(Robinson-Crusoe-Insel, Foto: Serpentus / Wikipedia)
Chilenische Marine gab zuvor Entwarnung – keine Riesenwellen durch das Erdbeben
Die Insel Robinson Crusoe im Pazik wurde am Samstag, den 27.Februar nicht gewarnt sondern im Gegenteil von der Marine beruhigt, als sich das schwere Erdbeben in Chile ereignete. Die kleine Insel bildet mit einigen kleineren Inseln den Juan-Fernández-Archipel, der zu Chile gehört. Sie ist 96,4 km² gross, sehr gebirgig, die höchste Erhebung liegt 916 Meter über dem Meeresspiegel. (1)
Die Insel ist nicht nur durch den Roman von Daniel Defoe berühmt geworden, dem das Schicksal des schottische Seemann Alexander Selkirk zugrunde liegt sondern auch für die Strömungsmechanik-Wissenschafler ist sie höchst interessant durch ihre Luftwirbelströmungen, die hier eine klassische Kármánsche Wirbelstrasse (2) bilden, hervorgerufen durch die hohen Berge des gesamten Archipels.
(Satellitenaufnahme der durch die Juan-Fernández-Inseln entstehenden Wirbel, NASA, landsat / Wikipedia)
Die Auswirkungen des Erdbebens hatte sich auf der 674 Kilometer westlich der chilenischen Küste liegenden Insel kaum bemerkbar gemacht, es war noch früh am Morgen, 3.43 Uhr, und die meisten der sechshundertneunundzwanzig Bewohner der Insel schliefen noch.
Am Vormittag erfuhren die Bewohner der Insel von dem schweren Erdbeben an der Festlandküste und die Behörden warteten auf die Tsunami-Warnung, die aber ausblieb.
Das zuständige Amt hatte drei Stunden nach dem Erdbeben eine Flutwelle ausgeschlossen.
Die Behörden der Insel beobachteten daraufhin das Meer, um so ohne andere Hilfsmittel zur Verfügung zu haben, eine drohende Gefahr zu erkennen. Als die Wellen höher wurden, liess der Bürgermeister die Warnsirenen anschalten. Die Bewohner flüchteten sofort in höher gelegene Gebiete.
Trotzdem starben fünf Menschen und vierzehn weitere werden noch vermisst, als eine Riesenwelle auf die Insel traf. Der Ort wurde völlig zerstört.
Der Pilot Fernando Avaria berichtete nach einem ersten Überflug, dass die Kirche, der Friedhof, die einzige Schule, ein Sportplatz, Pensionen und auch das Bürgermeisteramt des Ortes Juan Bautista dem Erdboden gleich gemacht worden waren. (2)
„Alles, was sich in Küstennähe befand, verschwand einfach.“
Die Einwohnerin Margot Salas sagte
„Es war wirklich erschütternd, wie eine Szene aus einem Horror-Film. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ein solches Unglück über uns kommen würde.“
Alberto Recabarren, vierzig Jahre alt, wurde nach zwei Stunden aus seinem eingestürzten Haus befreit
„Ich wurde mindestens dreimal von den Fluten mitgerissen. Dann konnte ich mich an einen Brombeerstrauch klammern.“
An der Küste Chiles traf eine Riesenwelle auf die 50.000 Einwohner zählende Stadt Penco und benachbarte Dörfer, die 10 Kilometer vom Epizentrum des Bebens liegen und zerstörte die Häuser und vernichtete die Güter der Menschen, die zuvor von der Katastrophe verschont geblieben waren.
„Die Welle kam und bedeckte alles. Sie war etwa sechs Meter hoch.“
sagte Carlos Palma, der Augenzeuge dieses Augenblicks der Verwüstung war. Möglicherweise sind seine Angaben zur Höhe der Welle zu hoch gegriffen.
Auch die Stadt Dichato ist praktisch verschwunden, einfach weggespült, berichteten die Bürger der Stadt. (3)
Das Zentrum für Katastrophenschutz macht der chilenischen Marine Vorwürfe
„Zunächst erhielten wir von der Marine die Information, dass es keinen Tsunami geben werde. Dann hiess es, eine 18 Zentimeter hohe Welle werde auf die Insel treffen. Tatsächlich war sie später dann mehrere Meter hoch.“
zitierte die Zeitung tt.com die Leiterin des Katastrophenschutzamtes Carmen Fernandez.
Der Verteidigungsminister Francisco Vidal gab den Fehler nach einem Treffen mit Präsidentin Michelle Bachelet und anderen hohen Beamte in einer ausserordentlichen Sitzung zu.
„Dies ist die Wahrheit, auch wenn sie schmerzt: Der Marine ist ein Fehler unterlaufen.“
Die Menschenleben auf der Insel Robinson Crusoe und die durch die Flutwelle an der Küste lebenden Bewohner hätten gerettet werden können. Die meisten Toten gab es in den Küstenregionen, in denen die Beamten die Einwohner aufgefordert hatten, sich keine Sorgen machen.
Unmittelbar nach dem Beben um 3.43 Uhr am Samstag hätte Bachelet versucht, die Tsunamiängste zu zerstreuen und einen Aufruf zur Ruhe veröffentlicht. hiess es in The Gazette in Montreal vom 1.März.
Jörn Lauterjung vom Geoforschungszentrum in Potsdam spricht im Interview mit dem Deutschlandfunk – das der Sender mit „Geglückter Alarm“ betitelt – davon, „dass es bereits nach zehn, elf Minuten auch in Chile Warnungen gegeben hat, dass dort verbreitet worden ist, dass ein Tsunami im Anmarsch ist und die Leute aufgefordert worden sind, höhere Gebiete aufzusuchen“, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass diese Informationen auch nur aus Presseberichten stammen.
Die Insel Robinson Crusoe hatte die Informationen rechtzeitig über die Medien erhalten, dass sich ein schweres Erdbeben von 8,8 an der Festlandsküste ereignet hatte.
Für Bewohner einer Pazifikinsel in der Nähe des aktiven Feuergürtels und starker Plattentektonik sind Erdbeben nichts Ungewöhnliches, mit Flutwellen muss bei Beben an der Küste gerechnet werden, Vorsichtsmassnahmen sind zu ergreifen.
Hier hat die moderne „Überzivilisierung“ zugeschlagen mit ihrer Technik- und Behördenhörigkeit. Anstatt dem gesunden Menschenverstand und früheren Erfahrungen zu vertrauen, wartete man die Einschätzungen staatlicher Ämter zur Situation auf dem Festland ab, um sich nach ihnen zu richten.
Quellen:
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Robins%C3%B3n_Crusoe_(Insel)
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%A1rm%C3%A1nsche_Wirbelstra%C3%9Fe
(3) http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/%C3%9Cberblick/Chronik/ChronikContainer/361526-8/fataler-irrtum-st%C3%BCrzte-robinson-crusoe-insel-ins-verderben.csp
(4) http://www.montrealgazette.com/news/wave+covered+everything/2626113/story.html
(5) http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1135036/