Wilhelm Dietl: Der Staatsterrorismus
„Schattenarmeen – Die Geheimdienste der islamischen Welt“ betitelt der Buchautor und ehemalige BND- Agent Wilhelm Dietl sein neuestes Sachbuch. Uuups? – keine wild gewordenen, religiös- fanatisierten Spinner? Sondern Sabotage- Agenten im staatlichen Auftrag?
Es sind, glaub ich dem Buch, in der Regel die Geheimdienste des Nahen Osten, welche in der Vergangenheit hinter den großen Terroranschlägen standen, die heutigen Partner der Allianz „des Kriegs gegen den Terror“, welche auch für die angebliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ihre Folterknechte in die Gefängniszellen schicken.
Jüngstes Beispiel für den Staatsterrorismus im Nahen Osten ist die Ermordung eines Führers der Hamas in Dubai, durch mutmaßliche Agenten des israelischen Militärgeheimdienstes, welche sich frech von den Video- Überwachungskameras filmen ließen. Bewusst wie ich meine. Sie wollten, dass der Mord eine Signalwirkung hat.
Nichts ist – wie es scheint
Wer welche Bombe im Nahen Osten legte, wird im Detail wohl ewig ein Geheimnis bleiben. Besonders in Palästina, wo die Menschen in den Flüchtlingslagern seit Jahren von den Almosen der UN leben und trotzdem täglich aufs neue Erfahren müssen, das sie immer noch etwas besitzen, was man ihnen nehmen kann. Für mich persönlich waren Bomben auf Schulen im Gaza- Streifen noch nie versehentliche Abwürfe. Bildung ist ein Stück Zukunft und auch dieses Stück Zukunft kann einem Menschen genommen werden.
Wilhelm Dietl selbst zehn Jahre Spion im Nahen Osten für den BND, führte in dieser Zeit eines der effektivsten Spionagenetzwerke, war nach seiner Agentenzeit viel kontaktierter Gesprächspartner der Nahost Experten der westlichen Geheimdienste und nutzte in diesem Buch geschickt diese Kontakte, um die Strukturen und Aktivitäten der Geheimdienste einzelner arabischer Länder zu entzaubern. Spart dabei nicht mit Anekdoten aus dem Geheimdienstmilieu und verschmelzt Feuer und Wasser zu einer Einheit. Das Buch richtet sich an Otto Normalverbraucher ebenso, wie an die Nahostexperten der Nachrichtendienste. Dem lockeren, schnellen Lesen bekommt diese Vermischung nicht im jedem Kapitel.
Mein größtes Interesse fanden die Kapitel über Syrien und den Iran. Zwei Länder, welche ich sehr gut kenne und die Seiten über die Machenschaften des kaiserlichen Geheimdienstes in Westdeutschland ließen Bilder in mir aufsteigen vom SDS-Heim (Sozialistischer Deutscher Studentenclub), wo wegen (bewaffneter) Übergriffe der iranischen Kaiserlichen innerhalb einer Woche kein Mitglied mehr ohne durchgeladene Pistole anzutreffen war. Die Waffe im Hosenbund war das „Feld“, auf dem wenige Monate später die Saat aufging, die wir heute RAF (Rote Armee Fraktion) nennen.
Die administrative Anbindung des Mordes
Keine nachrichtendienstliche Aktivität findet ohne einen Genehmigungsprozess statt, weder der politische Mord, noch ein Terroranschlag. Auch nicht im Staate des Ayatollah Khomeini. Zuständig ist dort das Komitee für Spezial- Angelegenheiten, dessen Mitgliederliste – in den Neunzigern – vom Staatspräsidenten, über den Außenminister bis zu Ajatollah Khazali reichte.
Auch der Mord in Dubai war kein Werk des Militärgeheimdienstes (nicht des Mossad), sondern die Umsetzung eines Beschlusses des zuständigen, israelischen Organs, an dessen Spitze der jeweilige Ministerpräsident steht.
Das Buch zeigt an Hand vieler Beispiele auf, das dies kein iranisches System, sondern ein weltweites System ist. Nachrichtendienste morden – äh, neutralisieren – ganz selten aus eigener Machtvollkommenheit. Sie sind alle nur ausführende Organe der jeweiligen Regierung, auch wenn diese später behauptet, von nichts gewusst zu haben.
Und, der Laie sollte sich nichts vormachen. In einem Nachrichtendienst gibt es keine Einzeltäter. Bei einer „finalen Neutralisierung“ sind in der Regel zwei Teams eingebunden, von denen jedes zwischen 16 und 20 Mann stark ist.
Den „Terminator“ (to terminate = beenden) gibt es nur im Kino. Dafür gibt es beim Nachrichtendienst in der Regel ein zweites Team, welches die Spuren eines Mordes kaschiert oder beseitigt. Es sei denn, der Nachrichtendienst will, dass die Leiche gefunden und die Tat ruchbar wird. Der jüngste Fall in Dubai, aber auch ein am „eigenen“ Gürtel aufgehängter Hacker in Berlin sind dafür nur zwei Beispiele. (Der eigene Gürtel war in dem Berliner Fall zu breit, weshalb ein fremder Gürtel benutzt werden musste, den die Berliner Justiz nie auf DNA Spuren untersucht hat.)
Regierungen kommen und gehen – der Nachrichtendienst aber bleibt bestehen
Das Kapitel über den Iran macht diese alte Binsenwahrheit deutlich. Wer beim Schah spionierte und folterte, trat nach einer Schamfrist. in die Nachrichtendienste der Ajatollahs ein.
Die Söldner der Nachrichtendienste
Dies können die Söldnertruppen der Nachrichtendienste nicht von sich behaupten. Sie sind meist reines, hoch bezahltes Kanonenfutter, von ihren Auftraggeber nur temporär beschützt. Der „Schakal“ – Ilich Ramírez Sánchez – Carlos – mag hier ein Beispiel sein. Der Leser erfährt an diesem Beispiel, warum Geheimdienste auf solche Söldnergruppen zurückgreifen und wie schnell aus den „guten Freunden“ unerwünschte Personen werden. Ich will es bei diesen Andeutungen belassen und nach Afrika entweichen, genauer nach Guinea.
Die deutsche Bande
Das Westafrikanische Guinea ist etwa so groß wie das ehemalige Westdeutschland und hat etwa 10 Millionen Einwohner. Hauptmann Moussa Dadis Camara putschte sich am 22.12.2008 an die Macht, die er am 3.12.2009 wieder verlor. Er lebt heute in Burkina Faso im Exil. In diesen knappen 11 Monaten verwandelte er und seine Folterknechte Guinea in ein Meer aus Blut und Tränen. Allein bei einer Demonstration im September 2009 in der Hauptstadt Conakry – für freie Präsidentenwahlen – wurden etwa 150 Demonstranten getötet, Hunderte verletzt. Andere festgenommen und gefoltert.
Das ARD Magazin FAKT deckte jüngst auf: „Seinen Kompaniechef machte der Herr Hauptmann an der Heeresoffiziersschule in Dresden (1996) bei der Bundeswehr. 2004 machte er im Oberbayerischen Altenstadt seinen Einzelkämpfer. Finanzminister Mamadou Sandé und Sicherheitsminister, General Mamadouba Camara, wurden ebenfalls bei der Bundeswehr ausgebildet.
Alles nur Zufall?
Keineswegs. In einer Vielzahl weiterer Beispiele ließe sich aufzeichnen, dass Diktatoren in westlichen Ländern ausgebildet wurden. In Frankreich England und in den USA. Schaut man sich an, wie sie an die Macht kamen, so waren ihre Helfershelfer immer Kameraden ihres „Auslandsstudiums.“ Das perfide am Beispiel Camara ist, das er und seine Putschisten in deutscher Sprache während des Putsches kommunizierten.
Leute wie Camara sind unsere Einflussagenten, unsere nachrichtendienstliche Söldnertruppe. Sie erlernen in diesem unserem Lande das Kriegshandwerk. Ihre spätere Brutalität und Rücksichtslosigkeit war ihnen sicherlich angeboren – oder? Ganz sicherlich haben sie diese nicht aus Deutschland mit nach Hause gebracht. So die offizielle Seite.
Ich wage diese offizielle Version zu bezweifeln und behaupte, sie haben genau diese Brutalität und Rücksichtslosigkeit in den Offizierskameradschaften der westlichen Armeen gelernt, in denen die demokratische Substanz zwischenzeitlich gegen Null tendiert. Herr Oberst Klein ist dafür ein Beispiel. Eines, welches zeigt, das diese Herren zwischenzeitlich den Mut haben den Mord an Zivilisten vor dem Bundestag zu rechtfertigen.
In dem Buch von Wilhelm Dietl – der keinen einzigen Namen anonymisierte – findet der Leser Hunderte von Personen, für die Folter und Mord eine Alltagsbeschäftigung ist und die – obwohl ein Haftbefehl der Bundesanwaltschaft gegen sie besteht – im Bundeskanzleramt empfangen wurden. Ein sehr offenbarendes Buch, in dem der Leser viele Hintergründe über die beschriebenen Nachrichtendienste, den Staatsterrorismus, die islamische Atombombe und über die Allianz in Sachen Folter erfährt. August Hanning sagte im BND- Untersuchungsausschuss sinn- gemäß: „Ich weiß gar nicht was Sie gegen die Syrer haben, die bringen uns Ergebnisse“. Kein wörtliches Zitat – dem Sinn nach aber so bezüglich des Falles Mohammed Haydar Zammar gefallen.
Warum nur eine Kurzrezension?
Daniel Neun und ich haben den Autor fast zwei Stunden über sein Buch und über die Nebenaspekte interviewt. Das Spektrum der Fragen reichte von Afghanistan bis zu den israelischen Möglichkeiten eines Angriffs auf den Iran. (Der Fall in Dubai gab es damals noch nicht.) Der volle Text des Interviews ist leider immer noch nicht zu Papier gebracht, weshalb wir uns entschlossen haben, da das Buch diese Woche in Deutschland erscheint, eine kleine Rezension, die ich auf drei Punkte beschränkt habe, vorab zu veröffentlichen.
Ein Dankeschön an den Verlag, der Radio Utopie bereits die Druckfahnen – zur Vorbereitung des Interviews – zur Verfügung stellte.