Die „Mossad-Affäre“ um den Dubai-Mord am 19.Januar am Hamas-Funktionär Mahmoud al-Mabhouh (Mahmoud Abdul Raouf Hassan) wird immer interessanter. Besonders und gerade in Berlin, London, Dublin und Paris dürfte man derzeit schwitzen. Die Israelis wiederum versuchen nun offenbar mit windigen Märchen, die lieben guten Freunde in den Spionage-, Polizei- und Regierungsbehörden Europas aus der ganzen Geschichte raus zu halten. Das wird nicht gelingen.
In die Ermittlungen Interpols zum Dubai-Mord (welche derzeit so vehement vonstatten gehen, dass niemand etwas von ihnen bemerkt) platzten am Sonntag gleich mehrere lautstarke Medien-Bomben. Allein das muss, bei sonst allgegenwärtiger Omerta der lieben guten Freunde des Medienmärchen-Abendlandes, schon einigermassen stutzig machen. Aber der Reihe nach.
Der „Telegraph“ (1) berichtete am gestrigen Sonntag, unter Bezug auf „diplomatische“ Quellen aus dem britischen Aussenministerium, dass vier der für den Mord an Hamas-Funktionär Mahmoud al Mabhouh am 19.Januar in Dubai verwendeten Pässe auf dem Ben Gurion-Flughafen Tel Aviv durch israelische Einwanderungsbehörden während einer Reise der betreffenden Bürger heimlich kopiert worden sind.
Die Bürger, welche sowohl die israelische als auch die britische Staatsbürgerschaft inne haben, hätten von diesem Vorgang keinerlei Kenntnis gehabt, so der Bericht. Die Passnummern der Staatsbürger seien dazu verwendet worden neue Dokumente zu erstellen, welche dann mit neuen Fotos ausgestattet und durch das Mordkommando benutzt worden seien.
Die „Times“ (2) wiederum berichtet, mit Bezug auf Quellen innerhalb des Mossad, der israelische Premier Benjamin Netanjahu habe in einem Regierungstreffen Anfang Januar persönlich den Mord befohlen. In ihrem recht blumig gefassten Artikel berichtet die Zeitung, dass Anfang Januar der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu – zusammen mit „einem General“ – „auf einem kleinen Hügel eines nördlichen Vororts von Tel Aviv“ das „Hauptquartier des Mossad“ besucht habe. Er sei dort persönlich vom Mossad-Chef Meir Dagan empfangen worden. Die Pläne zur Ermordung von Hamas-Funktionär Mahmoud al-Mabhouh hätten bereits vorgelegen, der Mossad hätte Geheimdienstinformationen darüber erhalten, dass dieser eine Reise nach Dubai plane. Ein „Hit Team“ – ein Mordkommando – habe bereits Übungen in einem Hotel Tel Avivs abgehalten, allerdings ohne dass die Betreiber etwas davon mitbekommen hätte.
Netanjahu sei über die Mordpläne informiert worden. Als die Person, welche letztlich die Autorität besitzt, solche Morde anzuordnen, sage dieser üblicherweise: „Das Volk von Israel vertraut Euch. Viel Glück“. Wohlgemerkt: die „Times“ schreibt in ihrem Artikel nicht, dass dies Netanjahu bei diesem Briefing tatsächlich gesagt habe. Dennoch wurde dies als vermeintliches Zitat sofort von der Presse weltweit übernommen.
Es folgen in der „Times“-Story noch weitere Auskünfte der vermeldeten Mossad-Quelle, die an schlechte Drehbücher erinnern. Der Mossad-Agent in Syrien, der am Boden dem Flugzeug al-Mabhouhs nachblickt, von einem „Informanten am Flughafen“ informiert wurde und dem Mordkommando in Dubai per österreichischem Pre-Paid-Handy Bescheid sagt; wie der Airbus A330 mit Flug EK912 in einen windigen Himmel steigt und Mahmoud al-Mabhouh mit dem Kriegsnamen „Abu al-Abd“ sein Zuhause in Damaskus noch einmal sehen kann, blabla. Dann folgte noch eine ellenlange Geschichte über den jetzigen Mossad-Chef Dagan und warum dieser nicht mehr der richtige Mann für den Job sei, er ginge eh am Stock.
Es drängt sich der Eindruck auf, das ganze Enthüllungsgewitter sollte mit leicht gläublichen Nebelkerzen – gemischt mit authentischen, aber minder relevanten Details – der eigentlichen Story des heutigen Tages die Schlagzeilen und damit die Aufmerksamkeit der (schon durch Lesen) leicht zu überfordernden durchschnittlichen Weltbürger rauben. Denn die eigentliche Nachricht kam wieder einmal vom Polizeichef Dubais, der im deutschsprachigen Raum Dahi Chalfan und im englischsprachigen Raum Dahi Khalfan Tamim geschrieben wird.
Gestern verlautbarte Tamim in einer Interview mit der Zeitung „Al Bayan“, die Mörder al-Mabhouh hätten „Diplomatenpässe“ („diplomatic passports“) benutzt (3,4). Wörtlich sagte der Chefermittler, die Polizei Dubais verfüge über weitere Informationen, die noch bekannt gegeben würden,
„besonders über die Diplomatenpässe, die von einigen der Kriminellen benutzt wurden, um nach Dubai einzureisen“ (4)
Eine weitere Zeitung der Region, „al-Khaleej“, zitierte Dubais Polizeichef dahingehend, dass er von einem „Agenten“ im inneren Umfeld des ermordeten Hamas-Funktionärs al-Mabhouh ausgehe, welcher „der wahre Mörder sei“, da er die entscheidenden Informationen geliefert hätte. Diesbezüglich schon ins Spiel gebracht worden war, ausgerechnet durch die Todfeinde der Hamas, die palästinensische Autonomiebehörde der Fatah, ein enger Vertrauter des Ermordeten, Nehru Massud (Nahru Massoud). Die Fatah hatte behauptet, Massud sei in Damaskus wegen einer Kollaboration beim Mord an al-Mabhouh verhaftet worden. Doch in einem TV-Interview mit dem Hamas-Sender „al-Aqsa“ bestritt Massud in Damaskus, verhaftet worden zu sein und bezichtigte die Fatah einer gezielten Verleumdungskampagne, die von den beiden in Dubai in Haft sitzenden Palästinensern ablenken solle. (5)
Die Namen der in Dubai Inhaftierten werden mit Shaheiber Anwar und Ahmed Hassanein angeben. Es soll sich bei beiden um Angehörige der Fatah-Spionage handeln. Sie wurden auf Ersuchen Dubais aus Jordanien ausgeliefert, wo sie verhaftet worden waren.
Den Mord an al-Mabhouh umgeben in der Tat äusserst mysteriöse Umstände. Über diese lügen auch die Hamas-Vertreter, dass sich die Balken biegen.
Talal Nasser, Sprecher der Hamas in Damaskus, erdreistete sich zu Behaupten, der ehemalige Mitbegründer des bewaffneten Arms der Hamas habe seine Bodyguards nicht mit nach Dubai genommen, weil der Flug leider „ausgebucht“ gewesen sei. Kein Wunder, möchte man da sagen – nach Angaben der Polizei Dubais wurde der Flug erst einen Tag vor dem Mord gebucht (6). Ganz nebenbei passt das natürlich auch nicht zu der blumigen Mossad-Geschichte der „Times“, nach welcher der israelische Auslandsgeheimdienst bereits Anfang Januar von der Reise al-Mabhouhs am 19.Januar gewusst und für dessen Mord trainiert haben soll.
Aber auch der Hamas-Funktionär Salah Bardawil (superfrei gewählter Abgeordneter im Gazastreifen) hielt gut mit. Er kam mit der Geschichte an, der gute Kamerad im antizionistischen Befreiungskampf hätte sein Ticket gleich über das Internet bestellt und vorher noch schnell seine Familie angerufen, um zu erzählen, er flöge denn mal nach Dubai. Bardawil behauptete allen Ernstes, der Ermordete hätte quasi selbst eine „Sicherheitslücke“ verursacht (7). Nicht nur die „BBC“ (6) fragte sich laut, ob al-Mabhouh nicht in Dubai durch Leute in eine Falle gelockt wurde, denen er ganz offensichtlich vertraute. Laut mehreren Berichten benutzte der Ermordete für seine Reise nicht einmal ein Pseudonym.
Auch der Grund für die Reise des ermordeten Hamas-Funktionärs bleibt nebulös. Stimmen die Angaben der Ermittlungsbehörden in Dubai – und diese scheinen die Einzigen zu sein, welcher der Weltöffentlichkeit nicht die Hucke voll lügen – dann kann es sich bei dem plötzlich gebuchten Flug eigentlich nur um einen anberaumten Treff gehandelt haben. Aber mit wem wollte sich al-Mabhouh treffen? Und auf welche Anweisung von welcher Person?
Nebulös bleibt auch die Rolle von Syrien, welches sich in den letzten Tagen so plötzlicher Beliebtheit erfreute. (Syrien plötzlich von Westmächten umworben, 22.Februar 2010)
In der „Times“ (2) wurde heute stolz, neben der ganzen anderen Mossad-Heldengeschichte, auch die ruhmreiche Ermordung des ehemaligen syrischen Geheimdienstkoordinators Mohammed Suleiman am 1.August 2008 ausgebreitet. Dieser verstarb eines sonnigen Tages am Strand seiner Villa durch einen Scharfschützen, mysteriöserweise gut beschützt von syrischen Geheimdienstlern. Bereits vorher war am 12.Februar ein langjähriger Attentäter der libanesischen Hizb-Allah, Imad Fayez Mughniyah (Imad Mughnija), bei einem Attentat in Damaskus um´s Leben gekommen.
Es gibt einige Stimmen, welche hinter beiden Attentaten nicht den israelischen Mossad, sondern den Chef des Militärgeheimdienstes und heutigen Vizepräsidenten Syriens sahen: Assef Shaukat (Assef Shawqat).
Gerüchten und Zeitungsberichten zufolge, war Shaukat – als starker Mann Syriens hinter Staatspräsident Bashar Assad – in einen Umsturzversuch gegen diesen verwickelt, welcher bei einem Treffen der Arabischen Liga in Damaskus Ende März 2008 über die Bühne hätte gehen sollen. Ausgerechnet der „Chefterrorist“ der Hizb-Allah, Imad Mughnija, habe bei einem Treffen mit Assad diesen über den bevorstehenden Putsch informiert. Militärgeheimdienst-Chef Shaukat sei verhaftet worden, mit ihm Dutzende andere aus dem syrischen Militär. Imad Mughnija wiederum sei nur Tage nach dem Treffen mit Assad durch ein Attentat um´s Leben gekommen – nach einem Besuch des Gebäudes des syrischen Militärgeheimdienstes.
Insider berichteten, dass daraufhin Shaukat durch den damaligen syrischen Geheimdienstkoordinator Mohammed Suleiman der Mittäterschaft an der Ermordung Mughnijas beschuldigt worden war. Wie erwähnt, erwischte es dann auch Suleiman, nur wenig später. Der Weg für Shaukat war wieder frei, er ist heute Vizepräsident Syriens.
Shaukat werden übrigens hervorragende Verbindungen nach Deutschland nachgesagt – besonders zu den lieben guten Freunden aus dem Bundesnachrichtendienst (BND). Sowohl der ehemalige Chef des BND und spätere Staatssekretär im Innenministerium, August Hanning, als auch der (noch) amtierende Chef der deutschen Auslandsspionage, Ernst Uhrlau, werden zu den persönlichen Freunden Shaukats gezählt. (8)
Bereits im Januar 2006 berichteten ehemalige BND-Mitarbeiter, dass israelische Mossad-Agenten bei ihren Operationen Hilfestellung durch den Bundesnachrichtendienst bekommen haben sollen. Den Berichten zufolge benutzte die israelische Auslandsspionage bereits damals Identitäten von Deutschen – ohne deren Wissen. Benützt wurden die Dokumente demnach u.a. für Einsätze im Iran, als Vorbereitung für mögliche Luftangriffe auf die Islamische Republik. Zur Verfügung gestellt wurden dem Mossad die Dokumente den Berichten zufolge vom BND. (Ex-BND-Mann berichtete bereits vor 4 Jahren von Mossad-Operationen mit deutschen Pässen im Iran, 18.Februar 2010)
Nun ist die Herkunft des deutschen Passes, der während des Dubai-Mordes benutzt wurde, einigermaßen nebulös. Der „Spiegel“ gab sich so informiert, dass sogar israelische Quellen sich auf die entsprechenden Berichte stützten, um anschliessend dabei dann aber vom Schild zu fallen. Wie die „Haaretz“ berichtete, behauptete der „Spiegel“, dass einem Mann namens Michael Bodenheimer im Jahre 2008 zuerst ein israelischer Pass und am 18.Juni 2009 dann ein deutscher Pass ausgestellt worden sei. Wie die „Haaretz“ jedoch heraus fand, lebt Michael Bodenheimer – ein streng gläubiger Einwanderer aus den Vereinigten Staaten – im israelischen Bnei Brak und besitzt keinen deutschen Pass, sondern lediglich die israelische und us-amerikanische Staatsbürgerschaft (3).
Trotzdem drückt sich in Deutschland die Behörde des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof, die Bundesanwaltschaft, weiter vor der Einleitung eines Verfahrens wegen „illegaler geheimdienstlicher Agententätigkeit“ nach § 99, obwohl offensichtlich ein deutscher Pass durch deutsche Behörden an den „Geheimdienst einer fremden Macht“ geliefert wurde, welcher dieses Dokument dann für ein Mordkommando einsetzte. Aber vielleicht hat man im weisungsbefugten Bundesjustizministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einfach den Schuss noch nicht gehört.
Aber wo wir schon beim Thema sind.
Man traut ja Interpol einiges zu. Schliesslich bekommt diese Behörde alle unsere Körperdaten, persönlichen Informationen, Verbindungsdaten, Vorratsdaten, Bewegungsprofile und natürlich auch Passnummern unserer Dokumente, die durch allerlei „Schutz vor dem Terror“ seit Jahren von den Behörden Deutschlands und aller Mitgliedsstaaten weltweit willkürlich eingesammelt und verwertet werden. Wenn man nun aber, so als internationale Polizeibehörde, seine Landeszentrale in Wien hat – und ein internationales Mordkommando mit seiner Kommandozentrale in Wien (9) telefoniert – so kann man doch Interpol wenigstens zutrauen, dass es mitbekommt, was vor der eigenen Haustür passiert.
Es sei denn natürlich, es passiert hinter der eigenen Haustür. Dann kann man sich natürlich auch von Dubai überholen lassen und muss immer noch schwitzen.
Denn wie der Polizeichef von Dubai, Dahi Khalfan Tamim (Dahi Chalfan), am Sonntag ausserdem noch mitteilte, lebten einige Mitglieder des Mordkommandos seit über einem Jahr in Dubai – unter den Identitäten, welche sie während des Mordes benutzten (3). Ebenso benutzten die Täter nach Angaben der Polizei Dubais Kreditkarten auf die gleichen Namen in verschiedenen Ländern, um ihre Flüge zu bezahlen (10). Dem britischen „Independent“ (11) meldete eine Quelle aus Dubai, dass fünf dieser Kreditkarten in den USA ausgestellt wurden – ebenso, dass die ihm bekannten Identitäten von fünf weiteren Tätern Pässe von EU-Mitgliedsstaaten benutzten, welche die Behörden dieser Staaten nicht an Interpol weiter meldeten (11)
Morgen – nach dem Gespräch mit dem israelischen Aussenminister Avigdor Lieberman in Brüssel – werden die lieben Diplomaten aus Berlin, London, Wien, Dublin und Paris einiges zu erklären haben.
PS: Wenn Sie vielleicht irgendwo in Berlin-Mitte eine betrunkene, vor sich lallende Person finden, dann weisen Sie ihm doch bitte den Weg nach Hause. Vielleicht muss er noch einen Bericht anfordern..
(…)
zum Thema:
22.10.2010 Syrien plötzlich von Westmächten umworben
21.02.2010 Israelischer Aussenminister am Montag zu Spitzentreffen in der Europäischen Union
18.02.2010 Staatsfernsehen schweigt zu Mossad-Affäre und Dubai-Mord
18.02.2010 Mossad-Affäre: Haftbefehl gegen Netanjahu wegen Dubai-Mord?
18.02.2010 Ex-BND-Mann: Mossad operiert im Iran mit deutschen Pässen
17.02.2010 Video: Aufnahmen der Dubai-Täter veröffentlicht
17.02.2010 Dubai-Mord an Hamas-Milizenchef ein internationaler Spionage-Plot
16.02.2010 Irische Regierung: gefälschte Pässe der Tatverdächtigen in Dubai
16.02.2010 Wanted: Dubai sucht elf verdächtige Europäer im Mordfall Mahmoud al-Mabhouh
30.01.2010 Dubai: Hamas-Führer Mahmoud al-Mabhouh von Profikillern ermordet – Polizei schaltete Interpol ein
Quellen:
(1) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/dubai/7280176/Israeli-immigration-officials-copied-British-passports-used-by-hit-squad-ministers-told.html
(2) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/middle_east/article7034933.ece
(3) http://www.haaretz.com/hasen/spages/1151260.html
(4) http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3852124,00.html
(5) http://www.guardian.co.uk/world/2010/feb/21/mahmoud-al-mabhouh-passports-hamas
(6) http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/8521942.stm
(7) http://www.thenational.ae/apps/pbcs.dll/article?AID=/20100221/NATIONAL/702209833/1133
(8) http://www.stern.de/presse/vorab/stern-geheimverhandlungen-zwischen-bnd-und-syrien-im-fall-haydar-zammar-560471.html
(9) http://www.blick.ch/news/ausland/zwei-dubai-killer-kamen-aus-zuerich-140819
(10) http://news.smh.com.au/breaking-news-world/dubai-police-say-mossad-killed-hamas-man-20100220-omua.html
(11) http://www.independent.co.uk/opinion/commentators/fisk/robert-fisk-britains-explanation-is-riddled-with-inconsistencies-its-time-to-come-clean-1902994.html