DIE GRIECHENLAND-KRISE (II): Banken, hört die Signale..
Teil I – Goldman Sachs und das China-Syndrom
Dezember 2009: Nachdem der von Goldman Sachs vorgetragene Erpressungsversuch Chinas zur Übernahme eines strategischen Anteils der National Bank of Greece (NGB) durch die in Griechenland wieder an die Macht gekommene Pasok-Regierung zunächst abgelehnt worden war, zog sich nun die Schlinge zu. Ähnlich wie im Herbst 2008, als die globalisierten Banken in den Währungszonen „Dollar“ und „Euro“ durch einen Kreditstreik ungeheure Billionen-Tribute aus den Staaten herauspressten, war auch in der Causa Griechenland die Methode denkbar einfach: man entzog dem Süchtigen den Stoff. Kein Gehorsam, kein Kredit. Wer das Geld kontrolliert, kontrolliert den Staat – so lief es auch hier.
Im Dezember 2009, nach der fehlgeschlagenen Offerte von Goldman Sachs und der Pekinger Regierung, stuften die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Griechenlands herab (1). Standard & Poor´s folgte Fitch am 16.Dezember (2), obwohl kurz zuvor die Pasok-Regierung unter Giorgos Papandreou eine 10-prozentige Kürzung sämtlicher Staatsausgaben im Öffentlichen Sektor verkündet hatte.
Doch die Pasok-Regierung verhandelte nicht nur weiter mit Goldman Sachs; sie zog sich selbst – und dem eigenen Volk – die Schlinge noch fester um den Hals.
Im Dezember 2009 organisierte Goldman Sachs, zusammen mit der Deutschen Bank, eine Betteltour des griechischen Finanzministers George Papaconstantinou durch London. Auf dem Basar der Gelderfinder bot dieser auf einer „Roadshow“ seinen Staat feil. (3)
SIGNALE ZWISCHEN PEKING UND ATHEN
Im Januar ernannte die Regierung Papandreous dann Vassilis Constantacopoulos, einen führenden Schiffsfabrikanten, zu einem Direktor der NGB Bank. Constantacopoulos betreibt, unter dem bis dato grössten Deal der Chinesen innerhalb Griechenlands in Höhe von 4 Milliarden Dollar, für den chinesischen Staatskonzern „China Ocean Shipping Company“ (Cosco) einen Container Terminal im Hafen von Piräeus, einem wichtigen Industriezentrum Griechenlands und dem drittgrössten Hafen des Mittelmeers überhaupt. Cosco ist eine der weltweit grössten Reedereien, allein vier Konzernableger stehen an den weltweiten Kapitalbörsen im Wettrennen der Spekulanten, der europäische Ableger wurde 2005 gegründet und hat u.a. diverse Zweigstellen in Deutschland.
Allgemein galt die Ernennung von Constantacopoulos zum NGB-Direktor als deutliches Signal, dass sich die Pasok den Forderungen von Goldman Sachs und China letzlich unterwerfen würde. (3)
IWF UND EZB: ERSTES TAUZIEHEN UM DIE BEUTE
Bereits im Januar bahnte sich um die Beute Griechenland ein erstes Tauziehen zwischen den Geldmächten an.
Am 20.Januar erklärte der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, ausgerechnet zu Besuch in Hongkong, die Finanzsituation von Griechenland sei „ein ernstes Problem“ für die gesamte Region. Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es ernste Gerüchte, dass Griechenland sich aus lauter Finanznot an den IWF wenden würde.
Der Präsident der deutschen Zentralbank „Bundesbank“ und leitende Funktionär der Frankfurter „Europäischen Zentralbank“ (EZB), Axel Weber, versuchte abzubügeln (10):
„Wir haben einen institutionellen Rahmen in der Europäischen Union, der keine direkte Hilfe für ein Mitgliedsland vorsieht. Es gibt keinen Grund den IWF in die griechische Konsolidierung mit einzubeziehen.“
In krassem Gegensatz zu dieser Aussage standen die bereits öffentlich angekündigten Planungen der EU selbst Geldzahlungen an die Regierung Griechenlands zu leisten. Und im gleichen Atemzug tat die, als hätte sie überhaupt keine Probleme.
Überall log man, so feste man nur konnte. Kein Wunder – Lügen war das Einzige, was man sich noch leisten konnte. Für alles andere war kein Geld mehr da.
GELDSYSTEM OHNE GELD UND SYSTEM MIT GELD
China, mit einem gigantischen Talerberg im Werte von umgerechnet 1.7 Billionen Euro an ausländischen Währungen, weitete nach der Finanzkrise in den Währungsräumen von „Dollar“ und „Euro“ seine Geldpolitik strategisch aus. Anfang 2009 zahlte es allein in einen speziellen Fond des IWF 50 Milliarden Dollar, in einen Asien-Fond in Hongkong 38 Milliarden Dollar, gab russischen Energiekonzernen Kredite in Höhe von 25 Milliarden Dollar, 30 Milliarden Dollar an Konzerne in Australien, sowie weitere Dutzende von Milliarden in Länder Asiens, Südamerikas und Afrikas.
Wohlgemerkt: in der Eurozone Deutschland kriegen Firmen von den globalisierten Banken nicht einmal Kredite von ein paar Tausend Euro.
DER VERSEHENTLICH GEGLÜCKTE WEITERE AUSVERKAUF GRIECHENLANDS
Am Montag, dem 25.Januar, versuchte nun die griechische Pasok-Regierung das Finanzdebakel ihres Staates durch ein bei Regierungen altbekanntes und beliebtes Mittel zu lösen: nämlich alles noch schlimmer zu machen, indem man den eigenen Staat noch tiefer in den Schlund der Banken steckte. Die Athener Regierung bot Schuldscheine des Landes, sogenannte „Staatsanleihen“, auf dem „Markt“ der Gelderfinder an.
Für die auf 5 Jahre angelegte Rückzahlung dieser Schuldscheine bot die griechische Pasok-Regierung – im Namen ihres Volkes und dessen Staates – die unfassbare Zinssumme von 6.5 Prozent; das Doppelte, was etwa der Staat Deutschland bei vergleichbaren Ausverkäufen der Bundesrepublik an die Käufer der Schuldscheine bezahlen muss.
Beauftragt diese 5-Jahres-Staatsanleihen („Bonds“) „auf dem Markt zu plazieren“, wurde niemand anderes als Goldman Sachs, zusammen mit der Deutschen Bank, Morgan Stanley, Credit Suisse, der EFG Eurobank – und der National Bank of Greece (4). An den Wettbörsen stürzten sich die Kapitalisten auf die überverzinsten Schuldscheine Griechenlands wie die Meute am Ballermann auf den Caipirinha (5). Die Nachfrage überschlug sich. Das Angebot wurde daraufhin durch die für die Athener Regierung am Markt operierenden Banken dramatisch ausgeweitet: statt für 5 Milliarden Euros griechische Schuldverschreibungen zu verkaufen, verkauften die Banken für 8 Milliarden.
Dann passierte folgendes: mitten in der Rallye erschien am 26.Januar eben jener Artikel der „Financial Times“ (3), der die gesamten Hintergründe des von Goldman Sachs eingefädelten Deals mit den Chinesen um den Ausverkauf der National Bank of Greece (NGB) offenlegte – mit dem Hinweis, die Athener Regierung habe noch nicht zugestimmt (DIE GRIECHENLAND-KRISE: Goldman Sachs und das China-Syndrom).
Offensichtlich kalt erwischt gab daraufhin griechische Pasok-Finanzminister George Papakonstantinou dem US-Fernsehsender cnbc ein Interview. Er stritt alles ab.
„Nun, zuerst einmal, wir hatten vor einigen Tagen ein sehr erfolgreiches Angebot von Anleihen. Es ging raus an den Markt, wir erwarteten 3-5 Milliarden. Die Order gingen hoch bis 25 Milliarden, wir nehmen davon nun 8 Milliarden, zu diesem Preis, der geringer hätte sein können, aber das ist das, was wir im Moment bezahlen müssen um unsere Schulden zu finanzieren.
Also, das ist tatsächlich passiert. Nun, was nicht passiert ist, wir haben weder nach irgendwelchen chinesischen Investoren gefragt die griechische Regierungsanleihen kaufen sollen, noch haben wir irgendwem das Mandat gegeben für uns danach zu fragen. Ich weiss wirklich nicht, wo diese Geschichte herkommt. Und offen gesagt, ich war heute sogar gezwungen einem chinesischen Analysten zu antworten, dass China nicht bereit ist griechische Anleihen zu kaufen. Wir haben nie danach gefragt.“
Unmittelbar nach dem Dementi des Goldman Sachs-China-Deals fiel der Wert der 5-Jahres-Anleihen Griechenlands dramatisch (7). Der Wert der National Bank of Greece (NBG)-Aktien halbierte sich von 8 auf 4 Dollar (8). Es wurde an den Börsen sowohl ein direkter Zusammenhang zwischen dem Preissturz der griechischen Anleihen und dem Dementi der griechischen Regierung bezüglich des Goldman Sachs-China-Deals gezogen, als auch die Rolle der ausführenden Banken bei den Verkäufen der Anleihen in Frage gestellt. Der massive Verkauf von völlig überzinsten Anleihen wurde als überzogen bewertet; Morgan Stanley, als eine der ausführenden Banken, bestritt irgendwelche Fehler gemacht zu haben. (9)
Als Folge des von Goldman Sachs, der Deutschen Bank, Morgan Stanley, Credit Suisse, der EFG Eurobank und der National Bank of Greece organisierten Börsenganges stand der Staat Griechenland nun noch schlimmer da als vorher. Was machte daraufhin die griechische Pasok-Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou, dem Vorsitzenden der „Sozialistischen Internationalen“?
Sie drohte mit der Ausrufung des Notstandes, des „state of siege“, der Diktatur. Man hatte sich einfach 122 Jahre irgendwie versungen. Banken, hört die Signale…
DIE GRIECHENLAND-KRISE (III): Das „nächste Lehman Brothers“ – die Entstaatlichung der Staaten
DIE GRIECHENLAND-KRISE (IV): Machtergreifung einer neuen kapitalistischen Sowjetunion
DIE GRIECHENLAND-KRISE (V): Politische Monarchie zu verkaufen
DIE GRIECHENLAND-KRISE (VI): Der Plan der Banken von einer europäischen Soffin
DIE GRIECHENLAND-KRISE (VII): Am Anfang war die Statistik
Quellen:
(1) http://english.people.com.cn/90001/90777/90853/6908569.html
(2) http://news.bbc.co.uk/2/hi/8417270.stm
(3) http://www.ft.com/cms/s/0/26dbb640-0aad-11df-b35f-00144feabdc0.html
(4) http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601087&sid=aPLQbA5cuoQ8&pos=5
(5) http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,673948,00.html
(6) http://findarticles.com/p/news-articles/analyst-wire/mi_8077/is_20100128/greek-finance-minister-interview/ai_n50814127/
(7) http://www.ft.com/cms/s/0/65ac74fc-0aaf-11df-b35f-00144feabdc0.html
(8) http://www.theoildrum.com/node/6156
(9) http://www.ft.com/cms/s/0/9e6b3de6-0b72-11df-8232-00144feabdc0.html
(10) http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601087&sid=aaYbS02RTP9A
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