OPERATION PRINZ (III): Tür und Tor in der Kunduz-Affäre
Teil I – Im Dienste der Staatssicherheit
Teil II – Atlantik-Brücke in die SPD
Vor einigen Tagen erschien im „Focus“ (1) eine höchst brisante Story. Laut der Zeitung, die sich auf ihr zugespielte umfangreiche Unterlagen beruft, arbeitete Detlef W.Prinz, jahrzehntelanger Vertrauter von ex-Kanzler Gerhard Schröder und ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und einflußreiche Person des öffentlichen Lebens, angeblich von 1986 bis Mitte 1990 für den Auslandsgeheimdienst der Tschechoslowakei. Kommen wir heute nun zu den aktuellen politischen Umständen, in welche diese Veröffentlichung fällt, sowie zu möglichen Motiven für derzeitige politische Akteure, welche in dieser und anderen Affären eine Rolle spielen könnten.
Wenn wir, liebe Geschworenen am Gerichtshof der Öffentlichen Meinung, nun einmal annehmen, dass die vom „Focus“ zitierten Kopien von Original-Unterlagen echt sind, dann handelt es sich dabei offensichtlich um die Unterlagen,welche die Regierung Tschechiens laut dem Focus-Bericht bei ihren Nato-Beitritt im Jahre 1999 an den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz lieferte.
Es steht nun der Verdacht im Raum, der damalige Geheimdienst-Koordinator und spätere SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier könnte 1999 selbst seine geheimen Staatsdiener angewiesen haben, die Unterlagen über die Spionagetätigkeit seines Freundes Detlef Prinz zurückgehalten zu haben. Gesetzt den Fall, dies wäre so und die Unterlagen sind authentisch, dann stellten diese Unterlagen in den vergangenen 11 Jahren ein enormes Erpressungspotential nicht nur gegen den einflußreichen Medienunternehmer Detlef Prinz dar, sondern gegen den gesamten Apparat von SPD und DGB; und zu allererst natürlich gegen den ehemaligen obersten Agenten- und heutigen Abgeordneten-Führer der SPD im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier.
Nun haben sich eine Menge Menschen seit dem Rücktritt des SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaines im Jahre 1999 gefragt, für wen die Partei in den letzten 11 Jahren eigentlich Politik gemacht hat. Manche fragten sich dies sogar seit 1990, seit der in politischer Lichtgeschwindigkeit durchgezogenen Auflösung der DDR und dem Anschluss an das Nato-Land der Bonner Republik.
Was ging damals wirklich vor sich? Wurde ein Deal geschlossen, ein Pakt zwischen verschiedenen Kräften?
AUF SCHLEICHFAHRT
Seit 20 Jahren, mit der kurzen Unterbrechung der Amtszeit des vom Schröder-Clan 1999 rausgemobbten Lafontaine, ist die SPD nur noch dabei, ihre eigene Substanz aus dem Fenster der Geschichte zu werfen. Sie kämpft ausschließlich gegen die eigene Basis und die ehemals eigenen Werte, nie gegen vermeintliche politische Gegner. Die Partei und ihre Strategen im Hintergrund haben in den letzten 20 Jahren – mit Ausnahme des Nein zum Irak-Krieg – nicht ein einziges Mal Wort oder Recht behalten, bei nichts und mit nichts.
Die SPD hatte nach ihrer Machtübernahme in 1998 die extrem provinziell geprägte CDU – welche zusammen mit der FDP von 1982 bis 1998 sechzehn elende Jahre voller Stagnation, Aussitzen und Verdrängung in Westdeutschland und schließlich im wiedervereinigten Deutschland an der Macht gewesen war – durch die Spendenaffäre praktisch auf dem Silbertablett serviert bekommen. Sie hätte nur einmal pusten müssen und die alte Machtpartei Westdeutschlands – die sich, ohne dass die SPD auch nur einen Mucks von sich gab, 1990 im Affenzahn auch noch die SED-Blockpartei der Ost-CDU einverleibt hatte – wäre in sich zusammen gefallen.
Doch die SPD tat nichts. Gar nichts. Im Gegenteil – sie half sogar der ehemaligen ex-FDJ-Propagandafunktionärin mit dem gewissen Nichts, Angela Merkel, mittelbar auf den CDU-Thron, nur um nach der ominösen Parlamentsauflösung in 2005 durch die SPD-Spitze und der anschließenden Neuwahl, entgegen allen vorherigen Beteuerungen Merkel vier Jahre lang beim forcierten Abbau der Berliner Republik zu helfen.
Immer wieder kam in den elf Jahren der SPD-Regierungsbeteiligung (1998-2009) der Verdacht auf, dass der dominierende Teil ihrer Führungsriege erpresst wurde und für die Gegenseite arbeitete.
Am 3.September 2009, dem Tag, als in der deutschen Besatzungszone in Afghanistan bei Kunduz die „Operation Joker“ (2) der geheimen Regierungs-„Task Force 47“ anlief, an deren Ende 137 Menschen den Tod fanden, schrieb der ehemalige Wahlkampfmanager Willy Brandts, Albrecht Müller, in den „Nachdenkseiten“ (3):
„Rätselhafte SPD-Strategie. Des Rätsels Lösung: SPD-Spitze arbeitet für andere. Sie mögen dies für eine sehr gewagte Vermutung halten. Dann bleibt Ihnen als Lösung des Rätsels alternativ nur die Vermutung, dass in der SPD-Spitze nur noch Dummköpfe sitzen. Andere Erklärungen gibt es für den Niedergang dieser großen und wichtigen Partei aus meiner Sicht nicht.
Eine Alternative zu haben, ist eine ur-demokratische Regel. Ohne die SPD wird es unter heutigen Bedingungen aber keine Alternative zum rechtskonservativen Lager geben. Deshalb ist die Erkenntnis, dass die SPD-Spitze im Auftrag anderer Interessen arbeitet, so bedrückend.
Die SPD Führung hat in den letzten 10 Jahren ihre Kompetenz und ihr Profil in zentralen Fragen aufgegeben und damit sehenden Auges in Kauf genommen, nahezu alle Ministerpräsidenten, die Hälfte der Mitglieder und auch nahezu die Hälfte der Wähler zu verlieren. Sie hat mit Hartz IV und Agenda 2010 die soziale Kompetenz geopfert. Mit der militärischen Intervention im ehemaligen Jugoslawien und jetzt in Afghanistan gab sie ihr Image als Partei des Friedens und der Verständigung auf....glaubt Steinmeier ernsthaft, er könne eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und der FDP zimmern? Wie soll das denn gehen, wenn die FDP sich eindeutig auf Schwarzgelb festgelegt hat? Steinmeiers Werben um die FDP passt auch nicht zur agitatorischen Linie, an die sich die SPD-Spitze jetzt klammert: es gehe darum, Schwarz-gelb zu verhindern. Wenn diese Kombination so schlimm ist, was ich auch so sehe, dann kann man doch aber nicht glaubwürdig zugleich die Fortsetzung von Schwarzrot wie auch ein Bündnis mit der FDP für inhaltlich erstrebenswert halten. Wenn man als SPD- Spitze die Wahlentscheidung am 27. September zu einer Richtungswahl erklärt, dann darf man doch nicht gleichzeitig genau um diese beiden Gegner werben? Dann muss man doch ein Bündnis für die andere Richtung wenigstens möglich machen und anbieten?
Darüber hinaus gibt es eine Reihe anderer Wahlkampffehler, die man rational nicht erklären kann. Mit Dummheit alleine aber eben auch nicht.
Schon die Verkürzung der Legislaturperiode und damit der sozialdemokratischen Kanzlerschaft im Jahr 2005 war rational nicht zu verstehen. Müntefering und mit ihm Gerhard Schröder haben der SPD ein Jahr Kanzlerschaft gestohlen und mit der Verkürzung der Legislaturperiode auch die Chance für die Fortsetzung der Arbeit nach den Wahl verschlechtert. Auch aus der Sicht des Jahres 2005 wäre es 2006 leichter gewesen, bei einer absehbar verbesserten wirtschaftlichen Lage die Wahl gegen Angela Merkel zu gewinnen. Der Abbruch und das Neuwahlbegehren bleiben aus der Sicht von sozialdemokratischen Gestaltungsinteressen rätselhaft. Man versteht den damaligen Abbruch letztlich nur, wenn man annimmt, Müntefering als Initiator und Schröder als Mitziehender hatten nicht zu allererst die sozialdemokratische Gestaltungsmacht, sondern die Rettung der Agenda 2010 zum Ziel. In wessen Interessen war dies?
Kann man diese Entwicklung mit Dummheit der Führungspersonen erklären? Meines Erachtens nicht mehr. Ich habe in meinem eng mit der SPD verbundenen politischen Leben schon häufig beobachtet, wie außenstehende Interessen Teile der SPD- Führungsgruppe bestimmt haben (das gilt auch für andere Parteien). In den letzten Jahren hat sich aus meiner Sicht dieser Einfluss verstärkt: die USA bestimmen wesentlich die außen- und sicherheitspolitische Linie; die Finanzwirtschaft hat offensichtlich großen Einfluss auf die gesellschaftspolitischen Vorstellungen: pro private Altersvorsorge, pro Privatisierung, für Deregulierung. Die Vorstellungen der neoliberalen Ideologie reichen weit hinein in die SPD-Spitze. Auch hier gilt, dass der Einfluss auf andere wie Union und FDP nicht kleiner, sondern größer ist. Aber diese Feststellung ist kein Trost, weil es hier ja genau um die Frage geht, ob die SPD noch den Kern einer politischen Alternative zu den Rechtskonservativen bieten kann. Das kann sie offensichtlich nicht, weil die SPD-Spitze dies nicht will.
Die Vermutung, dass die SPD-Spitze heute wesentlich von außen bestimmt und deshalb nicht fähig ist zu einer Strategie, die zu einem Wahlerfolg führen könnte, will ich niemandem aufschwätzen. Aber ich möchte dazu anregen, über die skizzierten Rätsel nachzudenken.“
Vorher hatte die SPD dem vermeintlichen Gegner CDU/CSU auch noch 24 Abgeordnete zusätzlich geschenkt, die nie gewählt worden waren. (Überhangmandate: Betrug an Staatsbürgern und Verfassung seit 53 Jahren)
TAUCHGANG
Dann kam die Bundestagswahl. 27.September, 18.45 Uhr (Der Ticker zur Bundestagswahl und zu den Landtagswahlen):
„Willy-Brandt-Haus. Surreal trifft es nicht mehr. Was da in der SPD-Zentrale heute abend passiert, das ist gefährlich. Der Vorsitzende und der Kanzlerkandidat treten auf die Bühne. Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier werden bejubelt. Eine Partei feiert den Untergang. Etwas so Gespenstisches hat es in Deutschland seit dem Faschismus noch nie gegeben. Diese Partei mit dem alten, an neue Besitzer verkauften Wahl- und Regierungspatent namens “SPD” nähert sich, rational betrachtet, dem Status einer Sekte..
“Macht bitte weiter, das war toll”, ruft Steinmeier in die Menge und wartet auf das Echo.
Und das Echo kommt. Sind es Festangestellte, sind es Verrückte, man weiss es nicht. Die Mitte der SPD-Gesellschaft, die Spitze der Pyramide, sie gerinnt zur Felswand, an die man eine Partei klatschen und ihr dabei zuhören kann..Steinmeier, Bruchstücke für die Ewigkeit: “ich darf mich bedanken..bis zur letzten Sekunde hat das gut funktioniert..ich bedanke mich natürlich bei den Wählerinnen und Wähler..das wird keine verlorene Stimme sein”. Zu den lieben Kollegen der CDU und der FDP: “die müssen jetzt beweisen, dass sie es können und ich halte….und ich behalte meine Zweifel, dass sie es können”..
Über die Untertanen in der SPD: “Diese Frauen und Männer haben vor allem immer zu einem gestanden: zur Demokratie”, und man hört von ferne so ein Gerumpel, wuttatta, wuttatta, und man weiss, das ist Kurt Tucholsky, wie er in seinem Grab rotiert.
Über seine gute Zukunft sagt Steinmeier, “ich werde aus der Verantwortung nicht fliehen, ich habe..” und da ist wieder dieser Beifall, wie auf einem Scientologen-Kongress, “..Verantwortung tragen..alte Stärke, neue Kraft..auch als Oppositionsführer im Bundestag” und da jubeln sie und jubeln sie und jubeln sie und jubeln, jubeln, jubeln und man freut sich nur noch, dass diese Irren von einem wachen Volk wenigstens aus der Regierung getreten wurden.“
Die an diesem Abend verkündete Selbstnominierung Steinmeiers als zukünftiger Abgeordneten-Führer der SPD-Fraktion, nach dem größten Verlust von Wählerstimmen in der parlamentarischen Geschichte Deutschlands, wurde durch die SPD mit derselben, gespenstischen Unterwerfung und Realitätsvernebelung zur Kenntnis genommen, mit der sie seit 1999 konsequent in die Selbstzerstörung gelaufen war. Es blieb dem alternativen Nobelpreisträger Hermann Scheer überlassen, dieses surreale Schauspiel zu kommentieren. (Hermann Scheer kritisiert “fast putschistische” Rochade der alten SPD-Regierungslobby)
„Das gab es noch nie in der SPD. Was in den letzten Tagen ablief, ist ein bisher einmaliger Akt der Selbstnominierung einer neuen SPD-Parteiführung durch einen kleinen, von niemandem autorisierten Personenkreis. Überfallartig wurde damit jedwede Willensbildung in der Partei selbst sowie des Präsidiums und des Parteivorstands übergangen. Dies widerspricht allen demokratischen Gepflogenheiten und Regeln.“
Scheer kritisierte, dass
“in einem Hauruck-Verfahren, quasi fast putschistisch, 48 Stunden nach der Wahl, bevor eine Diskussion stattgefunden hat, ein solcher Akt der Selbstnominierung eines kleinen Personenkreises stattgefunden hat. Und dieses ist, offen gesagt, nicht erträglich..Das, was da passiert ist, widerspricht der demokratischen Verfassung einer Partei.“
Anschliessend zog sich in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP wochenlang ein seltsames Tauziehen hin. Es entstand der Eindruck, die Spitze von CDU/CSU wollte gar keine Regierung mit der FDP, sondern mit Händen und Füßen eine Fortsetzung der „großen Koalition“ mit der SPD herbeiführen. Irgendwie schien das niemandem aufzufallen. (20.Oktober, Wehe, wenn NOCHMAL die SPD an die Regierung kommt…). Erst am 28.Oktober schliesslich ernannte die bereits amtierende alte Kanzlerin Merkel ihre neuen Minister, im Zuge einer Einigung zwischen CDU, CSU und FDP.
Dann flogen unter bisher ungeklärten Umständen die drei mächtigsten Männer des Polizei-, Spionage- und Militärapparates aus ihren Ämtern.
VOM SINKENDEN SCHIFF
Am 5.November 2009 verkündete der neue Innenminister Thomas de Maiziere, der bisherige Innen-Staatssekretär August Hanning werde zum Jahresende vorzeitig in „Vorruhestand“ gehen. Gründe nannte der Minister dafür nicht (Terrorexperte Hanning geht mit 63 Jahren in “Vorruhestand”). Doch in den nächsten Tagen schien hinter den Kulissen noch irgendetwas Unruhiges vor sich gegangen zu sein. Denn am 10.November verkündete de Maiziere den sofortigen Rausschmiss Hannings, nicht erst zum Jahresende. (Schachmatt)
Hanning hatte bereits seit 1990 im Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl (CDU) in der entsprechenden Abteilung an der Leitung der Spionagedienste mitgewirkt. Zur gleichen Zeit amtierte damals Wolfgang Schäuble als Innenminister.
Von SPD-Kanzler Gerhard Schröder (mit dessem Kanzleramtsleiter und Geheimdienst-Koordinator Frank-Walter Steinmeier) wurde Hanning 1998 zum Präsidenten des BND gemacht. 2005 musste Hanning zwar wegen einer Affäre um eine seinem Dienst verbotene Inlandsspionage gegen Journalisten zurücktreten. Konsequenterweise beförderte ihn die „große Koalition“ unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel (mit ihrem Aussenminister Frank-Walter Steinmeier) daraufhin zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium unter Wolfgang Schäuble.
Hanning war also zu dem Zeitpunkt BND-Präsident gewesen, an welchem laut den im „Focus“ (1) zitierten Unterlagen angeblich die tschechische Regierung die Akten über Detlef Prinz, den mutmaßlichen abgeschalteten Top-Spion der CSSR, an den BND übergeben haben soll – im Jahre 1999. Der „Spiegel“ (4) schickte Hanning einen ebenso traurigen, wie bezeichnenden Nachruf hinterher:
„Der von Skandalen und einem vitalen Eigenleben mit reichlich Intrigen geprägte Nachrichtendienst musste sich in der Zeit unter Hanning massiv verändern. Durch den Fall der Mauer war die Ausrichtung auf die DDR und den Ostblock plötzlich hinfällig geworden, vielmehr wurden Gebiete wie der Nahe Osten oder Asien wichtiger als das Abschöpfen von Quellen in Ost-Berlin oder Moskau. Gleichwohl öffnete Hanning die Behörde nicht nur gegenüber der Regierung. ..
Wolfgang Schäuble holte Hanning schließlich als Innenstaatssekretär in sein Ministerium und gab ihm sehr viele Freiheiten. Sein Staatssekretär trieb den Umbau der deutschen Sicherheitsbehörden mit viel Energie an, die Schaffung eines gemeinsamen Zentrums für Terrorbekämpfung in Berlin war eines seiner Projekte. Ebenso kämpfte er mit durchaus harten Bandagen für die Ausweitung der Befugnisse für Behörden wie das Bundeskriminalamt oder den Verfassungsschutz.“
Die zweite immens mächtige Person des Apparates, welche im November 2009 ihre Macht in der Berliner Republik verlor, war Peter Wichert. Wichert war bereits 1991 Staatssekretär im Verteidigungsministerium geworden, welches damals noch in Bonn betrieben wurde und hatte dieses Amt neun lange Jahre geführt. Im Jahre 2000 in den einstweiligen Ruhestand versetzt, kam auch er durch die Merkel-Steinmeier-Koalition in 2005 zu neuen Ehren. Abermals wurde er Staatssekretär im Militärministerium, welches er als leitender Beamter in den ersten Krieg mit deutschen Soldaten nach dem 2.Weltkrieg (gegen Yugoslawien) geführt hatte und zu einem Zeitpunkt übernahm, als sich eine kleine Anzahl (regulärer) deutscher Truppen zwar noch in Afghanistan befanden, aber in keinster Weise in Kampfhandlungen eingriffen. Auch über die Idee einer eigenen Besatzungszone hätte 2005 in Deutschland jeder nur den Kopf geschüttelt. Auch dies sollte sich sehr bald ändern.
Nach der für die SPD-Regierung desaströs verlaufenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22.Mai 2005 war der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering nach Absprache mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vor die Parteigemeinde getreten, hatte den Gläubigen die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen verkündet. Alles fügte sich.
Am 18.September 2005 wurde der Bundestag gewählt. Unmittelbar danach wurde die “grosse Koalition” zwischen SPD, CDU und CSU beschlossene Sache. Bereits am 28.September traf sich der Bundestag dann zu einer Sondersitzung und beschloss mit den Stimmen der ganz grossen Koalition aller Kriegsparteien CDU, SPD, FDP, CSU und Bündnis 90/Die Grünen die Erhöhung der deutschen Isaf-Truppenstärke auf 3000 Soldaten und verlängerten das erteilte Besatzungsmandat um ein ganzes Jahr.
Am 1.Juni 2006 übernahm die Bundeswehr mit dem “Regionalkommando Nord” die Besatzungszone Nord-Afghanistan. Am 9.März 2007 folgte die deutsche Luftwaffe, Tornado-Kampfbomber und Drohnen (über die Drohnen wird noch ungerner geredet als über alles andere. Es fragt auch niemand). (9.März 2007, China:”Al Qaeda”-Angriff aus Afghanistan)
Die dritte bis dahin mächtige Person des Apparates, welche im Herbst 2009 nach der Einigung von CDU/CSU und FDP auf eine Regierungskoalition ihr Amt verlor, war der oberste Militär Deutschlands: Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Er wurde zusammen mit seinem vorgesetzten Staatssekretär Peter Wichert am 26.November durch den neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) völlig überraschend entlassen. Auch dieser Abgang des höchsten deutschen Militärs ist bis heute von Nebel umgeben, der sich trotz emsigen Armruderns und Fingergewedel in Regierung und Ministerien nicht so recht lichten wollte.
Alle drei Entlassungen, die von Hanning, Wichert und Schneiderhan, erfolgten durch Minister, welche gerade erst ihr Amt angetreten hatten. Für alle drei Entlassungen hat die Öffentlichkeit bisher keinen plausiblen Grund erfahren, bis auf die äusserst interessante Äußerung zu Guttenbergs, Wichert und Schneiderhan hätten ihm „Informationen vorenthalten“.
Nur – welche?
DEUTSCHLANDS REGIERUNG WIRD AM HINDUKUSCH VERTEIDIGT
Militärstaatssekretär Wichert und Innenstaatssekretär Hanning waren Ende 2008 vom 21.-25.Oktober zusammen nach Afghanistan geflogen. Nach der Rückkehr wurden per Telefon Vertreter des Kanzleramtes von Angela Merkel (CDU), aus dem Aussenministerium unter Frank-Walter Steinmeier (SPD), dem Innenministeriums von Wolfgang Schäuble (CDU), des Bundesnachrichtendienstes (BND) unter Ernst Uhrlau zu einem geheimen Treffen in das Militärministerium unter Franz-Josef Jung (CDU) eingeladen. Es gab keine schriftlichen Einladungen. Alles, was man bisher über dieses Treffen in der Öffentlichkeit weiss, steht in einem englischsprachigen Artikel des Flaggschiffs der Bellizisten und Neokonservativen, “Spiegel Online” (5). In dem Artikel wird der ehemalige BND-Präsident damalige Staatssekretär des Innenministeriums, August Hanning, wie folgt beschrieben:
“Es kann so nicht weitergehen. Ich bin sehr besorgt”, sagte Hanning, der, zusammen mit Wichert, an dem Treffen teilnahm und aus Afghanistan berichtete. “Die Situation in und um Kunduz ist viel dramatischer, als die Öffentlichkeit glaubt”, erzählte er der Gruppe. Hanning, in der Absicht die Hintermänner der Taliban zu jagen, favorisierte eine härtere Vorgehensweise. Aus seiner Sicht reduzierte sich für die deutschen Truppen der Konflikt auf zwei Möglichkeiten: jagen oder gejagt zu werden.”
Es gab natürlich niemanden, der im März 2010 in dem äußerst merkwürdigen Gebaren der CDU-Spitze, in der Zuarbeit der Berliner SPD-Spitze um Abgeordneten-Führer Frank-Walter Steinmeier, in der unfaßbaren Zeitschinderei im sogenannten Kunduz-„Untersuchungsausschuss“, zu dem sich der Militärausschuss selbst erklärt hatte, im Auftakt der Diskussionen um Reisebegleitungen von Guido Westerwelle, sowie in den kommenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen irgendeinen Zusammenhang gesehen hätte. Niemanden. Das ging nicht. Das war nicht vorgeschrieben. Da hätte man ja…ach. (Über die drohende CDU-SPD-Koalition und die Kunduz-Affäre, 11.März)
Sowohl CDU, CSU, als auch SPD spielten im Kunduz-Ausschuss auf Zeit. Alles wartete auf die NRW-Wahl und kalkulierte mit einem grossen Sprung nach hinten, um sich (und die abschreckenden Kühlerfiguren Merkel und Steinmeier) abermals in eine „große Koalition“ zu retten.
Dann geschah etwas Interessantes.
KURSWECHSEL
Am 25.März wurde bekannt, dass Merkel in Berlin bereits am Abend des 4.Septembers 2009 (dem Tag des tödlichen Luftangriffes von Kunduz) vom BND Hinweise auf zivile Opfer bekommen hatte. Daraufhin stimmten am 27.März schliesslich die SPD-Vertreter im umgewandelten Militärausschuss, nach monatelangem, erbitterten Nichtstun, einer Vernehmung von Kanzlerin Merkel im Ausschuss zu.
Die Reaktion der CDU sprach für sich. Andreas Schockenhoff, Vize-Führer der CDU/CSU-Fraktion:
„Die SPD betreibt das Spiel der Taliban“
Am 19.April stellte Generalbundesanwältin Monika Harms das Ermittlungsverfahren gegen Oberst Georg Klein ein, welcher als regionaler Befehlshaber in Kunduz am 4.September 2009 den gezielten Luftangriff auf eine Menschenmenge in der näheren Umgebung des deutschen Militärstützpunktes befohlen hatte und damit mindestens 137 Menschen umbringen ließ. Die juristische Begründung der Verfahrenseinstellung spottete jeder Beschreibung. Noch am gleichen Abend verlangte abermals der Vize-Abgeordnetenführer von CDU und CSU, Andreas Schockenhoff, ein Ende des ganzen Ausschusses. (Wie der Tiefe Staat Untersuchungsausschuss und Kunduz-Affäre zusammen mit 137 Menschen vernichten will)
Am 22.April nahm die CDU-Kanzlerin Merkel im Parlament Stellung zum Militäreinsatz in Afghanistan. Doch anstelle von SPD-Abgeordnetenführer Frank-Walter Steinmeier hielt der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel die Gegenrede zu Merkel. Die CDU/CSU-Fraktion sprach gegenüber der Presse von einer „Entmachtung“ Steinmeiers.
Die Rede Gabriel eine unscheinbar wirkende Ankündigung, welche aber nichtsdestotrotz einen fundamentalen Kurswechsel der Kriegspartei SPD darstellte; bevor das Militär eine erneute Vollmacht, ein „Mandat“ zur Tötung von Menschen und Exekutierung von Kriegshandlungen in der afghanischen Besatzungszone bekomme, verlange die SPD eine “ unabhängige, systematische und wissenschaftlich gestützte Überprüfung“ dieses Militärmandates.
Einerseits war das natürlich eine öffentliche Entmündigung der eigenen Abgeordneten. Andererseits war diese auch lange überfällig. (Kurswechsel der SPD: Gabriel verlangt “unabhängige Überprüfung” von nächstem Afghanistan-Mandat, 22.April)
DIE OPERATION PRINZ
Wenn man sich nun vor Augen hält, dass der „Focus“-Bericht (welcher Steinmeier unter immensen öffentlichen Druck setzte) ganze zwei Tage nachher erschien, so könnte man nun eins und eins, vielleicht sogar noch eins zusammenzählen. Man könnte natürlich weiter dem deutschen Obergesetz folgen – der Gewohnheit – und einfach nichts tun und den Kopf wegducken, bis sich die Sache dann entwickelt hat, um sich dann mit großen Worten an den Leichenschmaus zu machen, man hatte ja keine Ahnung, ja hätte man mal was gewußt, hätte man auch was tun können, etc, etc. Wer kennt nicht diese Berliner Tischgespräche, die haben hier Tradition.
Werte Geschworene am Gerichtshof der öffentlichen Meinung; für den morgigen Dienstag hat der Angeklagte Detlef Prinz eine öffentliche Erklärung angekündigt. Sie dürfen darf gespannt sein, wie er sich zu den Vorwürfen äußert.
Über eines jedoch können Sie sich sicher sein – er ist nur ein Randfigur dieses Verfahrens.
Quellen:
(1) http://www.focus.de/politik/deutschland/agenten-affaere-steinmeier-vertrauter-war-spion-fuer-prag_aid_501662.html
(2) http://www.bild.de/BILD/politik/2010/02/10/kunduz-affaere-hat-die-bundeswehr-akten-vernichtet/wahrheit-ueber-bombennacht-kommt-nie-ans-licht.html
(3) http://www.nachdenkseiten.de/?p=4169
(4) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,659662,00.html
(5) http://www.spiegel.de/international/germany/0,1518,668404,00.html