OPERATION PRINZ: Im Dienste der Staatssicherheit

In Berlin ist eine Spionageaffäre ausgebrochen, deren Umfang und Brisanz noch nicht abzusehen ist. Klar erscheint, dass zwei einflussreiche Fraktionen im Machtapparat des wichtigsten EU-Mitgliedsstaates gegeneinander antreten. In die Affäre verwickelt: die alte SPD-Nomenklatura um ex-Kanzler Gerhard Schröder und seinen damaligen Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier, sowie deren langjähriger gemeinsamer Vertrauter: Detlef W.Prinz, Journalist, IG-Metall-Sprecher, DGB-Vorstandsmitglied, dann Medienunternehmer und Mann im Hintergrund der SPD.

Der „Focus“ veröffentlichte gestern am Vormittag eine höchst brisante Story. Was an der Story am Meisten erstaunte, war das, was ihr folgte: das gewisse Nichts.

Schweigen. Totenstille. Alles wartete. Nur worauf?

DIE AKTE

Wie der „Focus“ (2) berichtet, wurden der Zeitung Kopien einer brisanten 307-seitige Akte zugespielt. Diese Kopien belegten, so die Zeitung, dass Detlef W.Prinz, Inhaber von „PrinzMedien“ und enger Vertrauter von ex-Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, von 1986 bis 1990 hauptamtlicher Spion des Auslandsgeheimdienstes der „Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik“ CSSR gewesen ist.

Laut dem Bericht lieferte Tschechien, welches nach dem Zerfall von Sowjetunion und Warschauer Pakt aus der CSSR hervorgegangen war, bei seinem 1999 erfolgten Beitritt zum Nordatlantikpakt Informationen über den ehemaligen CSSR-Spion „Erwin“ (Registriernummer 416453) an die deutsche Inlands-, sowie an die Auslandsspionage, also an das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst (BND). Der damalige „Beauftragte der Bundesregierung für die Nachrichtendienste“ (Geheimdienstkoordinator) des amtierenden Kanzlers Gerhard Schröders (SPD): Frank-Walter Steinmeier.

Trifft der Bericht des „Focus“ zu, und war die von den Tschechien gelieferte Akte tatsächlich authentisch, dann hätten diese Informationen zu einem sofortigen Verfahren des damaligen Generalbundesanwaltes gegen Detlef Prinz wegen agentendienstlicher Tätigkeit für eine fremde Macht führen müssen. Doch das geschah nie.

Dem „Focus“-Bericht zufolge kamen die Unterlagen nie bei der Bundesanwaltschaft an. Wenn das stimmt – wer behielt sie für sich? Und von wem bekam der „Focus“ diese Akten zugespielt? Und warum ausgerechnet jetzt, kurz vor den immens wichtigen Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und mitten in einem laufenden Untersuchungsausschuss zur Kunduz-Affäre, der die höchsten VertreterInnen des Staates zum Verhör bittet?

IM DIENSTE DER STAATSSICHERHEIT

Am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde die 1918 gegründete Republik Tschechoslowakei von den deutschen Besatzungstruppen befreit. Zu diesem Zeitpunkt war die Tschechoslowakei noch kein sowjetischer Satellitenstaat, sondern eine formal unabhängige Republik, deren alte Verfassung noch in Kraft war. Erst durch die Machtergreifung der sowjetisch kontrollierten Kommunistischen Partei Anfang 1948 – im Zuge des auf Jalta im Februar 1945 getroffenen Alliierten-Stalin-Abkommen über die Weltordnung nach dem 2.Weltkrieg durch den Westen stillschweigend gedeckt – wurde die nun in CSSR umbenannte Republik ein Satellitenstaat der Sowjetunion.

Die Staatssicherheit „Statni bezpecnost“ (StB) wurde gegründet, welche ähnlich des „Ministeriums für Staatssicherheit“ in der DDR sowohl Inlands-, als auch Auslandsspionage betrieb. Der Überbau des StB war der „Sbor narodní bezpecnosti“ SNB, das „Korps für Nationale Sicherheit“. Die Hauptverwaltung 1 des StB übernahm die Auslandsspionage, die Hauptverwaltung 2 die Inlandsspionage. Schon bald war der Staatssicherheitsdienst in der CSSR gefürchtet. Wie „Radio Praha“ (2) in einem Artikel beschrieb, bestand die Aufgabe der inneren Staatssicherheit

„vor allem darin, die nationalen Dissidenten und Kirchenvertreter zu überwachen und sie gegebenenfalls zu verfolgen und zu verhören. Dass gerade diese Hauptverwaltung einen Schrecken erregenden Einfluss auf ihre Person und ihr Umfeld ausübte, darin erinnert sich die heutige Topjournalistin Petruska Sustrová noch mit Grausen:
`Es war eine Lawine, die alle meine Freunde ins Ausland vertrieben hat. Das waren Menschen, die mir sehr nahe standen, mit denen ich kameradschaftlich zusammengearbeitet habe. Wir haben damals selbstverständlich gedacht, dass wir uns im Leben schon nicht mehr wieder sehen werden.`
Die StB hatte 1948 mit 3000 Mitarbeitern angefangen, ihre psychischen und physischen Repressalien gegen Andersdenkende auszuüben. 1954 hatte sich ihre Zahl auf 13.000 erhöht und Mitte der achtziger Jahre wurden in ihren Akten 12.500 fest angestellte und 75.000 informelle Mitarbeiter registriert.“

„ERWIN“

Wie der „Focus“ aus den Unterlagen berichtet, bestand seit 1981 „ein Kontakt der Tschechen“, also offenbar des tschechoslowakischen Staatssicherheit StB, zu „Erwin“ in Deutschland. Ab 1986 wurde dem Bericht zufolge „Erwin“ hauptamtlicher Agent des StB in Deutschland. Laut „Focus“ (1) waren die Aufgaben des Spions:

„das systematische Ausforschen der SPD-Führungsriege, Spionage gegen US-Einrichtungen in Deutschland, gegen das deutsch-amerikanische Forum „Atlantik-Brücke“ sowie gegen den damaligen US-Botschafter Richard Burt.“

Nun, wenn „Erwin“ wirklich Detlef Prinz gewesen sein sollte, dann wäre die Liste mutmasslich auszuspionierender und manipulierender Objekte nicht ganz vollständig. Denn zum Zeitpunkt der angeblichen Aufnahme einer hauptamtlichen Agententätigkeit für die Staatssicherheit der CSSR war Detlef Prinz Sprecher der Industriegewerkschaft IG Metall.

Teil II – Atlantik-Brücke in die SPD

Quellen:
(1) http://www.focus.de/politik/deutschland/agenten-affaere-steinmeier-vertrauter-war-spion-fuer-prag_aid_501662.html
(2) http://www.radio.cz/de/artikel/62973

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