Italien: Mafia, Politik und Alltag

Im Prozess gegen Marcello Dell’Utri, Mitbegründer von Silvio Berlusconis Partei „Forza Italia“, sagte Auftragskiller Gaspare Spatuzza gestern vor einem Turiner Gericht aus. Dieser Aussage zufolge legten die Parteigründer Berlusconi und Dell´Utri ab 1993 den Staat Italien wieder in die Hand der Mafia. Dort liegt er heute noch. Mit im Boot: die Auslandspionage SISMI, schon in der Freimauerloge „Propaganda Due“ und dem Attentats-Netzwerk der NATO namens „Gladio“ mit dabei.

Gaspare Spatuzza ist ein Auftragskiller der Mafia. Seit seiner Verhaftung im Jahre 1997 verbüsst er eine lebenslange Freiheitsstrafe. Spatuzzas Boss war der langjährige Mafia-Pate der Stadt Palermo, Giuseppe Graviano. Graviano wurde zusammen mit seinem Bruder Filippo am 27.Januar 1994 verhaftet und anschliessend zu lebenslanger Haft verurteilt, u.a. wegen den Attentaten auf die beiden Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone (am 23.Mai 1992) und Paolo Borsellino (am 19.Juli 1992).

Die Graviano-Brüder gehörten zu den Mafia-Paten, die nach der Verhaftung vom „Boss der Bosse“ Toto Riina am 15.Januar 1993 zu einer weiteren blutigen Attentats-Serie mobilisierten. An allgemeinen öffentlichen Plätzen in Florenz, Mailand und Rom explodierten Sprengsätze, 10 Menschen wurden getötet, 93 verwundet. Die Graviano-Brüder gelten als die Organisatoren der Attentate.

Gaspare Spatuzza, einer ihrer Killer, beerbte die Graviano-Brüder nach deren Verhaftung am 27.Januar 1994. Vorher hatte sich Spatuzza noch Anfang des Jahres mit Giuseppe Graviano in einer Bar für Reiche in der Via Veneto Roms getroffen, welche dem Mafia-Boss gehörte. Spatuzza, seit 1997 in Haft und seit 2008 Zeuge der Justiz, sagte nun gestern vor Gericht folgendes aus:

Sein Boss Giuseppe Graviano habe ihm damals im Januar 1994 in Rom erzählt, dass die kurz vorher im September 1993 gegründete Partei „Forza Italia“ einen Pakt mit der Mafia geschlossen habe. Ausdrücklich, so Spatuzza, habe Graviano dabei zwei Parteigründer namentlich erwähnt: den Medienmogul Silvio Berlusconi und den „Erfinder“ von „Forza Italia“, Marcello Dell´Utri. (1)

„Graviano erzählte mir, dass Dank der Seriösität dieser Leute wir das Land in der Hand hatten“

so Spatuzza gestern vor Gericht (1). Nach der von den Graviano-Brüdern organisierten Attentats-Serie wurde im Frühjahr 1994 Silvio Berlusconi Ministerpräsident von Italien.

Was die Weltpresse heute unisono verschwieg, war, dass die Aussage von ex-Profikiller Spatuzza haarscharf zu den Aussagen eines weiteren wichtigen Kronzeugen der Justiz passt. Antonino Giuffrè, der 2002 verhaftet worden war, hatte bereits vor Jahren von einem strategischen Pakt zwischen der Cosa Nostra und „Forza Italia“ berichtet. Denn mit dem Niedergang der italienischen „Christdemokraten“, die mit ihrer Partei „Democrazia Christiana“ seit dem Ende des Faschismus fast alle Ministerpräsidenten gestellt hatte, hatte die Mafia 1993 ihren natürlichen Ansprechpartner an der Regierung verloren. Nun wurde mit „Forza Italia“ einfach ein Ersatzmodell aus dem Hut gezaubert, was die Immunität der Mafia – welche nach den Attentaten auf die Richter Falcone und Borselino wegen der öffentlichen Empörung ins Wanken geraten war – wieder herstellen sollte.

Der grösste Witz Italiens war und blieb aber, wie in jedem anderen Staat des US-Einflussbereichs , der vermeintliche „Gegner“ der Konservativen / Christdemokraten. Seit dem 2.Welkrieg sorgen im Nato-Raum diverse systemische Massnahmen, die bis in den Aufbau von Terrororganisationen unter falscher Flagge reichen, dafür, dass ein solcher Gegner nicht existiert.

Die „Linke“, die „Sozialdemokratie“ und alles, was sich so nennt, ist auch in Italien ein Steigbügelhalter rechter, reaktionärer und autoritärer Ideen, der im Falle der Niederlage des konservativen „Gegners“ dessen Politik einfach übernimmt, nur noch schlimmer. Diese Gruppierungen und Fantomparteien wie die „PDS“ (Partito Democratico della Sinistra, heute „DS“), sowie nach Zusammenbrüchen von oben eilig immer wieder neu als Auffangbecken gegründeten Bündnisse wie L‘Ulivo, sorgten und sorgen für die nachhaltige eigene Niederlage und den maximalen Verrat an allen Wählern und Mitgliedern. Führende Kollaborateure waren Romano Prodi (zwischen den zunehmend bizarrer werdenden Inthronisierungen Berlusconis zweimal Ministerpräsident), sowie sein Aussenminister Massimo D`Alema. Entsprechende Pendants in Deutschland, Spanien, Frankreich, Grossbritannien, Israel oder gar der USA selbst, brauchen nicht mehr erwähnt zu werden.

Im Jahre 2002 wurde der Pakt mit der Cosa Nostra vom Staat aufgekündigt. Im April 2002 wurde der spätere Kronzeuge Giuffre durch die Behörden verhaftet. Nach den Attentaten des 11.Septembers 2001 hatte sich die Welt verändert, das Abkommen mit der Mafia war für den Staat Italien nicht mehr nützlich.

Dass und wie der Ausführende Staat, die Exekutive, in Italien mit der Mafia, sowie Untergrund-Gruppen zusammen arbeitete, ist dort seit Jahrzehnten und in Deutschland kaum bekannt. U.a. wurde Bruno Contrada, Vize-Chef der Inlandsspionage SISDE und ex-Polizeichef von Palermo, im Jahre 1992 verhaftet, weil er den „Boss der Bosse“ Riina vor der Verhaftung beschützt hatte. Der ermordete Richter Falcone hatte den Vize-Chef des Inlandsgeheimdienstes bereits verdächtigt, in ein Attentat auf sein Leben im Jahre 1989 in der Schweiz verwickelt gewesen zu sein.

1990 wurde, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, in Westeuropa ein Attentats-Ring aus paramilitärischen Guerilla-Organisationen, Faschisten, Spionagediensten und Militärs unter dem Kommando der Nato bekannt. Den operativen Betrieb übernahm die CIA. In Italien lautete die Bezeichung dieser Nato-Guerilla „Gladio“ . Ziel ihrer vorgenommenen militärischen Operationen gegen Zivilisten („Terroranschläge“) war die Diskreditierung von linken oder sozialistischen Gruppen, sowie eine Verhinderung von entsprechenden parlamentarischen Wahlerfolgen.

In Italien gab es direkte Überschneidungen zwischen „Gladio“ und der Cosa Nostra, wie in der Freimaurer-Loge „Propaganda Due“ (P2) unter Leitung des Altfaschisten und ex-CIA-Agenten Licio Gelli. Die P2 galt lange jahre als eigentliche Regierung Italiens.  Nach Angaben des CIA- und Mossad-Agenten Richard Brenneke finanzierte die Regierung der USA die Loge P2 mit bis zu zehn Millionen Dollar im Monat. Am 2.August 1980 kam es zu einem Bombenattentat in Bologna, mit 85 Toten und mehr als 200 Verwundeten. Zwei Agenten der italienischen Auslandsspionage SISMI, sowie der P2-Vorsitzende Gelli, wurden wegen „Behinderung der Ermittlungsarbeiten“ verurteilt.

Mitglied der P2: Silvio Berlusconi. Sein Name stand auf einer Liste, welche im Jahre 1981 nach der Flucht Gellis in dessen Villa gefunden worden war.

In Belgien, Italien und der Schweiz wurden ab 1990 Untersuchungskommissionen eingesetzt. In Deutschland wurde diese gigantische Affäre – im Einvernehmen aller, auch heute noch im Bundestag sitzenden Parteien – bis zum heutigen Tage in einer sehr grossen Koalition totgeschwiegen.

In Italien überlebten die Strukturen. Im September 2006 wurde bekannt (2), dass der langjährige Sicher­heitsbeauftragte des Telefonkonzerns „Telecom Italia“, Giuliano Tavaroli, der ex-Vizechef des SISMI, Emanuele Cipriani, sowie der Privat­detektiv Emanuele Cipriani einen „Supergeheimdienst“ betrieben und in 10 Jahren ungefähr Hundertausend Italiener ausspioniert und abgehört hatten, die meisten von ihnen einflussreich und prominent. „Telecom Italia“-Konzernspionage-Chef Tavaroli war mutmasslich ebenfalls in Entführungen der CIA auf italienischem Boden verstrickt. Ans Licht gekommen kam der ganze gigantische Abhörskandal durch einen Machtkampf zwischen den alten Rivalen Silvio Berlusconi und Romani Prodi, die sich ein zähes Ringen um Einfluss im Medienkonzern geliefert hatten.

Der ehemalige Anti-Mafia-Ermittler und Sicherheitsbeauftragte der Telecom Italia, Adam Bove, hatte in den Jahren zuvor mit seinen technischen Kenntnissen als Daten- und Kommunikationsspezialist, wesentlich zur Aufklärung des Entführungsfalls von Abu Omar durch die CIA in 2003 beigetragen. Durch Installieren einer Spezialsoftware auf den Handys der Abu Omar-Entführer von CIA und SISMI, gelang es vier Personen, welche an der Entführung Abu Omars mitgewirkt hatten, über Handygespräche zu identifizieren.

Am 21.Juli 2006 fiel Adam Bove in Neapel von der Zufahrtsbrücke einer Autobahn. Der Motor seines Autos lief, die Warnblinkanlage war eingeschaltet, trotzdem titelten sämtliche Zeitungen eilig: “Er hat sich umgebracht!”. Außerdem wurde der bei seinen Kollegen der Polizei hoch angesehene Ermittler und Datenfachmann durch Desinformation in den Medien auch noch ausgerechnet mit dem Milieu in Verbindung gebracht, gegen das er als Ziehsohn des ermordeten Mafiaermittlers Falcone sein Leben lang gearbeitet und gekämpft hatte. Adam Bove hatte auch in einer Abhöraffäre ermittelt, in die die Mussolini-Enkelin Alessandra Mussolini verwickelt war (3, 4).

Im Juli 2007 machte der führende italienischen Richterverbande öffentlich, dass die Auslandsspionage SISMI über mehrere Jahre 203 linke und progressive Richter in ganz Europa ausspioniert hatten. Die Richter hatten u.a. gegen die Mafia ermittelten. Der oberste Rat der Magistrate erklärte damals in Rom, dass zu den 47 italienischen Opfern all jene Mailänder Staatsanwälte gehörten, die Verfahren gegen Ex-Premier Silvio Berlusconi eröffnet hatten. Diese wurden von der SISMI  als „regierungsfeindlich“ bzw. „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurden. In 12 weiteren europäischen Ländern wurden von 2001-2006 Richter überwacht, beschattet, per Online-Durchsuchung ausspioniert und ihnen gezielt Falschinformationen zugespielt. (5)

Wie diesen Oktober die US-Regierung im Oktober bestätigte, bezahlte die SISMI (mittlerweile in AISE umgetauft) jahrelang „Taliban“-Milizen in der italienischen Besatzungszone in Afghanistan (6). Diese Milizen griffen, zusammen mit US-Einheiten und afghanischen Regierungssoldaten, am 18.August 2008 französische Eliteeinheiten an, die an einem Bergpass in einen Hinterhalt gelockt worden waren. 10 Franzosen fielen in dem über 13 Stunden dauernden Beschuss und Bombardement durch US-Fluzeuge. Frankreichs Staatspräsident trat kurz nach dem Überfall auf seine Eliteeinheit eine lange geplante Reise nach Afghanistan an und verkündete eine Truppenerhöhung. Überlebende der französischen Einheiten machten später Aussagen gegenüber der renommierten Zeitung „Le Monde“ (7).

Die Liste der Affären – mit Verstrickungen der im Rahmen der „EU“ eng verknüpften Militärs, „Parteien“ und Spionagedienste –  liesse sich endlos fortsetzen. Eines haben sie alle gemeinsam: es geschieht nichts. Es herrscht Omerta, natürlich und zu allererst in Deutschland, durch ausnahmslos alle etablierten „Parteien“.

Die Mafia sitzt in Italien an der Regierung. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass die „Mafia“ hier „Loge“ genannt wird und auch an der Spitze der Justiz sitzt.

(…)

Quellen:
(1) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/europe/article6945214.ece
(2) http://www.tagesschau.de/ausland/meldung96162.html
(3) http://www.radio-utopie.de/2006/09/23/code-1199-der-lange-arm-der-haspa/
(4) http://italy.indymedia.org/news/2006/08/1135263.php
(5) http://www.radio-utopie.de/2007/07/06/italien-militaergeheimdienst-spionierte-europaweit-200-linke-richter-aus/
(6) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/Afghanistan/article6875376.ece
(7) http://www.radio-utopie.de/2009/10/22/besatzungsmachte-bezahlen-taliban-der-gespenster-krieg-entlarvt-sich/

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