berlin, unterschritten, so stellt sich erst die eigentliche Machtfrage, nämlich zwischem den Europäischen Gerichtshof und Karlsruhe.
Was wir als „Vorratsdatenspeicherung“ kennen, ist eine einfache EU-Direktive im Rahmen des 5-Jahresplans zum Aufbau eines kontinentalen Überwachungsstaates namens „Haager Programm“. Beschlossen wurde dieser in 2004 erst durch die Regierungschefs, dann durch die Innen- und Justizminister. Vorher hatte 1999 das „Tampere Programm“ die Grundlage gelegt. Ende dieses Jahres wollte die Berliner grosse Koalition als dritten Fünfjahresplan das „Stockholmer Programm“ beschliessen. (Schäubles “Future Group” und ihr “Stockholmer Programm”: 5-Jahresplan der EU zum Überwachungsstaat, 27.Juni 2009). Es ist anzunehmen, dass dies mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Berliner Justizministerium nicht so einfach durchgehen wird, wie es unter 11 Jahren SPD-Regierungsbeteiligung der Fall war
Gegen diese in Deutschland umgesetzte EU-Direktive namens „Vorratsdatenspeicherung“ läuft die grösste Verfassungsklage in der Geschichte der Republik. Einiges deutet daraufhin, dass sich das Bundesverfassungsgericht gegen den Europäischen Gerichtshof stellen und diese Direktive als verfassungswidrig beurteilen wird. Sobald aber nur eine einzige EU-Direktive des „Rates“ der EU-Regierungen durch deutsches Verfassungsrecht gekippt wird, ist diese Republik souverän und zwar amtlich und für immer. Das ist die spannende Entscheidung, die noch aussteht und die man als Multiplikatoren vor dem Gerichtshof der Öffentlichen Meinung und des Öffentlichen Interesses, auch im eigenen Interesse offensiv und standhaft verteidigen sollte.
Nun werden am Montag, dem 30., Freunde und Freundinnen des Grundgesetzes vor dem Reichstag um ihren Gesellschaftsvertrag trauen.
Nur Mut, möchte man ihnen zurufen. Noch ist die Republik nicht tot.
(…)
Quellen:
(1) http://www.radio-utopie.de/2009/07/01/wir-sind-souveraen/