Die TV-Wahldebatte in Grossbritannien

Die TV-Wahldebatte im Vereinigten Königreich mit den drei Spitzenkandidaten der großen Parteien: Gordon Brown (Labour),  David Cameron (Tories) und Nick Clegg (Liberaldemokraten). Ein Bericht und eine Einschätzung.

Die erste TV-Debatte konnte Nick Clegg klar für sich entscheiden. Manche Umfragen sehen die Liberaldemokraten bereits als stärkste Partei. Es scheint, dass es nach der Wahl zum ersten Mal seit 1974 eine Regierungskoalition in Großbritannien geben wird, anstelle der Herrschaft einer einzigen Partei.

Clegg äußerte sich in seinem Statement klar gegen die Beteiligung Großbritanniens an der Invasion des Irak im Jahre 2003. Andererseits ist er glühender Verehrer der EU und überzeugter Anhänger der CO2-Religion. „Klimawandel“ steht auf der Agenda der Liberaldemokraten ganz oben.

Hier eine kurze Zusammenfassung der Debatte und eine Einschätzung.

Die Debatte

Clegg schließt Invasionen / Militäroperationen in weiteren Ländern zur „Terrorbekämpfung“ nicht aus. Brown bewirbt die offensive „Partnering“-Militärstrategie der Nato in Afghanistan. Cameron will weiter eine „unabhängige“ atomare Atomwaffenabschreckung durch Grossbritannien, man wisse nicht, wie die Welt in 30 Jahren sei. Brown stimmt zu. Beide greifen Clegg an, der die vier Trident-U-Boote mit interkontinentalen Atomwaffen, welche demnächst für 80 Mrd Pfund ersetzt werden müssen, nicht finanzieren will.

Hintergrund: Clegg und die Liberaldemokraten wollen stattdessen die Trident-U-Boote länger betreiben und nach Alternativen suchen, wie taktischen Mittelstrecken-Atomraketen, die von taktischen U-Booten gestartet werden können. Sie werden dabei von einer Reihe hochrangiger Generäle unterstützt. Das würde die britischen Streitkräfte in Gegensatz zu der bisherigen „besonderen Beziehung“ mit den amerikanischen Streitkräften bringen, eine brisante Angelegenheit. (2)

Endlose Debatte über Klimawandel, ohne ein Wort zu den ganzen Skandalen (3) über Fehlinformationen durch das „Intergovernmental Panel on Climate Change“ IPCC, eine gemeinsame Organisation der „Weltmeteorologiebehörde“ WMO und der UNO. Der Chef des IPCC, Rajendra K. Pachauri, weigert sich immer noch, als deren Chef zurückzutreten.

Debatte über Besuch des Papstes in Grossbritannien und die katholische Religion. Alle Teilnehmer sprechen sich im Grundsatz für einen Besuch des Papstes im Vereinigten Königreich und die Diskussion mit allen Religionen aus.

Debatte über Korruption im Parlament, Oberhaus und Unterhaus, sowie im öffentlichen Sektor. Clegg nutzt die Position eines Newcomers für einen Angriff auf die „alten“ Parteien, Brown und Cameron äußern sich recht defensiv.

Diskussion um Renten, begonnen mit der Frage einer alten Frau, ob die Höhe ihrer Rente, 59 Pfund in der Woche, der gerechte Lohn für ihr Arbeitsleben sei. Cameron wirft Brown „Lügen“ vor, wegen verteilten Wahlzetteln von Labour, in denen den konservativen Tories vorgeworfen wird, im Falle eines Wahlsieges freie Busfahrten und kostenlose Medikamente-Verschreibungen zu streichen. Cameron bestreitet dies energisch. Brown: ich habe diese Wahlzettel nicht autorisiert. Clegg redet viel über die großen Kosten des Renten-„Systems“ und lässt durchblicken, bei viel Trauer und Mitleid, dass aufgrund des demografischen Wandels das „System“ wohl nicht länger aufrecht zu erhalten ist.

Finanzkrise. Clegg redet von einem möglichen finanziellen „Armageddon“.

Die brisante Koalitionsfrage. Cameron macht konkret die Steuerfrage zum Knackpunkt einer Koalition. Clegg taktiert nach beiden Seiten, man müsse halt miteinander reden.

Brown weist daraufhin, er habe parteilose Geschäftsleute in die Regierung geladen und sich bemüht. Cameron sei ein Risiko für die Wirtschaft, weil er die Anhebung der Sozialversichungsbeträge – von den konservativen Tories als „Arbeitssteuer“ („jobs tax“)-Gesetz bezeichnet wieder rückgängig machen und so sechs Milliarden Pfund aus dem Wirtschaftskreislauf heraus ziehen wolle. Clegg fordert eine Reform des Bankensystems.

Einwanderung. Clegg: Labour hat ein „Chaos im Einwanderungs-System“ angerichtet, 900.000 Einwanderer seien illegal in Grossbritannien, lebten „im Schatten der Wirtschaft“ und bildeten Gangs. Einwanderer müssten nach den Regeln leben, Steuern zahlen und englisch lernen. Cameron kritisiert das von Clegg vorgeschlagene Einwanderungsgesetz, welches Einwanderern nur erlaube, sich in einer bestimmten Region Großbritanniens aufzuhalten, man habe den Eindruck, als wollten die Liberaldemokraten „Grenzkontrollen an die M5 stellen“. Alle versuchen sich gegenseitig in Xenophobie zu übertreffen.

„Clegg:..was würden Sie mit all denen machen, die bereits hier sind?
Brown: Sie raus schaffen?
Clegg: Aber sie können nicht 900.000 Leute deportieren, wenn sie nicht einmal wissen, wo sie leben.“

Danach noch eine einzelne Selbstpräsentation der Kandidaten. Einzelheiten in der „Times“ (4). Laut ersten Umfragen gewann auch dieses TV-Duell Clegg (Liberaldemokraten) mit 50 % haushoch, vor Cameron (konservative Tories) mit 33 % und Brown (Labour) mit 17 %.

Einschätzung:

Clegg ist ein Wolf im Schlipspelz, ein mieser, heimtückischer Reaktionär, viel schlimmer als Rechtsaussen oder Populisten wie Haider oder Le Pen. Er zielt auf einen Systemwandel, einen Putsch von oben, streng nach der Neokonservativen Agenda. Er spielt mit der Frustration der Menschen, die bis zur Weißglut durch 10 Jahre Verrat durch die Labour-Sozens angeheizt wurde und versucht sich als „neu“ zu profilieren. Das macht er professionell. Gleichzeitig profitiert er wie alle Neokonservativen von Gegnern, die keine sind.

Cameron wirkt wie alle Konservativen der ehemals „westlichen“, globalisierten Welt – zutiefst verwirrt, weil auf einmal alle ehemaligen Gegner ihn in allen dummen Ideen rechts überholen wollen und gleichzeitig mürrisch, weil er als einziger alte konservative Grundsätze – wie persönliche Freiheit, Nonkonformität – nicht nach links, sondern nach rechts verteidigen muss, was er nicht kann, wie kein Konservativer.

Brown ist ein alter Sandsack, der sich freut, wenn man ihn mal wieder gebrauchen kann. Sein einladendes dümmliches Lächeln, zu jedem plumpen Zynismus, ist ein globales Phänomen aller in Parteiapparaten mutierten „Sozialdemokraten“.

Es ist davon auszugehen, dass Clegg mit den Liberaldemokraten auf Dauer den zweiten Platz im britischen Parteiensystem erringen kann. Labour wird kalt erodieren und zu einer 15 %-Partei werden, wie alle anderen „sozialdemokratischen“ Parteien im US-Einflußbereich – mit Ausnahme der Führungspartei „Demokraten“ in den USA selbst – und mit einer Zeitverzögerung von 2 Jahren in Deutschland.

Eventuell schaffen es die Liberaldemokraten sogar an Platz 1, was die Abfangmechanismen in der Monarchie aber höchstwahrscheinlich verhindern werden. Bereits jetzt schießt die königliche Presse gegen die „Lib Dems“, um den neuen, angehenden Koalitionspartner Camerons nicht an ihm vorbei ziehen zu lassen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Souveränisten Grossbritanniens um die Unabhängigkeitspartei UKIP von Nigel Farage, oder die in Grossbritannien politisch ursprünglichen Grünen, einen Überraschungserfolg erzielen können.

Quellen:
(1) http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE63L0CE20100422
(2) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/politics/article7103318.ece
(3) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/environment/article7009081.ece
(4) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/politics/article7105405.ece

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